Der Mitarbeiter im Wareneingang nimmt die sieben Paletten mit den erwarteten Gummidichtungen entgegen und scannt schon an der Laderampe des LKW mit einem tragbaren Leser die einzelnen Barcodes. Mobile Endgeräte wie diese sind in den produktionsnahen Bereichen bereits seit Langem etabliert und aus vielen Abläufen nicht mehr wegzudenken. Das deshalb, weil sie sich gut in standardisierte und eindeutige Gesamtprozesse integrieren lassen, bei denen die verschiedenen Schritte 1:1 abbildbar sind.
Prozessmanagement: Mobile Endgeräte
Nach dem Hype folgt nun die Strategie
Nicht immer mit Nutzen
In die Mobilisierung von technischen und kaufmännischen Geschäftsprozessen kam dagegen erst Fahrt, als Apple Anfang 2010 das iPad einführte. Viele Entscheider nutzen die Tablets zunächst privat, um dann aufgrund ihrer positiven Erfahrung den geschäftlichen Einsatz zu forcieren – alles musste plötzlich mobil sein, ob ein Mehrwert absehbar war oder nicht. Im Zuge des allgemeinen Hypes setzten viele Unternehmen dabei allerdings auf die falsche Strategie. Ursprünglich stationär genutzte Anwendungen und Prozesse sollten unmittelbar auf die mobilen Endgeräte übertragen werden. In der Folge waren die realisierten Anwendungen auch genauso komplex wie ihre immobilen Schwestern. Und sie liessen sich aufgrund der technischen Voraussetzungen der mobilen Devices – vor allem wegen der Grösse der Darstellungen und der reduzierten Eingabemöglichkeiten – kaum anwenden. Auch der aus der Not geborene Ansatz, sich auf die Anzeige von Fortschritten und Ergebnissen zu beschränken, erwies sich als erfolglos, da hier der Nutzen auf der Strecke blieb.
Damit ist allerdings nicht gesagt, dass mobile Endgeräte im technischen und kaufmännischen Umfeld nicht sinnvoll genutzt werden können. Ganz im Gegenteil. Gerade weil dort zahlreiche Prozesse zeitkritisch und ortsunabhängig sind, können mobile Lösungen sehr nützlich sein. Das gilt ganz besonders für KMU, in denen die Entscheidungsgewalt häufig auf wenige Personen verteilt ist. Werden diese in die Lage versetzt, auch von unterwegs auf verlässliche Informationen zuzugreifen, können sie schneller und Compliance-konform handeln.
Die grosse Herausforderung besteht für die Unternehmen nun darin, eine strategische Integration von mobilen Endgeräten voranzutreiben. Aus technischer Sicht bedeutet das, eine sichere wie stabile Anbindung zu realisieren und einen einwandfreien Datentransfer sicherzustellen. So müssen die Anwender von Smartphones oder Tablet-PCs zum einen stets auf aktuelle Informationen zugreifen können. Zum anderen sollten deren am mobilen Endgerät vorgenommenen Arbeitsschritte auch direkt im Backend-System abgebildet werden. Eine zeitverzögerte und händische Synchronisation würde zu Informationsschiefständen führen und wäre mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Hinzu kommt, mit der Integration auch die definierten Sicherheits- und Compliance-Vorschriften des Unternehmens einzuhalten.
Aus fachlicher und wirtschaftlicher Sicht geht es schlicht um einen kritischen Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Frage lautet hier: Welche bestehenden Abläufe können sinnvoll mit mobilen Endgeräten ergänzt werden und welche ganz neuen Prozesse lassen sich etablieren?
Einen wertschöpfenden Beitrag leisten die tragbaren Geräte zum Beispiel dann, wenn sich mit ihnen kritische Verzögerungen in Prozessen vermeiden lassen – etwa bei der Materialbeschaffung. Kommt es hier zu Engpässen oder langsamen Reaktionen, kann sich das schnell auf die gesamte Fertigung auswirken, die im schlimmsten Fall zum Stillstand kommt. Mobile Endgeräte, die mit einer speziellen Applikation für die Bedarfsplanung ausgestattet sind, ermöglichen es den verantwortlichen Mitarbeitern, die Materialsituation von überall aus im Blick zu behalten und im Ernstfall schnell zu reagieren. Der Entscheid darüber, was zu tun ist, lässt sich so zeitnah und Compliance-konform treffen.
Ein anderes Beispiel ist der Augmented Maintenance Manager, den wir entwickelt haben. Mit der Anwendung lassen sich auf mobilen Endgeräten Anlagen und Maschinen aus einer Werkhalle als dreidimensionale Objekte darstellen. Diese können mit Daten und Funktionen eines SAP-Systems verknüpft werden – so wird beispielsweise immer der aktuelle Maschinenstatus aus dem Produktionssystem angezeigt.<ahref="http://www.presseanzeiger.de/thema/mitarbeiter">Mitarbeiter aus der Instandhaltung haben so die Möglichkeit, sich mit Fingergesten durch die Fabrikhalle zu bewegen. Ein Klick auf eine der Anlagen zeigt die verschiedenen relevanten Kennzahlen an. Kommt es an einer Maschine zu einer Störung, wird das auf der 3D-Tablet-Oberfläche durch eine Animation dargestellt. Möglich ist auch, über die Anwendung einzelne Prozesse anzustossen. So kann ein für die Instandhaltung verantwortlicher Mitarbeiter zum Beispiel Maschinen zur Benutzung freigeben, nachdem eine Störung behoben wurde.
Ein weiteres sinnvolles Einsatzfeld für mobile Endgeräte ist das mobile Reporting beim Kunden bzw. Lieferanten. Durch den unmittelbaren Zugriff auf alle erforderlichen Informationen können dann beispielsweise Preise und Konditionen direkt ermittelt und miteinander besprochen werden. In der Produktion sind Anwendungen sehr gut vorstellbar, die an SAP HANA oder an vergleichbare Technologien angebunden sind und die Informationen in Echtzeit liefern. So bei der Realtime-Analyse: Informationen in den Backend-Systemen – beispielsweise zur Materialbedarfsplanung (Material Requirement Planning), zur Parametrisierungen von Maschinen oder zu Rückmeldungen von Prüfständen – werden in Echtzeit berechnet und sofort mobil bereitgestellt. Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich dann Änderungen beim Maschineneinsatz ebenfalls mobil einleiten.
Im Projektalltag von Mieschke Hofmann und Partner (MHP) konnten wir vier Faktoren ausfindig machen, die dazu beitragen, anspruchsvolle bislang stationäre Prozesse sinnvoll und erfolgreich zu mobilisieren.
1. Umfassendes Prozessverständnis
› Nur wer den Zweck und das Ziel eines Geschäftsprozesses genau versteht und wer weiss, welche Person mit welchem Informationsbedarf diesen am besten umsetzt, kann mobile Prozesse mehrwertorientiert entwerfen.
› Das Vorgehen, Prozesse 1:1 auf mobile Endgeräte zu übertragen und den Nutzer mit der gleichen Menge an Information zu konfrontieren, führt zu reduzierter Prozesseffizienz und zu Akzeptanzverlusten. Die technische Limitation mobiler Endgeräte muss daher unbedingt berücksichtigt werden.
› Spezielle Herausforderung für KMU: Hier bietet es sich vor allem an, Aussendienst-zentrierte Prozesse durch mobile Endgeräte zu unterstützen. Das allerdings nur dann, wenn die Integration in die Backend-Systeme und die Bereitstellung der benötigten Informationen gewährleistet sind. Konkret heisst das: Die Übertragung der relevanten Daten muss auch bei schlechter und abbrechender Funkverbindung funktionieren, die Informationen müssen sich trotz der eingeschränkten Darstellungsmöglichkeiten sinnvoll auf den mobilen Endgeräten anzeigen lassen. Das setzt voraus, dass die Daten im Vorfeld maximal automatisiert und fachlich vorbereitet werden. Dies gelingt wiederum nur mit einer einheitlichen Prozesslandschaft, die ohne die beliebten Excel-Schnittstellen auskommt, da diese eine Automatisierung und schnelle mobile Bereitstellung behindern. Solche Schnittstellen sind im KMU-Umfeld nach wie vor verbreitet und müssten zumindest durch die zu mobilisierenden Prozesse und Informationsflüsse ersetzt werden.
2. Umfassendes Technologieverständnis
› Um einen wertschöpfenden Beitrag zu Unternehmensprozessen zu liefern, sind mobile Anwendungen auf Informationen aus betriebswirtschaftlichen Backend-Systemen angewiesen. Die erarbeiteten Ergebnisse müssen ebenfalls in diese Systeme zurückgeschrieben werden.
› Diese Systemintegration bedingt neben der Anbindung an die technische Unternehmens-IT auch die Berücksichtigung von Rechten, Rollensystemen und Compliance-Vorgaben.
› Spezielle Herausforderungen für KMU: Typischerweise ist die IT-Landschaft bei KMU heterogen und über die Jahre gewachsen. Eine langfristige IT-Strategie fehlt meist – weil sie nicht gewollt ist oder tatsächlich nicht benötigt wird. Dies bedeutet, dass die notwendigen Prozesse und Informationen, die speziell für Entscheider im KMU-Umfeld erforderlich sind, nicht durchgängig und langfristig geplant und innerhalb einer Anwendungsarchitektur abgebildet sind. Eine Plattform zur Anbindung mobiler Endgeräte wäre aber eine Erweiterung zu einer bestehenden Integrationsarchitektur. Daher kann sie nur die Prozesse und Informationen mobilisieren, die ihr auch eindeutig zugeführt werden. Für KMU stellt sich so als Erstes die Frage, ob die eigene Systemarchitektur technisch überhaupt dazu geeignet ist, eine technische Einführung von mobilen Lösungen zu unterstützen. Um die aus fachlicher Sicht gewünschten Anwendungen technisch realisieren zu können, muss unter Umständen zunächst eine IT-Harmonisierung erfolgen. Dies bedeutet Folgekosten, die in eine langfristige Kosten-Nutzen-Rechnung einbezogen werden sollten.
3. Umfassendes Endgeräteverständnis
› Die Bedienkonzepte der verschiedenen Endgeräte unterscheiden sich erheblich und müssen im Einzelnen verstanden werden. Nur so können die zu entwickelnden Anwendungen im Rahmen der Benutzerinteraktion spezifisch für das jeweilige Gerät entworfen werden.
› Spezielle Herausforderung für KMU: Im Vergleich zu den Betriebskosten sind die Anschaffungskosten für mobile Endgeräte zwar gering. Dennoch sollte bedacht werden, dass der einmal getroffene Entscheid für einen Anbieter bzw. eine Integrationsplattform einen späteren Wechsel nicht einfach macht. Ein Grund dafür sind die unterschiedlichen und teilweise nicht kompatiblen Technologien wie die verwendeten Programmiersprachen und Betriebssysteme. Hinzu kommt, dass im Unternehmen spezifisches Wissen aufgebaut wird, dass bei jedem Anbieterwechsel erneut erworben werden muss. Daher sollten im Vorfeld die fachlichen und technischen Anforderungen exakt definiert und mit den Möglichkeiten aktuell verfügbarer Endgeräte verglichen werden. Eine Abschätzung der Entwicklung in den nächsten fünf Jahren ist dabei absolut empfehlenswert. Unternehmen, die beispielsweise vor drei Jahren Verträge mit RIM (BlackBerry) abgeschlossen haben, können davon ein Lied singen.
4. Interdisziplinäres Projektmanagement
› Von den Prozessen über die Technologie bis hin zum Design – bei der Entwicklung von mobilen Anwendungen sind verschiedene Disziplinen gefragt.
› Dementsprechend sind die Erwartungen, Vorgehen und Ziele grundsätzlich verschieden.
› Diese Erwartungen zu transformieren und zielgerichtet auf den Erfolg auszurichten, ist Aufgabe eines interdisziplinären Projektmanagements.
› Spezielle Herausforderung für KMU: Mobile Endgeräte werden hauptsächlich von Mitarbeitern aus den Fachbereichen verwendet. Das bedeutet, dass deren Anforderungen hinsichtlich der Bedienbarkeit umzusetzen sind, da die Akzeptanz ansonsten schnell leidet. Insofern ist die Zusammenarbeit von IT-Abteilung und Fachbereichen unverzichtbar. Bei Konzernen setzt sich für diese Art der gemeinsamen Arbeit das Business-IT-Alignement-Konzept immer mehr durch. Im KMU-Umfeld ist dies noch deutlich seltener anzutreffen. Die entsprechenden Projektkompetenzen müssten daher entweder erst selbst aufgebaut oder hinzugekauft werden. «