ICT & Technik

Weboptimierung

Mit der richtigen Strategie zum optimalen Nutzererlebnis

Angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks reicht es nicht mehr aus, nur eine Web­site mit einem konkurrenzfähigen Inhalts- und Warenangebot bereitzustellen. Um neue Kunden zu gewinnen und bestehende zu binden, muss der Online-Auftritt ein optimales Nutzer­erlebnis bieten. Website-Betreiber müssen ihre Online-Präsenz daher kontinuierlich optimieren.
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Wenn es um die Optimierung ihrer Online-Präsenz geht, sind Website-Betreiber oft etwas ratlos, wie sie am sinnvollsten vorgehen und wo sie anfangen sollen. Das ist angesichts des riesigen Angebots an Methoden und Werkzeugen auch nicht verwunderlich. Als besonders effektiv hat sich in den letzten Jahren folgendes schrittweises Vorgehen herauskristallisiert.

Schwachstellen der Website identifizieren

Um die wesentlichen Schwachstellen der Website zu identifizieren, ist es heute die Pflicht jedes Website-Betreibers, eine Web-Analyse-Software einzusetzen. Mit dieser erfährt er beispielsweise, welche Seiten typische Ausstiegsseiten sind oder sehr kurze Verweildauern aufweisen, welche Landing Pages hohe Bounce Rates verzeichnen oder in welchem Prozessschritt sich Abbrüche häufen. Kritische Bereiche einer Website werden so mit wenig Aufwand identifiziert. Gleichzeitig kann der Website-Betreiber Schwachstellen aus Nutzersicht herausfiltern, indem er beispielsweise Onsite-Zufriedenheitsbefragungen durchführt oder Feedback-Buttons auf seinen Webseiten anbietet. Statt selbst die Informationen aus der Web-Analyse und dem Nutzerfeedback zu interpretieren, kann der Website-Betreiber aber auch ein Beratungsunternehmen engagieren. In diesem Fall nehmen Experten die Website auf Basis ihrer Erfahrung unter die Lupe, stellen Vermutungen über Schwachpunkte an und fassen die Ergebnisse in einem Gutachten zusammen. Entweder gehen sie dabei rein kognitiv ohne Datenanalyse vor, oder sie greifen auf Kennzahlen von Web-Analyse-Lösungen zurück. Auch mit dieser Herangehensweise werden kritische Bereiche oft zuverlässig und schnell identifiziert.

Tipp: Nutzen Sie zunächst Ihre Web-Analyse-Lösung, um die gröbsten Schwachstellen zu erkennen, bevor Sie teure Dienstleister engagieren. Erst wenn Sie per Software keine Probleme mehr identifizieren können, ziehen Sie Experten zurate.

Prioritäten setzen und Hypothesen aufstellen

Hat man die kritischen Stellen der Website identifiziert, müssen Prioritäten gesetzt werden. Es macht keinen Sinn, mehrere Bereiche gleichzeitig detailliert zu analysieren und zu optimieren. Generell sollte als Erstes die Schwachstelle angegangen werden, die das Businessmodell der Website am stärksten beeinträchtigt. Im Falle von Online-Shops sind dies beispielsweise die Seiten mit den höchsten Abbruchraten im Bestellprozess.

Investiert ein Website-Betreiber dagegen viel Geld in Online-Kampagnen, sollte er als Erstes die Kampagnen-Landingpages mit den höchsten Bounce Rates unter die Lupe nehmen. Auf Basis der ersten Schwachstellen, die aus der Web-Analyse, dem Nutzerfeedback oder dem Expertengutachten hervorgegangen sind, muss der Website-Betreiber dann Hypothesen über mögliche Ursachen aufstellen. Verliert er beispielsweise besonders viele Besucher auf einer bestimmten Seite, lautet eine mögliche Hypothese, dass die Besucher einen Interaktionsbutton häufig nicht als solchen erkennen oder gar nicht erst wahrnehmen.

Tipp: Stellen Sie anhand der Wertschöpfungskette priorisierte Hypothesen auf, die zum analysierten Problem führen könnten.

Hypothesen überprüfen

Bei der Validierung der Hypothesen gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Um herauszufinden, wie die Nutzer die Website erleben und was sie tatsächlich wahrnehmen, bietet sich auf softwaretechnischer Ebene der Einsatz einer Mouse-Tracking-Lösung an. Denn wissenschaftliche Studien belegen, dass Maus- und Augenbewegungen stark miteinander korrelieren. Alleine anhand der Mausbewegung lässt sich auf die Augenbewegung und die Wahrnehmung der Nutzer schliessen. Mouse-Tracking-Lösungen geben dabei nicht nur jede einzelne Besuchersitzung wie einen Film wieder und machen so das Nutzererlebnis transparent. Sie sind darüber hinaus in der Lage, die einzelnen Besuchersitzungen zu Overlay Maps zu verdichten und diese direkt auf der analysierten Website darzustellen. So erkennt man auf einen Blick, welche Seitenabschnitte die Besucher wahrnehmen, bis wohin sie scrollen und wie lange sie welche Elemente betrachten.

Die Hypothese, dass die Nutzer einen Interaktionsbutton übersehen haben, ist durch Mouse Tracking schnell und kostengünstig überprüfbar. Identifiziert ein Website-Betreiber auf einer Formularseite eine Schwachstelle, hilft die Formularanalyse, die häufig in Mouse-Tracking-Lösungen integriert ist. Diese ermöglicht eine detaillierte Analyse bis auf Formularfeld-Ebene. Website-Betreiber erfahren nicht nur, in welcher Reihenfolge welche Felder ausgefüllt werden und wie viel Zeit die Besucher jeweils dafür benötigen, sondern auch in welchem konkreten Formularfeld die Besucher mit der Eingabe zögern oder gar die Seite verlassen.

Als Alternativen zur softwarebasierten Nutzeranalyse gibt es ein breites Spektrum an Methoden, bei denen Personen physisch bei der Website-Nutzung im Labor beobachtet werden. In der Regel müssen dazu Probanden eine Aufgabe lösen, mit der die Hypothesen überprüft werden. Beim Friendly-User-Test zum Beispiel lädt der Website-Betreiber befreundete Personen ein, die bei der Bearbeitung der Aufgabe mittels Webcam beobachtet werden. Diese Methode ist kostengünstig, liefert aber – je nach Repräsentativität der Friendly User – nur bedingt valide Ergebnisse. Professioneller ist der Gang in ein Usability-Labor. Nach der Rekrutierung der passenden Probanden – für Zielgruppen-repräsentative Ergebnisse üblicherweise um die 30 Personen der jeweiligen Zielgruppe – werden diese bei der Bearbeitung der Aufgabe gefilmt – Tonaufzeichnung inklusive.

Welche weiteren Methoden eingesetzt werden – ob die Methode des Lauten Denkens oder die zusätzliche Aufzeichnung der Mimik des Probanden mittels Frontalkamera – hängt u.a. vom Geldbeutel des Auftraggebers ab. Spielen Budgets keine grosse Rolle, kommt als Methode auch noch Eye Tracking in Betracht. Es liefert sehr valide Ergebnisse, welche Bildschirm­elemente die Aufmerksamkeit des Nutzers auf sich ziehen, die in ihrer Genauigkeit die Analysen des Mouse Trackings noch übertreffen können.

Usability Labs sind eine sehr gute Möglichkeit, um Hypothesen zuverlässig zu überprüfen. Gegenüber Mouse-Tracking-Lösungen besitzen sie allerdings den Nachteil, dass es sich bei den Probanden nicht um echte Nutzer in ihrer natürlichen Umgebung handelt und dass sowohl die Anzahl der Probanden als auch die Anzahl der Aufgaben begrenzt sind. Hinzu kommen der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand. Die Kosten für ein festgelegtes Testszenario belaufen sich auf rund 18 000 CHF für bis zu zehn Probanden und weit mehr als 37 000 CHF für grössere Stichproben und umfangreiche Methoden. Das macht Labortests für viele Anwender unerschwinglich. Mouse Tracking dagegen kostet je nach Umfang der Auswertungsmöglichkeiten zwischen 60 und 250 CHF im Monat, unabhängig davon, wie viele Besucher man betrachtet oder wie viele Hypothesen und Schwachstellen man überprüft.

Ein Vorteil des Usability-Labors ist, dass der Testleiter die Probanden direkt zu beobachteten Reaktionen und Emotionen befragen und mit ihnen in Interaktion treten kann. Und die Gefühlswelt ist im Hinblick auf die Optimierung des Nutzererlebnisses von grosser Bedeutung. Auf technischer Ebene hat der Website-Betreiber ähnliche Möglichkeiten durch Onsite-Befragungen und Feedback-Buttons, die er parallel zur Web-Analyse und zum Mouse Tracking einsetzen sollte. Mittels Onsite-Befragungen erfährt er, wie zufrieden die Besucher mit verschiedenen Aspekten des Webauftritts sind und was ihre Zufriedenheit antreibt. Dabei besteht die Möglichkeit, Nutzer abhängig von ihrem Verhalten zu der Befragung einzuladen. Über Feedback-Buttons auf allen Webseiten können Besucher direkt Emotionen, Verbesserungsvorschläge oder Kritik äussern. Das Feedback lässt sich seitenbezogen auswerten und ist oft schnell umsetzbar.

Die Ergebnisse der unterschiedlichen Herangehensweisen sind bezüglich der Genauigkeit ähnlich. Der Vorteil des Usability-Labors ist die bessere Interaktionsmöglichkeit, während das Mouse Tracking mit hoher Skalierbarkeit und einem sehr günstigen Preis punktet. Generell gilt: Sollen Hypothesen bezüglich Schwachstellen bei visuellen Komponenten überprüft werden, eignen sich beide Vorgehensweisen gut. Geht es jedoch um Interaktionselemente, die vom Nutzer Eingaben erfordern, empfiehlt sich in der Detailanalyse aufgrund der grösseren Stichprobe und den umfassenderen Möglichkeiten der Formularanalyse das Mouse Tracking.

Tipp: Reduzieren Sie die Anzahl der Hypothesen zur Website-Verbesserung zielgerichtet und beginnen Sie mit der Hy­pothese im Hinblick auf die grösste Schwachstelle. Dabei können Usability Labs eine sehr wertvolle Hilfe sein. Stehen Ihnen dazu die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung, greifen Sie auf Friendly-User-Tests oder preiswerte Mouse-Tracking-Lösungen zurück.

Verschiedene Varianten testen

Hat der Website-Betreiber nun eine Hypothese bestätigt, die zu einem Problem führt, gilt es Abhilfe zu schaffen. In einem ersten Schritt muss er Ideen für mögliche Änderungen, sogenannte Varianten, entwickeln. Hat er zum Beispiel herausgefunden, dass die Nutzer auf einer Seite tatsächlich einen Interaktionsbutton übersehen und deswegen vermehrt abbrechen, kann er den Button etwa hinsichtlich Farbe, Position, Grösse, Bezeichnung oder Form verändern. Die Varianten müssen dann getestet werden, um die beste zu identifizieren – mindestens jedoch eine neue Variante gegen die bisherige Lösung. Dafür gibt es spezielle Softwarelösungen.

Man unterscheidet Lösungen für A/B/N-Testing, bei denen nur ein Element einer Webseite bzw. eine ganze Seite in mehreren Varianten getestet werden, und Lösungen für Multivariates-Testing, bei denen mehrere Elemente in verschiedenen Varianten gleichzeitig getestet werden. Wichtig ist, dass die Varianten stark differieren und sich an der Kernzielgruppe orientieren. Kann der Website-Betreiber aufgrund des grossen Aufwands nur eine Variante entwickeln, kann er statt einer speziellen Testing-Software auch seine Web-Analyse-Lösung verwenden. Will er seine Varianten dagegen auf Click-Dummies testen, also mit simulierten Funktionen ohne aufwendige Implementierung in die echte Website, sind Labortests mit Probanden sehr hilfreich. Generell liefern spezielle Testing-Lösungen und Labortests umfassendere Testmöglichkeiten als die Web-Analyse. Allerdings erfordert beides zusätzliche zeitliche und finanzielle Ressourcen. Die Kosten für professionelle multivariate Tests beispielsweise beginnen in der Regel bei 60 000 CHF pro Jahr.

Tipp: Wenn Sie – etwa aufgrund langer Deployment-Zyklen – auf Click-Dummies testen wollen, empfiehlt sich der Gang in ein Usability-Labor. Der Einsatz einer Testing-Software macht dann Sinn, wenn Sie viele Varianten gleichzeitig testen wollen und über entsprechend viel Traffic bzw. Zeit und die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügen. Können Sie etwa aus Ressourcengründen nur eine verbesserte Variante entwickeln und sind Sie in der Lage, die Webseite inkrementell zu optimieren, dann nutzen Sie Ihre bestehende Web-Analyse-Lösung. So entstehen Ihnen keine zusätzlichen Kosten.

Generell ist eine technische Herangehensweise meist zu bevorzugen, wenn schon eine Website mit Traffic existiert. Befindet sich eine Präsenz erst in der Konzeptionsphase, empfiehlt sich jedoch der Gang ins Usability-Labor. Unabhängig davon, ob man sich bei der Optimierung des Nutzer­erlebnisses letztlich für eine technische oder eine beratende Vorgehensweise oder für eine Kombination beider Methoden entscheidet, zwei Aspekte sind ausschlaggebend: Zum einen muss strategisch vorgegangen und die Reihenfolge der Methoden und Werkzeuge eingehalten werden. Das spart Zeit, Nerven und vor allem Geld. Zum anderen ist Kontinuität unabdingbar. Denn die Nutzer und ihre Erwartungen an die Website ändern sich. Um Neukunden zu gewinnen und bestehende zu binden, müssen Website-Betreiber ihre Online-Präsenz deswegen kontinuierlich in puncto Nutzererlebnis optimieren. Fakt ist: wer stagniert, verliert – Kunden. «

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