ICT & Technik

Cloud-Computing und Sicherheit IV

Kauf von gebrauchter Software kann Sinn machen

Der Markt für Unternehmenssoftware ist im Wandel. Statt der traditionellen Kauf-Lizenzen werden seit einigen Jahren die Versionen von Miet-Software auf den Servern der Hersteller nachdrücklich als Alternative zur gekauften Lizenz angeboten und diskutiert. Einen Überblick, auch unter rechtlichen Aspekten, zeigt dieser Beitrag.
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Die grossen Hersteller von Unternehmenssoftware, speziell von Volumen-Lizenzen beliebter Anwenderprogramme und Betriebssysteme, stellen regelmässig neue Versionen ihrer Produkte vor. Statt der traditionellen Kauf-Lizenzen werden dabei seit einigen Jahren die Versionen von Miet-Software auf den Servern der Hersteller nachdrücklich als Alternative zur gekauften Lizenz angeboten und diskutiert. Wie auch immer – mit jeder Version ändern sich auch der Funktions­umfang sowie die Kompatibilität eines Programmes. Dabei können die Intervalle zwischen zwei Programm-Versionen sehr kurzfristig sein.

Markt für Secondhand-Software

Hinter der Frage kaufen oder mieten verschwindet aber sehr oft die eigentlich zentrale Frage für beinahe jedes Unternehmen: Macht ein Wechsel betriebswirtschaftlich und technisch überhaupt Sinn? Oftmals kann es auch sinnvoller sein, eine ausgereifte und ältere Programmversion zu nutzen als eine Neuentwicklung. Lange war es so, dass die Kundenunternehmen diese Frage nicht verfolgten und alle Versionswechsel unverdrossen mitmachten – sei es aus Unkenntnis der Alternativen oder aus Scheu vor Diskussionen mit dem mächtigen Hersteller.

Diese an Beharren grenzende Akzeptanz war einer der Gründe für das lange stabile Funktionieren des Geschäftsmodells und einer der Wachstums­treiber für die Softwareanbieter. Marktkenner schätzen, dass 60 bis 70 Prozent der weltweiten Umsätze der Hersteller auf den Vertrieb von Unternehmenssoftware entfallen.

Doch dieser Markt ist seit Jahren in einem Wandel, der sich derzeit zu beschleunigen scheint. So entstand schon in den 1990er-Jahren – also lange vor dem Aufkommen der Cloud-Lösungen – ein kleiner und schnell wachsender Markt für Secondhand-Software.

Software-Lizenzen

Unternehmen haben dabei in durchaus vielen Fällen einen Zusatznutzen: Sie können im Einkauf teilweise deutlich Kosten sparen oder durch den Verkauf alter und nicht mehr benötigter Lizenzen unerkanntes und ungenutztes zusätzliches Kapital generieren. Auch Unternehmen, die gezwungen sind, Arbeitsplätze abzubauen, oder aus anderen Gründen bestimmte Softwarelizenzen nicht mehr benötigen, können diese auf dem seit einigen Jahren etablierten Sekundärmarkt verkaufen. Beim Verkauf können Einnahmen in beträchtlicher Höhe generiert werden.

Kompatibilitätsvorteile

Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil bieten ältere Softwareversionen bei der Kompatibilität zu anderen Programmen im Unternehmenssystem sowie infolge wegfallender Installations- und Schulungskosten. Nicht zu vergessen ist im Zeitalter der Cyberkriminalität auch der immer wichtiger werdende Bereich Datenschutz.

Ältere Programme geben sich mit weit weniger persönlichen Informationen zufrieden und übermitteln in der Regel auch weitaus weniger sensible Daten. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des traditionellen Volumen-Verkaufs von Lizenzen für die grossen Hersteller war es nicht verwunderlich, dass sie grossen und lange hinhaltenden Widerstand gegen den Marktwandel leisteten. Wie in anderen Fällen von immenser Ertragsbedeutung – man denke an die Kämpfe um das Urheberrecht zwischen führenden Smartphone-Marken – wurde auch hier versucht, den Wettbewerb durch Rechtsstreitigkeiten zu behindern.

Rechtlich abgesichert

Die rechtlichen Grundlagen sind nun geklärt. Grundsätzlich basiert der Handel mit gebrauchter Software auf dem sogenannten Erschöpfungsgrundsatz des Urheberrechtes. So urteilte auch das Kantonsgericht Zug, dass der Rechteinhaber, im konkreten Fall die Firma Adobe, einen Weiterverkauf der Software urheberrechtlich nicht verbieten kann (Az ES 2010 822). In einem aufsehenerre­genden Fall hat das Software-Unternehmen Adobe in Deutschland sogar entgegen der heute geltenden Rechtsprechung Lizenz-Schlüssel für am Secondhand-Markt erworbene Software zu sperren versucht.

Einen europäischen Meilenstein markiert jedoch ein anderes Urteil, das auch für die Schweiz gilt. Nach vielen Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen urteilte der Europäische Gerichtshof am 3. Juli 2012, dass der Handel – also Kauf wie Verkauf – von gebrauchter Software jedem Eigentümer von Software grundsätzlich erlaubt ist. Wichtigste Voraussetzung ist natürlich, dass diese rechtmässig erworben wurde. Der Verkäufer muss diesen rechtmässigen Erwerb nachweisen.

Sichere Rechteübertragung

Sobald die Rechte durch den Verkauf auf den neuen Nutzer übergegangen sind, kann die Lizenz im Rahmen der erworbenen Rechte genutzt werden. «Lizenzhandel ist grundsätzlich nichts anderes als Rechtehandel», sagt Harry Voortmann, Mitbegründer eines der führenden europäischen Handelsunternehmen für gebrauchte Software.

Eine auch in der Schweiz aktive Unternehmung, die Re-License AG aus Wörthsee bei München, hat dabei den Ansatz, den Kunden vor den immer bestehenden Risiken zu schützen. «Mit der Festlegung, dass es keinen gutgläubigen Erwerb von Rechten gibt, hat der Gesetz­geber die Pflicht zur sicheren Rechte­übertragung auf den Käufer verlegt. Und unsere Philosophie ist es nun, den Käufern die maximale Sicherheit sowie die maximale Transparenz beim Übergang zu gewährleisten.»

Vorsicht vor Raubkopien

Dazu gehören unter anderem auch die Sicherstellung, dass es sich beim Handelsgut nicht um Raubkopien handelt, sowie der Nachweis der Löschung aller Kopien beim Verkäufer. Sind alle Vorgaben erfüllt, gehen sämtliche Rechte – auch das Recht auf Aktualisierungen – auf den Käufer über. Ausserdem ist es nun erlaubt, Lizenzpakte mit jeweils voneinander unabhängigen Lizenzen entsprechend aufzuteilen, sofern sich dadurch die Gesamtzahl der Lizenzen nicht erhöht. Verboten ist es, gesonderte Nutzungsrechte aus einem Gesamtpaket abzuspalten. Was hingegen die Miete von Software angeht, so ist ein Verkauf dieser Softwarekategorie nicht gestattet.

Zweifel an der Cloud-Euphorie

Durch die lange Phase der Rechtsunsicherheit sowie die zahlreichen zeit- und kostenintensiven Rechtsstreitigkeiten der vergangenen Jahre haben verschiedene semiprofessionelle Anbieter den Markt verlassen. Derzeit verbleiben in Europa rund ein gutes Dutzend Handelsunternehmen für gebrauchte Unternehmenssoftware, die teilweise hoch professionalisiert sind.

Die verbleibenden Anbieter wie zum Beispiel Discount Licensing in UK oder Re-License gewinnen dadurch kontinuierlich an Marktanteilen, auch durch die gleichen Rechtsgrundlagen in allen Märkten des EU-Binnenmarkts. Die deutsche Unternehmung Re-License zum Beispiel wächst seit der Finanzkrise von 2009 jährlich mit hohen zweistelligen Prozentzahlen. Es gibt zwar keine gesicherten Daten, aber Harry Voortmann schätzt nach über zehn Jahren Erfahrung mit dem Handel von gebrauchter Software das Marktpotenzial in Europa auf rund 70 000 Unternehmen, Behörden und Institutionen.

Dabei ist auch ein anderer Aspekt sehr interessant: Während Gebrauchtsoftware, die gegenüber Erstlizenzen einen Preisvorteil von bis zu 70 Prozent bietet, auch bei grossen Unternehmen weiter an Zuspruch gewinnt, ist die Durchdringung des Marktes mit Cloud-Lösungen möglicherweise deutlich geringer als bisher kommuniziert. Während die Hersteller von rund zehn Prozent Anteil sprechen, deuten andere Quel­len wie die Dritt-Anbieter von Cloud-Software sowie Cloud-Dienstleistungen auf eine klar niedrigere Quote von knapp drei Prozent hin. Dell Software hat in einer Marktstudie sogar von nur rund ein Prozent gesprochen.

Während sich der Zweitmarkt im Hintergrund gut zu entwickeln scheint, ist die Cloud-Euphorie vielleicht mehr den Gewinn-Fantasien der Hersteller als dem aktuellen Markterfolg geschuldet. Immerhin ist eine Cloud-Lösung unter dem Strich häufig teurer als eine traditionell installierte Software. Ausserdem spricht der Aspekt der Sicherheit nicht unbedingt für eine Cloud-Lösung. Und gerade in den sensiblen Geschäftsbereichen kann es sinnvoll sein, auf cloudbasierte Software gänzlich zu verzichten. Denn die Kontrolle über die Zugriffe auf diese Bereiche ist auf dem eignen Netzwerk in der Regel leichter durchzuführen.