ICT & Technik

Internet Protocol IPv6

IPv6 wird die Basistechnologie zukünftiger Netzwerke sein

Ist es sinnvoll, in Zeiten, in denen drastisch Kosten gespart und Investitionen sorgfältiger denn je erwogen werden müssen, ein neues Protokoll im Netzwerk einzuführen? Was auf den ersten Blick als unnötige Investition erscheinen mag, kann sich bei näherer und langfristiger Betrachtung als wichtige und zukunftssichernde Investition erweisen.
PDF Kaufen

Wir können uns unsere Geschäftstätigkeit ohne den Einsatz von Netzwerken, E-Mail und Internet gar nicht mehr vorstellen. In der Tat reichen oft schon mehrstündige Ausfälle des Netzwerks oder von kritischen Systemen, um hohe Verluste einzufahren. Gemäss einer Studie der Gartner Group müssen zwei von fünf Unternehmen, die einen grösseren Netzwerkausfall hatten, in der Folge den Konkurs anmelden. Somit ist klar, dass wir unsere Netzwerke wie den Augapfel hüten und alle Massnahmen treffen müssen, um langfristig Stabilität und Kontinuität gewährleisten zu können.

Was ist IP?

Damit wir in Netzwerken kommunizieren können, werden Protokolle eingesetzt. Protokolle sind sozusagen die Sprache, die Computersysteme benützen, um miteinander Daten auszutauschen. Die Protokollfamilie, die wir heute verbreitet sowohl in den Firmennetzwerken als auch im Internet einsetzen, heisst TCP/IP. IP (Internet Protocol) ist eine Komponente von TCP/IP und ist das Arbeitstier der Protokollfamilie. Ohne IP ist keine Netzwerkkommunikation möglich, keine Abfrage von E-Mails, kein Zugriff auf Dateien, kein Zugang auf Internetseiten. Die heute eingesetzte Version IPv4 hat die Grenzen ihrer Möglichkeiten erreicht. Doch es gibt bereits einen Nachfolger, IP Version 6 (IPv6), der jetzt möglichst bald eingeführt werden muss, um die Zukunft unserer Netzwerke und des Internets sicherzustellen. Wer zu lange mit der Einführung des Nachfolgers IPv6 wartet, kommt in Zugzwang. Die Konsequenzen daraus wären unnötig ho­he finanzielle Belastungen und Risiken für die bestehende Infrastruktur, die bei vorausschauender Planung vermieden werden können. Der vorliegende Artikel zeigt auf, was die Einführung von IPv6 in Firmennetzwerken bedeutet, worauf zu achten ist, und vor allem, wie sich die entstehenden Kosten und Risiken auf ein Minimum beschränken lassen.

Geschichtlicher Hintergrund

IP Version 4 wurde vor gut 30 Jahren von einigen Pionieren an amerikanischen Universitäten und Regierungsstellen entwickelt, um ihre Netzwerke miteinander verbinden zu können. Ein Internet, wie wir es heute kennen, war damals unvorstellbar. Umso erstaunlicher, dass es diesen Pionieren gelang, ein Protokoll zu entwickeln, das heute noch die Grundlage des gegenwärtigen Internets darstellt. Nun hat dieses Protokoll jedoch seinen Lebenszyklus erfüllt und stösst an seine Grenzen, es wird Zeit für die nächste Generation – IPv6. Die Basisprotokolle von IPv6 sind seit 1998 standardisiert und breit getestet, optimiert und implementiert. Die Entwickler haben ein Protokoll erarbeitet, das die Vorzüge und bewährten Eigenschaften von IPv4 enthält, aber für die steigenden Anforderungen unserer zukünftigen Netzwerke optimiert ist. IPv6 wird in der Lage sein, der exponentiell zunehmenden Wachstumsrate des Internets und den erhöhten Anforderungen an Mobilität, Sicherheit und neuartigen Dienste gewachsen zu sein.

IPv6 und das Business

In diesem Artikel geht es um die Frage, was IPv6 für das Business bedeutet. Soll man in IPv6 investieren? Wenn ja, wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Wie lässt sich die Einführung von IPv6 planen, damit sie möglichst reibungslos und kostensparend ist? Und was ist der Nutzen dieser Investition? Warum sollte man in IPv6 investieren, wenn man ein IPv4-Netzwerk hat, das seine Dienste tut? Um diese Fragen zu beantworten, ist es wichtig, sie in den richtigen Kontext zu stellen. Einige klare Aussagen können gemacht werden, aus denen sich sinnvolle Strategien für Organisationen ableiten lassen:

  • IPv6 ist mittelfristig unausweichlich. Die mit der Einführung verbundenen Kosten werden auf jeden Fall auf die Unternehmen zukommen. Die Wahl liegt darin, auf wie viele Jahre die Kosten verteilt werden können und wann man damit beginnt.
  • IPv6 wird nicht nur die Basistechnologie zukünftiger Netzwerke, es schafft auch Möglichkeiten für neue Dienste, Märkte und Geschäftsfelder. Speziell für Hard- und Softwarehersteller ist IPv6 heute schon eine Minimalanforderung an ihre Produkte. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt – wer zuerst wagt, gewinnt. Bereits heute gibt es eine Vielzahl solch neuartiger Dienste. So zum Beispiel Hikari TV in Japan, das bereits Breitband-Kabel- und Videoinhalte an Millionen von Nutzern über IPv6 zur Verfügung stellt, oder die Meteorologische Anstalt in Japan, die mit NTT Communications ein Erdbebenfrühwarnsystem entwickelt hat, das über IPv6-Features funktioniert (Details auf www.v6atwork.com). Bald wird es auch im kommerziellen Sektor, zum Beispiel E-Commerce, neue Applikationen geben, die nicht mehr in einer IPv4-Umgebung zu betreiben sind.
  • Wer IPv6 frühzeitig in die strategische Planung einbezieht, kann die Investitionskosten stark vermindern. Bei der Anschaffung von Hard- und Software zum Beispiel gehört IPv6-Unterstützung ab sofort als Anforderung auf die IT-Einkaufsliste. Dies ist der beste Investitionsschutz, damit können die meisten Produkte im Lauf ihres natürlichen Lebenszyklus auf einen IPv6-fähigen Stand gebracht werden. Die Berücksichtigung von IPv6 bei anderen Projekten, zum Beispiel bei der Einführung von Windows 7, reduziert die Einführungskosten, da es sozusagen in einem Arbeitsgang miterledigt werden kann.

Case Studies

Hierbei sei auf ein Buch verwiesen, bei dem Fred Wettling Co-Autor ist: «Global IPv6 Strategies – From Business Analysis to Operational Planning» (Cisco Press). Es enthält Case Studies namhafter Firmen aus allen möglichen Geschäftsbereichen mit viel Detailbeschreibungen und bietet dadurch einen reichen Schatz an bereits gemachten Erfahrungen und Learnings. Es beschreibt unter anderem die Integrationsstrategie von Comcast, dem grössten Kabelbetreiber in den USA. Comcast ist genau in die oben beschriebene Situation gekommen: Aus akutem Adressbedarf heraus musste IPv6 in gewissen Bereichen schnellstmöglich eingeführt werden, was erhebliche Risiken mit sich brachte.

Best Practices

Viele grosse Industrien sind am Entwickeln von IPv6-basierten Diensten. So zum Beispiel die Automobilindustrie, die Prototypen des vernetzten Autos der Zukunft baut. Es gibt Entwicklungen im Bereich Umgebungskontrolle, Gebäude- und Flottenmanagement, Haushaltgeräteüberwachung und verschiedenste Arten von Sensor-Netzwerken. Ein guter Einstiegslink ist die Website www.ipv6actnow.org. Sie wird durch RipeNCC betrieben und enthält für alle Marktteilnehmer (Organisationen, Regierungen, ISP) wertvolle Informationen, Links, Statistiken und Interviews, zum Beispiel mit Lorenzo Colitti, der die IPv6-Integration bei Google gemacht hat und über den Business Case für Google spricht.

Kein Flag Day für IPv6

1983 hat man das damalige «Internet» in einer Nacht vom vorherigen NCP-Protokoll auf IPv4 umgestellt. Diesen Flag Day wird es bei IPv6 selbstverständlich nicht geben, zu komplex ist heute das Internet. Also sollte man auch nicht auf einen Flag Day und die vielzitierte Killerapplikation warten.

Vielmehr empfiehlt sich: den Schritt-für-Schritt-Ansatz zu wählen, Lernaufwand, Assessment, Tests und Integration über einen längeren Zeitraum verteilen, dem IT-Team Zeit geben, sich mit dem Protokoll vertraut zu machen, und am Tag, an dem man IPv6 wirklich braucht, wird es einfach da sein. Dies ist zugleich der kostengünstigste Ansatz.

Porträt