ICT & Technik

IT-Trends (Teil 1 von 2)

Der Wandel der IT: Chancen und Herausforderungen

Der vorliegende erste von zwei Beiträgen zum Thema «New Style of IT» befasst sich mit den Auswirkungen der IT auf die interne Organisation von Unternehmen. Teil 2 wird schildern, wie neue Geschäftsmodelle entstehen und welche Konsequenzen sich daraus für die IT-Sourcing-Strategie ergeben.
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Cloud Computing und die damit eng verbundenen Themen Mobile Computing und Bring Your Own Device werden die Art, wie Unternehmen die IT nutzen, fundamental ändern (für Begriffserklärungen siehe Kasten auf der nächsten Seite). Diesem Trend wird sich kein Unternehmen verschliessen können. Denn einzelne Abteilungen und Mitarbeitende haben heute via Public-Cloud-Angeboten innert Minuten die Möglichkeit, komplexe Software, wie beispielsweise ERP-Lösungen oder branchenspezifische Software, an der internen IT vorbei zu beziehen. Weil diese Freiheiten grosse Gefahren bringen, müssen Abläufe und Datenflüsse koordiniert werden, Medienbrüche unterbunden und Verantwortlichkeiten geklärt werden. Gefragt ist die Einführung einer «strukturieren Flexibilität» – und das Überdenken der Rolle und Aufgaben der internen Informatik.

IT-Ressourcen können flexibel an den Bedarf angepasst und dadurch Kosten gespart werden.

Viele Unternehmen benötigen ihre IT-Ressourcen über die Zeit unterschiedlich stark. Als Cloud Computing vor einigen Jahren als neuer Trend gepriesen wurde, war die Flexibilität bezüglich benötigter Ressourcen bereits ein wichtiges Argument: «Pay what you use». Zunächst standen die typischen Spitzenlasten wie die Monatsendverarbeitung oder das Weihnachtsgeschäft des Online-Versand­handels im Fokus. Für solche kurzen Perioden wurden zusätzliche Rechner­kapazitäten gemietet.

Diese Flexibilität wird sich weiter erhöhen und ist zunehmend auch für Unternehmen interessant, die über keine monatlichen oder saisonalen Schwankungen verfügen. Gerade KMU können mit einfachen Erweiterungen sicherstellen, dass die Server nachts deaktiviert und somit kostenfrei sind und am nächsten Morgen innert Minuten wieder hochgefahren werden. Die «Mietzeit» wird verkürzt und minutengenau der reinen Nutzungszeit angepasst. Dadurch wird der Bezug von Cloud-Leistungen schnell kostengünstiger als der Betrieb einer eigenen IT.

Neue Finanzierungsmöglichkeiten

Vor allem auch für junge Unternehmen (Start-ups) ist die weitgehende Vermeidung von Investitionen (CAPEX) vorteilhaft. IT kann als Leistung flexibel bezogen werden. Finanziell gesehen in Form von Betriebskosten (OPEX). Dadurch lassen sich hohe Anfangsinvestitionen vermeiden und mit einer gut geplanten Einführung von Bring Your Own Device lässt sich sogar ein ganzer Investitionszyklus einsparen. Für Unternehmen mit guter Liquidität kann es aus steuerlichen Überlegungen hingegen nach wie vor vorteilhaft sein, Hard- und Software selber zu finanzieren.

Hochprofessionelle Software wird auch für Kleinunternehmen finanzierbar.

Bis vor Kurzem waren umfangreiche Business-Lösungen oder die Nutzung von Spezialsoftware für KMU zu teuer. Cloud Computing änderte dies. Bei Office 365, dem Online-Dienst von Microsoft, sind z. B. neben den Standardprogrammen wie Word und Powerpoint mittlerweile auch Exchange-Funktionalitäten für das Aufsetzen einer professionellen Mailverwaltung und Lync für das Chatten inbegriffen. Ein anderes Beispiel ist die Schweizer ERP-Lösung europa3000, die sich bewusst an Kleinunternehmen richtet: Innert Minuten lässt sich eine modularisierte ERP-Umgebung zu einem weit günstigeren Preis als die bisherigen Lizenzierungsmodelle beziehen.

Die IT kann mit dem Tempo der Geschäftseinheiten mithalten.

Mit traditionellen IT-Architekturen dauert das Bereitstellen eines neuen Servers oder eines neuen Notebooks für den Mitarbeitenden meist mehrere Wochen. Die Hardware muss beschafft und konfi­guriert werden, also beispielsweise das Image aufzusetzen und vieles mehr. Gerade bei Unternehmen mit einer kleinen IT-Organisation sind dabei zahlreiche manuelle Eingriffe die Regel.

Mit Cloud Computing erfolgt die Konfiguration voll automatisiert innert Minuten. Während die Ressourcen in einer Public Cloud aus Sicht des einzelnen Nutzers tatsächlich unbeschränkt flexibel erscheinen, sind sie bei einer Private Cloud auf die effektiv vorhandene unternehmenseigene Hardware beschränkt. Einen eleganten Ausweg bieten sogenannte dedizierte Clouds, welche durch einen Service-Provider betrieben werden. Aus Datensicherheitsaspekten kritische Ressourcen werden nicht geteilt, zugleich verfügt der Service-Provider über sehr viel grössere Anpassungsmöglichkeiten als ein einzelnes Unternehmen.

Kombiniert mit Bring Your Own Device (BYOD) sind auch private Endgeräte sofort verfügbar. Ein zusätzlicher Vorteil, denn viele Mitarbeitende bevorzugen das von ihnen persönlich ausgewählte Gerät, welches sie auch zu Hause benutzen. Auch bei einem BYOD-Ansatz gibt es einiges zu beachten, womit wir bei den Herausforderungen sind.

Die klassischen Risiken des «New Styles of IT»

Gerade in der Schweiz herrscht bis heute eine relativ grosse Skepsis gegenüber Cloud Computing. In einer aktuellen Studie der MSM Research AG zum «ICT-Betrieb in der Schweiz» wird die Angst vor einem Verlust über die Kontrolle der Daten als das mit Abstand grösste Risiko beschrieben. An zweiter Stelle wird die Befürchtung der Abhängigkeit von einem spezifischen Anbieter genannt. Ebenso bestehen Unsicherheiten gegenüber rechtlichen Einschränkungen. Hier sind tatsächlich noch einige Fragen offen, primär im Verhältnis mit international agierenden Service-Providern. Welche Datenschutzgesetze gelten? Welches kommt zur Anwendung, wenn sich die Gesetze der einzelnen Länder widersprechen? Trotzdem: Gemäss der erwähnten MSM-Studie haben bereits über 40 Prozent der Schweizer Unternehmen Cloud Computing eingesetzt. Davon bewerten über 90 Prozent ihre gemachten Erfahrungen als gut oder sehr gut.

Verselbstständigung der IT: Die IT wie bisher weiter zu be­treiben ist unmöglich.

Aus Sicht des Verfassers werden die sich abzeichnenden organisatorischen Folgen noch massiv unterschätzt. Der Entscheid, nicht auf Cloud Computing, sondern weiterhin auf «hauseigene» IT zu setzen, kann betriebswirtschaftlich und technisch der richtige sein, nur: Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei diesem Status quo bleibt, ist gering. Denn mit Cloud Computing ändert sich etwas Fundamentales. Die IT ist mit den herkömmlichen Methoden wie zum Beispiel Nutzersteuerung mittels Active Directory nicht mehr länger zentral definier- und steuerbar, auch nicht durch die IT-Verantwortlichen. Bisher konnten diese etwa verhindern, dass nicht vom Unternehmen freigegebene Programme ausgeführt wurden, indem die Installation Administratorenrechte voraussetzte. Heute kann fast jeder Nutzer Applikationen aus der «Wolke» beziehen. Die einzige Voraussetzung ist der Zugang zum Internet. Solange Sie den Internetzugang nicht sperren, steht Ihren Mitarbeitenden eine Vielzahl von Public-Cloud-Angeboten offen. Die Konsequenzen sind:

› Abteilungen oder einzelne Mitarbeiter nehmen ihr berufliches IT-Schicksal selber in die Hand. Deckt die IT die Businessanforderungen aus der Sicht einzelner Abteilungen nicht oder zu wenig rasch ab, werden Angebote aus der Public Cloud bezogen. Kurzfristig gewinnt ein Unternehmen dadurch an Flexibilität und Geschwindigkeit. Mittelfristig führt ein Wildwuchs an Applikationen rasch zu Medienbrüchen und ineffizienten Prozessen.

› Unternehmensdaten werden auf Servern ausserhalb des Unternehmens hinterlegt. Zusätzlich zu den im vorher­gehenden Abschnitt beschriebenen «klassischen» Risiken entsteht eine neue Gefahr des Datenverlusts: Die oft kurzfristig und ohne Überlegungen zur weiteren Verwaltung in der Public Cloud bezogenen Leistungen wie Storage oder Applikationen werden in der Regel als Abonnement verkauft, für einen Monat oder ein Jahr. Wird das Abonnement nicht mehr erneuert, zum Beispiel weil die Aufforderung zur Verlängerung des Abonnements an die E-Mail-Adresse eines nicht mehr im Unternehmen tätigen Mitarbeitenden geht, ist «plötzlich» der Zugang nicht mehr gültig oder die Daten sind unwiderruflich gelöscht.

Um die geschilderten Vorteile der neuen IT zu nutzen und die Risiken in einem tolerierbaren Rahmen zu halten, muss sich die interne IT ebenfalls anpassen. Sie wird immer stärker in die Rolle eines Service-Brokers kommen. Dabei bestimmt sie die «Fertigungstiefe» mit – was wird Inhouse weiterhin gemacht, was via Dedicated oder Private Cloud.

Die Rolle ändert sich, weg vom technischen Spezialisten hin zum Service-Verwalter und Service-Manager. Gleichzeitig wird das Unternehmen Lösungen hinsichtlich Public Clouds und auch Bring your Own Device anbieten müssen. Das Stichwort hierzu heisst «strukturierte Flexibilität». Ausgewählte Angebote aus der Public Cloud werden zugelassen, aber verwaltet. Dadurch werden die Flexibilität und die Freiräume der Business Units einerseits erhöht und andererseits Wildwuchs vermieden.

Gegenwärtige State-of-the-Art-Lösungen sind sogenannte Self-Service-Portale, die für den Endnutzer wie ein Online-Shop angewendet werden können. Die Mitarbeitenden wählen ihre Applikationen selbst aus. So wird die Verrechnung sichergestellt, die Freigabe kann durch einen Bewilligungsprozess gesteuert werden und die interne IT kann die Angebote und das Zusammenspiel zwischen den Applikationen managen. Die Effizienz bleibt sichergestellt, die Kosten sind kalkulierbar und die Flexibilität steigt. Mit Mobile Device Management kann zudem die Rechtevergabe auch auf Mobilgeräten zentral gesteuert werden.

Die erwähnten Neuerungen bezüglich der IT-Nutzung in einem Unternehmen müssen immer auch organisatorisch begleitet werden – diese Aufgabe ist mindestens so anspruchsvoll wie die technische Umsetzung. Hinzu kommen die Auswirkungen der Social-Media-Plattformen wie Facebook und deren Zusammenspiel mit Mobile Computing. Die Änderungen bei der unternehmens­internen Nutzung der IT ist nur die eine Seite der Auswirkungen des «New Style of IT» auf Unternehmen. Im zweiten Beitrag zum Thema «Wandel der IT» wird aufgezeigt, wie neue Geschäftsmodelle entstehen und welche Schlussfolgerungen sich für die IT-Sourcing-Strategie ergeben. «

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