ICT & Technik

Cloud Computing

Das Potenzial mobiler Technologie haben wir noch nicht erkannt

Jean-Jacques Suter, CEO Sage Schweiz AG, über die fortschreitende Mobilität und den Umgang mit mobilen Technologien, die Vor- und Nachteile des Cloud-Computing und den wachsenden Bedarf nach Business-Software.
PDF Kaufen

Herr Suter, Sage hat die Entscheidungsträger in KMU zu ihrer Einstellung bezüglich mobilen Arbeitens befragt. Die Ergebnisse: 80 Prozent der befragten Schweizer KMU bewältigen 25 Prozent ihrer Arbeitszeit mobil. Allerdings wollen mehr als 70 Prozent für ihre Kunden nicht rund um die Uhr erreichbar sein. Wie bewerten Sie diese Ergebnisse?
Mobilität wird im Geschäftseinsatz immer noch mit der permanenten Erreichbarkeit per E-Mail gleichgesetzt – mit den negativen Konsequenzen, die wir aus eigener Erfahrung kennen. Doch Mobilität soll nicht heissen, dass wir unsere E-Mails während dem Abendessen checken. Die Ergebnisse zeigen, dass wir das wirkliche Potenzial mobiler Technologien noch nicht restlos erkennen und wir uns noch zu sehr von der Technologie steuern lassen.

Die rasant zunehmende Mobilität ist nicht aufzuhalten und bringt viele Vorteile. Gleichzeitig wirkt sie sich negativ auf die Work-Life-Balance aus. Wie gehen Sie selbst mit diesem Dilemma um, und was raten Sie im Umgang mit mobilen Technologien?
Ich denke, wichtig sind verbindliche und klare Spielregeln im Umgang mit der ­Erreichbarkeit gerade beim mittleren Management. Wenn ich einem Manager um 22 Uhr eine E-Mail schreibe, weil mir ­gerade noch etwas in den Sinn gekommen ist, heisst das nicht, dass ich sofort eine Antwort oder Lösung erwarte. Ich möchte aber eine Reaktion innerhalb von 24 Stunden.

Bislang wird mobiles Arbeiten vor allem mit dem E-Mail-Verkehr verbunden. Was ist darüber hinaus – heute und auch zukünftig – noch möglich?
Wir müssen die Technologie vor allem als Mittel verstehen, um unseren Geschäftsalltag zu vereinfachen. Sie ermöglicht Managern, ihr Geschäft mit dem Mobiltelefon zu leiten, Entscheidungen schnell, ortsunabhängig und jederzeit zu fällen. Sie erlaubt Kundenberatern, während Verkaufsgesprächen wirksam argumentieren zu können und erfolgreicher zu sein. Sie sorgt auch dafür, dass sich das Businessleben «dematerialisiert». Zum Beispiel wird es möglich sein, Spesenbelege einfach nur zu fotografieren und ­direkt in die Buchhaltung zu übernehmen, ohne zuerst den physischen Beleg abzuschreiben.

Was sind Ihre Hauptargumente für eine Umstellung auf mobile Technologien?
Die Umstellung macht Sinn, weil sich das Geschäftsleben unweigerlich digitalisiert und beschleunigt. Nehmen wir als Beispiel die nächste Generation von Unternehmern, welche von zu Hause oder von unterwegs arbeiten, ihre Arbeitszeit und Freitage flexibel einteilen und gestalten wollen. Mobile Technologie weicht zunehmend die traditionelle Arbeitsweise auf, ermöglicht flexible Modelle und hat das Potenzial, bisher geltende Wettbewerbskräfte grundlegend zu verschieben.

Und welche Voraussetzungen sind dafür nötig, zum Beispiel bezüglich der Infrastruktur?
Es braucht nicht viel. Ein Mobiltelefon, eine Internetverbindung und zum Beispiel die Business-Software Sage 50 Extra.

Zur fortschreitenden Mobilität gehört auch der Umgang mit Privatgeräten der Mitarbeiter. Ist es für Unternehmen ratsam, dem Trend «bring your own device» zu folgen, oder ist der mögliche Schaden grös­ser als der Nutzen?
BYOD ist kein Ersatz für firmeneigene Businessgeräte. Es ist nach wie vor besser, wenn die Firma die Geräte zur Verfügung stellt, damit die nötige Sicherheit gewährleistet ist. Es gibt aber immer mehr Mitarbeiter im Unternehmen, die auch auf ein mobiles IT-Gerät zugreifen müssen, zum Beispiel um Absenzen zu melden oder Spesen zu registrieren oder um im Lager eine Inventur durchzuführen. Hier können Rollen für Mitarbeiter definiert werden, welche mit ihrem privaten Gerät via Cloud – also Browser oder App – auf die zentralen Systeme zu­greifen können, ohne die Sicherheit des ­Unternehmens zu gefährden. Genau solche Arbeitsweisen erlaubt die mobile Technologie von Sage 50 Extra.

Das Thema Cloud-Computing ist ­sicher eines der meist diskutierten. Viele KMU tun sich damit noch schwer. Für welche Unternehmen ist die Cloud überhaupt geeignet, für welche nicht?
Grundsätzlich eignet sich die Cloud für alle KMU. Viele unserer Kunden nutzen heute bereits sogenannte hybride Lösungen, bei denen sie gewisse Geschäftsprozesse mit Daten aus der Cloud mobil abwickeln, die Software aber noch lokal installiert ist. Daneben nutzen Kleinst­unternehmen reine Cloud-Lösungen wie Sage One, bei denen die Software als ­Service bezogen wird und man sich via ­Internetbrowser einloggt.

Hand aufs Herz: Welche Nachteile hat die Cloud?
Die grossen Herausforderungen beginnen dann, wenn Drittlösungen integriert werden sollen, die nicht auf Cloud-Technologie basieren. Nehmen wir ein KMU, welches die Buchhaltung direkt mit dem Kassensystem oder eigenem Webshop in der Cloud nutzen möchte. Hier müssen alle Systeme auf der gleichen Plattform laufen bzw. auf dem gleichen Standard basieren, damit die Daten fliessen können.

Wie können Unternehmen denn abschätzen, welcher Cloud-Anbieter der für sie richtige ist?
Schauen Sie, beim Funktionsumfang der Lösungen bewegen sich die grösseren Softwareanbieter in der Schweiz auf ­Augenhöhe. Entscheidend ist: Bietet der Anbieter umfassenden Support an? Denn was neu ist, wirft zwangsläufig Fragen auf. Deshalb sollten KMU auf Support und ein allfälliges Schulungsangebot des Herstellers grossen Wert legen.

Wann wird es aus heutiger Sicht ausschliesslich cloudbasierte Lösungen geben?
Dann, wenn es das papierlose Büro gibt. Als ich meine erste Stelle antrat, hat man prophezeit, dass das schon bald Realität sein werde. Das war vor 30 Jahren und wir sind heute mehr oder weniger weit davon entfernt. Sie sehen, eine verlässliche Prognose ist relativ schwierig. Ich glaube, dass wir auch in 15 Jahren noch Lösungen antreffen, die vor Ort installiert sind.

Kürzlich haben Sie die Buchhaltungslösung «Sage 50 Extra» vorgestellt, Ihr erstes umfassendes Cloud-Angebot. Was ist der konkrete Nutzen?
Wichtig ist: Sage 50 Extra ist auch ein Cloud-Angebot. Denn wir bieten die Software im Abo sowohl in der Cloud als auch als lokal installierbare Lösung an. Somit hat der Kunde weiterhin die Wahl, welches Modell er wählen möchte und er ­arbeitet dank Abo automatisch immer mit der aktuellsten Version. Dabei erlaubt Sage 50 Extra kleinen und mittleren Unternehmen, relevante Geschäftsprozesse digital und mobil abzubilden sowie effizienter zu gestalten. Sämtliche Lohnmeldungen können elektronisch und damit kostensparend abgewickelt werden. Weitere Nutzen sind, dass treue Kunden mit einem Wartungsvertrag dauerhaft nur die Hälfte des regulären Abo-Preises bezahlen, dass sie ihre Daten 1 : 1 von der Vorgängerversion Sage 50 übernehmen können und sie keine neue Software lernen müssen.

Sage ist Anbieter von Business-Software. In welchen Bereichen haben Ihre Kunden den grössten Bedarf?
Wir bedienen in der ganzen Schweiz rund 60 000 Kunden unterschiedlicher Grösse. Kleinere Unternehmen fragen dabei meist nach Lösungen, mit der sie ihr gesamtes Geschäft mit nur einer Software abwickeln können. Bei Unternehmen bis zirka 50 Mitarbeiter stehen vor allem spezifische Buchhaltungslösungen mit Finanz- und Lohnbuchhaltung im Fokus, meist in Zusammenarbeit mit einem Treuhänder. Und bei den grösseren Unternehmen stehen dann wieder Gesamtlösungen in Form von ERP-Systemen im Vordergrund. Allen gemeinsam ist die wachsende Nachfrage nach den bereits mehrfach angesprochenen mobilen Lösungen. Sie wollen Entscheidungen, basierend auf aktuellsten Daten und Kennzahlen, mobil treffen können, sie wollen in Sekundenschnelle leicht interpretierbare Auswertungen aktueller Buchhaltungsdaten machen, sie wollen im ­Verkaufsgespräch aufgrund aktueller Kunden- und Verkaufszahlen argumen­tieren können.

Sage und das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern arbeiten an ­einem Internen Kontrollsystem (IKS) der Zukunft, zugeschnitten auf Schweizer KMU. Was genau steckt hinter diesem Prozess, und wie ist der aktuelle Stand?
Wir stehen kurz vor der Halbzeit und sind dem Ziel, ein wirksames Instrument zur Eigenkontrolle für Schweizer KMU zu entwickeln, ein grosses Stück näher. Einerseits sind wir daran, unsere Softwarelösungen Sage 50 Extra und Sage 200 ERP Extra mit wirksamen Steuerungselementen zu erweitern. Dies umfasst zum Beispiel ein Reporting-Dashboard, welches auf den Erkenntnissen der durchgeführten Feldstudie basiert. ­Andererseits treibt das gesamte Forschungsteam das angekündigte Best-Practice-Modell weiter. Dieses wird KMU in Zukunft das nötige Rüstzeug in Form einer Onlineplattform für die interne Kontrolle und sichere Unternehmensführung geben. Das ganze Projekt dauert bis im Herbst 2016. Wahrscheinlich werden wir im nächsten Frühling einen ersten Prototyp präsentieren können.

Herr Suter, welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Themen, die Ihre Kunden über die Informationstechnologien hinaus aktuell beschäftigen?
Bei vielen unserer Kunden ist das verlangsamte Wachstum, primär hervorgerufen durch den starken Franken, ein Problem. Die Situation ist angespannt. Dabei treten vor allem zwei Reaktionen auf, die sich in etwa die Waage halten: Die einen schliessen ihre Luken und versuchen, die Situation auszusitzen – was man tun kann, wenn man genügend Reserven hat. Die anderen investieren in die Wirtschaftlichkeit ihrer Unternehmen, unter anderem in die Erneuerung ihrer Software.

Inwieweit kann Business-Software hier unterstützen und wo sind ihr Grenzen gesetzt?
Business-Software kann dabei helfen, Kosten zu senken und Erträge zu sichern. In der wirtschaftlich angespannten Lage ist es äusserst wichtig, alle Kennzahlen immer griffbereit zu haben, um auf Veränderungen bei Umsätzen, Liquidität etc. rasch reagieren zu können. Da kann der mobile Service Sage Reports weiterhelfen. Erträge lassen sich zum Beispiel in der Minimierung des Debitorenrisikos sichern, indem man beispielsweise nur noch an solvente Kunden liefert. Unsere Kunden können dabei auf das Debitorenmanagement zurückgreifen, mit welchem man rechtsgültige Adressen oder Handelsregisterauszüge beziehen, Bonitätsabfragen tätigen oder Betreibungen einleiten kann. Wir bieten unseren Kunden eine Vielzahl an Möglichkeiten an. Weiter können Unternehmen dank dem kostenlosen Dienst Sage International Payments ihre Zahlungen an ausländische Kreditoren direkt, sicher und ohne Transfergebühren abwickeln. Meist zu einem besseren Wechselkurs, als ihn die ­eigene Bank anbietet.

Porträt