Forschung & Entwicklung

Wappen- und Markenschutz

Wie Unternehmen mit der neuen Swissness-Regelung umgehen

Seit dem 1. Januar 2017 ist das Swissness-Gesetz in Kraft. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur hat untersucht, welchen Einfluss die neue Gesetzgebung auf die Verwendung der Herkunftsangabe und die Gestaltung der Wertketten in der MEM-Branche hat. Die Ergebnisse zeigt der nachfolgende Beitrag.
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Die Schweiz geniesst bei Konsumenten im Ausland einen guten Ruf. Sie wird mit Schokolade, Käse, Uhren, Banken sowie Bergen assoziiert und steht für eine schöne Landschaft, hohe Lebensqualität, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Sauberkeit. Unternehmen nutzten dieses positive Image, indem sie den Begriff Schweiz in ihren Namen einbauten. Sie integrierten das Schweizerkreuz in ihr Logo und wählten für ihre Marke Symbolbilder wie das Matterhorn. Beispiele dafür sind die Fluggesellschaft Swiss, der Messerhersteller Victorinox und die Schokoladenmarke Toblerone.

Missbrauch verhindern

Die Marke Schweiz wurde aber nicht nur genutzt, sondern auch missbraucht. So warb ein Kosmetikhersteller für seine Produkte mit einer angeblichen Schweizer Herkunft, obwohl die zur Herstellung verwendeten Rohstoffe aus dem Ausland stammten und die Artikel in Frankreich fabriziert wurden. Eine Bank bezeichnete sich als schweizerisch, obwohl sich der Schweizer Anteil auf drei in der Schweiz domizilierte Briefkastenfirmen und die Kapitalgeber beschränkte.Solche Missbräuche waren der Anlass für die Revision des schweizerischen Wappenschutz- und des Markenschutzgesetzes, welche die Verwendung des Schweizer Wappens und der Herkunftsbezeichnung Schweiz regeln.

Die revidierten Gesetze traten per 1. Januar 2017 in Kraft. Gemäss dieser neuen Swissness-Gesetzgebung können Lebensmittel mit dem Schweizerkreuz versehen werden, wenn der wesentliche Produktionsschritt in der Schweiz stattfindet und die Rohstoffe zu mindestens 80 Prozent aus dem Inland stammen. Industrieprodukte dürfen mit der Marke Schweiz gekennzeichnet werden, wenn die Herstellungskosten zu 60 Prozent und der wesentliche Produktionsschritt in der Schweiz anfallen. Dienstleistungen können unter dem Schweizerkreuz angeboten werden, wenn der Sitz und das Verwaltungszentrum des Unternehmens in der Schweiz angesiedelt sind und die geschäftsführende Person einen Schweizer Pass oder Wohnsitz hat.

Reaktionen auf das neue Gesetz

Die Frage ist, wie Schweizer Unternehmen auf diese neue Gesetzgebung reagieren. Werden sie sich vom Schweizerkreuz verabschieden oder Wertaktivitäten in die Schweiz verlagern? Die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur hat eine Untersuchung durchgeführt, in der 342 Unternehmen aus der MEM-Branche nach der Verwendung und dem Wert der Swissness für ihre Tätigkeit sowie dem Einfluss des neuen Gesetzes auf die Gestaltung der Wertschöpfungskette befragt wurden. Die Befragung wur-de im Sommer 2016 mittels elektronischen Fragebogens durchgeführt und richtete sich an die geschäftsleitenden Personen. Die teilnehmenden Unternehmen sind mehrheitlich im Maschinenbau (45 %), in der Metallindustrie (15 %) und in der Elektroindustrie (10 %) tätig. Sie beliefern fast ausschliesslich Geschäftskunden (95 %), sind stark international ausgerichtet (82 %) und gehören zur Gruppe der KMU (80 %). Die erhobenen Daten wurden deskriptiv statistisch ausgewertet.

Unveränderte Nutzung Swissness

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass gut die Hälfte der befragten Unternehmen die Swissness in ihrem Produkt- beziehungsweise Marktauftritt verwenden. Daran wird die neue Gesetzgebung wenig ändern. 46 Prozent der Unternehmen, die Swissness vor 2017 verwendet haben, werden dies auch weiterhin tun. Dazu kommen 12 Prozent Unternehmen, die ihre Swissness früher nicht zeigten, dies in Zukunft aber zu tun gedenken. 5 Prozent Unternehmen, die bisher auf ihre schweizerische Herkunft setzten, werden in Zukunft davon absehen. Nach Einführung des neuen Swissness-Gesetzes wird der Anteil der Betriebe, die unter der Schweizer Flagge auftreten, gemäss der Befragung damit von 49 Prozent auf 51 Prozent steigen (vgl. Abbildung 1).

Eine differenzierte Auswertung der Rückmeldungen zeigt, dass die Swissness von jenen Unternehmen am häufigsten verwendet wird, die im Business-to-Consumer-Geschäft tätig sind, eine internationale Ausrichtung aufweisen, eine he-terogene Kundschaft bedienen und zur Kategorie der KMU gehören. Gegen eine Verwendung von Swissness entscheiden sich die kleinen und mittleren Unternehmen, wenn sie in einer engen Marktnische tätig sind oder die Anforderungen der neuen Swissness-Gesetzgebung nicht erfüllen können. Die grossen Firmen sehen von einer Verwendung der Swissness ab, wenn sie über eine eigenständige, starke Marke verfügen, die durch die Angabe der Herkunft verwässert würde.

Höhere Zahlungsbereitschaft

Als Motive für die Verwendung der Swissness im Marketing gaben die befragten Unternehmen an, dass sie sich davon eine höhere Zahlungsbereitschaft der Kunden (38 %) und eine Steigerung der Bekanntheit ihrer Marke (34 %) versprechen. Die Unternehmen erhoffen sich zudem, ihre Marke durch die Verwendung der Swissness in Richtung Qualität, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Präzision zu entwickeln (vgl. Abbildung 2). Die Zahlungsbereitschaft der Kunden erhöht sich gemäss der Einschätzung der meisten Unternehmen (54 %) um 5 bis 10 Prozent. Rund ein Drittel der befragten Firmen erwartet keinen Einfluss der Swissness auf den Preis ihrer Produkte und 13 Prozent der Unternehmen schätzen das Preispremium durch die schweizerische Herkunftsangabe auf über 10 Prozent.

Kaum Verlagerungen

Der Einfluss des neuen Swissness-Gesetzes auf die Gestaltung der Wertschöpfungsketten der Unternehmen ist sehr gering. 95 Prozent der befragten Firmen gaben an, keine Anpassungen an ihren Wertketten vorzunehmen, weil sie die Anforderungen der neuen Swissness-Gesetzgebung bereits erfüllen, weil die Umsetzung des Gesetzes zu aufwendig wäre, weil sie auf Ressourcen im Ausland angewiesen sind oder weil die eigene Marke im Vordergrund steht (vgl. Abbildung 3). Lediglich 5 Prozent der Unternehmen planen, im Zusammenhang mit der neuen Swissness-Gesetzgebung Änderungen an ihrer Wertschöpfungskette vorzunehmen.

Betroffen sind vor allem die Bereiche Produktion, Beschaffung, Forschung und Entwicklung, in denen Aktivitäten im Umfang von 5 bis 20 Prozent der gesamten Herstellungskosten in die Schweiz verlagert werden sollen.

Insgesamt zeigt die Studie, dass gut die Hälfte der befragten Unternehmen Swissness nutzen. Das Schweizer Label kann zur Stärkung einer Marke beitragen und einen Preisvorteil bedeuten. Daran wird die neue Gesetzgebung wenig ändern. Auch die Wertketten der Unternehmen scheinen durch das neue Gesetz kaum beeinflusst zu werden. Es ist keine bedeutende Verlagerung von Wertaktivitäten aus dem Ausland in die Schweiz erkennbar.

Die Befragung relativiert damit Befürchtungen, wonach das neue Swissness-Gesetz die Unternehmen zwingen würde, Wertaktivitäten in die Schweiz zu verlagern oder auf die Angabe ihrer Schweizer Herkunft zu verzichten. Keine der beiden Entwicklungen ist unter den untersuchten Firmen erkennbar. Die Frage ist, ob diese Erkenntnisse auch für andere Branchen als die MEM-Industrie gelten. Es wäre durchaus möglich, dass die Ergebnisse beispielsweise in der Nahrungsmittelbranche anders ausfallen würden, weil das Swissness-Gesetz an diese Unternehmen höhere Ansprüche stellt, die eher Anpassungen an den Wertketten verlangen.

Unabhängig vom Ausmass des Einflusses der neuen Gesetzgebung auf die bisherige Tätigkeit fordert die Gesetzesänderung dazu auf, sich grundsätzlich mit dem Thema Swissness auseinanderzusetzen. Unternehmen sollten sich die Frage stellen, ob das Image der Schweiz zur Positio­nierung der eigenen Produkte passt, ob Werte wie Natürlichkeit, Lebensqualität, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Sauberkeit die Positionierung der eigenen Marke unterstützen und sich damit verbinden lassen. Nur dann kann die Verwendung der Herkunftsbezeichnung Schweiz einen Mehrwert schaffen und die dafür entstehenden Kosten rechtfertigen.

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