Forschung & Entwicklung

Studie: Recruiting

Wie KMU bei Ingenieuren punkten können

Ingenieure und Techniker sind Mangelware. Anlässlich der Recruiting- und Weiterbildungsmesse «advanceING – Ingenieurgeist trifft Karriere» untersuchte erstmals eine Studie die beruflichen Präferenzen dieser gefragten Zielgruppe. Das Ergebnis: Kleine und mittelständische Arbeitgeber haben keineswegs schlechte Karten in Sachen Ingenieur-Recruiting.
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Wie beurteilen Ingenieure den aktuellen Arbeitsmarkt? Was ist ihnen bei der Arbeitgeberwahl wichtig? Wie lassen sie sich erfolgreich ans Unternehmen binden und für ihre Aufgaben begeistern? Und über welche Kanäle und Medien suchen sie nach neuen Herausforderungen? Gerade, wenn wenig Budget für das Personalmarketing verfügbar ist, sind diese Fragen essenziell, um Fehlinvestitionen «an der Zielgruppe vorbei» zu vermeiden und beim Recruiting von technischen Fach- und Führungskräften wirksame Argumente einzusetzen.

Die gross angelegte Studie der HR-Unternehmensberatung Dr. Schmidt & Partner GmbH hat die zielgruppenspezifischen Präferenzen von Ingenieuren und Technikern in der Schweiz untersucht und liefert vor allem für kleine und mittelstän­dische Unternehmen aufschlussreiche Ergebnisse. Zentraler Ausgangspunkt der Studie war es, eine möglichst breit gestreute und repräsentative Stichprobe zu bilden. So sind unter den Teilnehmern vom Berufseinsteiger bis zum Senior Professional, vom einfachen Angestellten bis zum Mitglied der Geschäftsleitung alle wichtigen Teilzielgruppen vertreten. Wobei der Fokus im Gegensatz zu vielen anderen Studien auf der besonders recruiting-relevanten Zielgruppe der berufserfahrenen und karriereorientierten Ingenieure liegt: Das Durchschnittsalter des Samples beträgt 42 Jahre, rund 60 Prozent der Befragten haben mindestens Projekt- oder Teamleitungsverantwortung.

Die Untersuchung zeigt: Schweizer Ingenieure verdienen gut, sind sich über ihre komfortable Lage im Klaren und eher schwierig zum Stellen- und Arbeitgeberwechsel zu bewegen. Entsprechend selbstbewusst gaben sich die Befragten hinsichtlich des eigenen Marktwerts: Auf einer Skala von 0 bis 10 wurde die Arbeitsmarktlage für Ingenieure in der Schweiz mit durchschnittlich 7,9 Punkten bewertet. Die individuelle Zufriedenheit mit der Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes liegt ähnlich hoch bei 7,5 Punkten.

Vielleicht liegt es auch daran, dass viele Ingenieure in Bezug auf eine berufliche Veränderung eher wenig flexibel sind. Nur durchschnittlich alle acht Jahre steht für die Befragten ein Arbeitgeberwechsel an. In die Stellensuche werden im Mittel rund viereinhalb Monate investiert. Das bedeutet zugleich: Über klassisches Recruiting via Stellenausschreibungen, die sich vor allem an aktiv suchende Kandidaten richten, erreichen suchende Unternehmen jeweils weniger als sechs Prozent der relevanten Zielgruppe.

Dies deckt sich mit der Aussage, dass nur neun Prozent der Befragten einen Arbeitgeberwechsel in den kommenden zwei Jahren bewusst anstreben. Ein weiteres Drittel geht davon aus, nicht selbst aktiv zu werden, zeigt sich aber grundsätzlich offen gegenüber interessanten Angeboten. Es lohnt sich daher gerade bei schwierig zu besetzenden Stellen, die klassische Ausschreibung durch weitere Massnahmen zu flankieren, die zusätzlich auch die nicht aktiv suchenden Kandidaten abholen, zum Beispiel Headhunting, Prämienprogramme im Bereich «Mitarbeiter werben Mitarbeiter» oder Anzeigenschaltungen ausserhalb der Jobbörsen. Auch die Investition in den Aufbau einer glaubwürdigen Arbeitgebermarke zahlt sich für KMU langfristig aus.

Eher unflexibel sind zwei Drittel der Befragten auch hinsichtlich ihres Arbeits­ortes. Rund 50 Prozent schliessen einen Wohnortwechsel für einen neuen Arbeitsplatz grundsätzlich aus, weitere 13 Prozent würden lediglich innerhalb der Region umziehen. Dem gegenüber stehen 11 Prozent, die innerhalb der Schweiz mobil sind und immerhin 26 Prozent, die für ihre Karriere auch ins Ausland gehen würden. In vielen Fällen macht es damit durchaus Sinn, bei der Suche nach geeigneten Kandidaten quasi vor der eigenen Haustür, sprich in der Region, zu beginnen.

Vielseitige Aufgaben locken

Vor allem die überraschenden Antworten der Ingenieure auf die Frage nach den Gründen für den letzten Arbeitgeberwechsel liefern KMU ideale Voraussetzungen für Employer-Branding-Mass­nahmen. Denn hier waren es nicht die zunächst naheliegenden Wünsche nach mehr Gehalt oder einer höheren Hierarchiestufe, die sich als die eigentlichen Treiber beruflicher Veränderung herausstellten. An erster Stelle steht stattdessen der Wunsch nach attraktiveren Aufgaben. 40 Prozent der Befragten gaben diesen Aspekt als massgeblich für ihren letzten Stellenwechsel an. Mit 34 Prozent an zweiter Stelle folgt der allgemeine Wunsch nach Veränderung bzw. die Möglichkeit zum Sammeln neuer Erfahrungen. Bessere Bedingungen zur fachlichen Weiterentwicklung spielten für 27 Prozent der Teilnehmer eine Rolle. Nur gut jeder fünfte Befragte gab an, dass eine höhere Vergütung für ihn massgeblich gewesen sei. Aspekte wie Work Life Balance, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder sonstige Zusatzleistungen des Arbeitgebers waren gar nur für jeweils rund zehn Prozent valide Gründe. Insbesondere erfreulich für kleine und mittelständische Arbeitgeber: Das Renommee bzw. Image des Unternehmens spielt mit sechs Prozent für die Arbeitgeberwahl von Ingenieuren praktisch keine Rolle.

Die Antworten auf die Frage nach der allgemeinen Wichtigkeit einzelner Aspekte des Arbeitsumfelds decken sich mit diesen Angaben. Mit 8,7 bzw. 8,0 von möglichen 10 Punkten werden auch hier die Attraktivität der eigenen Aufgaben und die Möglichkeit zum Sammeln neuer Erfahrungen als besonders relevant empfunden. Zusätzlich spielen in der Wahrnehmung der befragten Ingenieure auch die Arbeitsatmosphäre (8,7 Punkte), der eigene Gestaltungsfreiraum (8,4 Punkte) und das Verhältnis zur Führungskraft (8,3 Punkte) eine grosse Rolle. Am anderen Ende des Spektrums steht mit 6,0 Punkten die Hierarchiestufe der aktuellen Position.

In welche Bereiche sollten kleine und mittelständische Arbeitgeber nun idealerweise investieren – und welche Argumente können ausgerollt werden, wenn es darum geht, neue Leistungsträger zu gewinnen oder bestehende Mitarbeiter zu binden? Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Korrelation von Mitarbeiterzufriedenheit und Wechselmotivation der Studienteilnehmer. Wenn man die Teilmengen der Mitarbeiter mit niedriger Bindung («strebe Arbeitgeberwechsel in den nächsten zwei Jahren aktiv an») und der Mitarbeiter mit hoher Bindung («strebe definitiv keinen Arbeitgeberwechsel an») vergleicht, fällt zunächst auf: Die Zufriedenheit mit dem jeweiligen Arbeitsumfeld ist bei den bindungsstarken Mitarbeitern durchweg höher als bei den bindungsschwachen. Punkten können Unternehmen nun genau dort, wo die Differenz zwischen beiden Werten besonders hoch ist.

Auch hier steht die Attraktivität der Aufgaben an vorderster Stelle. Während Ingenieure mit hoher Bindung an ihr aktuelles Unternehmen überdurchschnittlich zufrieden mit diesem Aspekt sind (8,4 von 10 Punkten), beurteilen wechselwillige Ingenieure ihren derzeitigen Auf­gabenbereich mit durchschnittlich 5,7 Punkten deutlich negativer. Anders sieht das etwa beim Thema Vergütung aus. Hier unterscheidet sich das «Mass der Zufriedenheit» zwischen Wechselwilligen (6,4 Punkte) und loyalen Mitarbeitern (7,7 Punkte) weitaus weniger. Die Erhöhung des Verdiensts allein ist also kein erfolgversprechendes «Lockangebot» für potenzielle Mitarbeiter.

Entscheidend bei der Planung der Investitionen sind zu guter Letzt nicht allein die Wünsche und Bedarfe der Zielgruppe, sondern auch eine saubere Definition der Alleinstellungsmerkmale, der zentralen Arbeitgeber-Markenbotschaften sowie der erfolgversprechendsten Kanäle. Vor der schier übermächtigen Markt- und Markenpräsenz bzw. der finanziellen Schlagkraft grosser Konzerne sollten sich Mittelständler nicht schrecken lassen. Vergleicht man die Studienergebnisse mit den Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Führung von Arbeitgebermarken, bringen KMU beste Voraussetzungen für die Rekrutierung technischer Fachkräfte und den Aufbau einer wirksamen Arbeitgebermarke mit: Durch «flache Hierarchien» ist erstens die Identifikation der Mitarbeiter mit Marke und Firma viel höher als bei grossen Konzernen, der Fokus kann daher verstärkt auf Massnahmen liegen, die von innen nach aussen wirken. Zweitens verbirgt sich in der Überschaubarkeit von kleineren Betrieben ihre grosse Stärke, denn sie ermöglicht ein individuelleres Eingehen auf die Mitarbeiter, grössere Gestaltungsfreiräume und vielseitigere Aufgabenbereiche, was Ingenieuren und Technikern ausgesprochen wichtig ist. Und drittens können dank dem Trend zu Online- und der wachsenden Bedeutung sozialer Medien Zielgruppen budgetangepasst mit hoher Treffgenauigkeit erreicht werden.«

Porträt