Die Thematik der bewussten und ganzheitlichen Optimierung des Produktionsnetzwerks wurde in einem von der Kommission und Technologie (KTI) geförderten Projekt bearbeitet (14855.2 PFES-ES: «Supply Chain Integration: Der Umgang mit Komplexität»). Die Autoren haben in Zusammenarbeit mit zwei Schweizer Industrieunternehmen eine Methode zum Umgang mit Komplexität im Unternehmensnetzwerk erarbeitet und in diesen beiden Unternehmen praktisch angewendet. Die Grundlage des Komplexitätsmanagements und die im KTI-Projekt entwickelte Methode wurden im ersten Teil dieser Artikelreihe dargestellt («KMU-Magazin», Ausgabe 7/8 – 2015, Seite 104 ff.). In diesem zweiten Teil werden Erkenntnisse aus den Fallstudien aufgezeigt. Aufgrund der Vielzahl an untersuchten relevanten Dimensionen und Abhängigkeiten und dem eingeschränkten Platz in diesem Heft wird der Schwerpunkt auf die detaillierte Diskussion ausgewählter Erkenntnisse gelegt.
Veränderung der Komplexität
Manager stehen oftmals vor der Herausforderung, Veränderungen des Produktionsnetzwerks anzustossen, um dem Risiko von Verlusten oder unausgeschöpften Erfolgspotenzialen zu entgehen. Die Zeit drängt und Ressourcen stehen nur beschränkt zur Verfügung. Eine der am häufigsten vernachlässigten Grössen zur Beurteilung des angestrebten Wandels im Produktionsnetzwerk ist die resultierende Veränderung der Komplexität im Netzwerk. (vergleiche mit «KMU-Magazin», Ausgabe 7/8 – 2015, Seite 104 ff.).
Während der Umsetzung werden die Nebenwirkungen sichtbar: Intransparenzen entstehen oder hohe Koordinationsaufwände überfordern sonst schon stark beanspruchte Schlüsselmitarbeiter. Um dies zu verhindern, sind frühzeitig Massnahmen zu identifizieren, die die neu entstandenen Komplexitäten reduzieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die abgeleiteten Massnahmen / Veränderungen weitere Komplexitäten generieren können. Abbildung 1 zeigt die Auswirkungen der Veränderungen auf.
Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Komplexität bei den beiden untersuchten Unternehmen durch Veränderungen im Netzwerk entstanden sind. Zudem wird anhand einer beispielhaften Massnahme diskutiert, welche Komplexitätsreduktionen angestrebt werden. Abschliessend wird ein Überblick über die möglichen Massnahmen und ihr Potenzial zur Komplexitätsreduktion aufgezeigt.
Fallstudie A
Veränderung
Das Unternehmen A verfügt aktuell über zwei Produktionsstandorte, einen in der Schweiz und einen in China. Der Aufbau des chinesischen Standorts erfolgte mit dem Ziel, den Zugang zu günstigen Ressourcen zu öffnen und um die Präsenz in Asien zu stärken. Der Ausbau des Netzwerks hat zu erheblichen Veränderungen geführt.
Sichtbar ist zum Beispiel: Die Motivation der Mitarbeiter des Schweizer Produktionsstandortes, mit dem chinesischen Partner zusammenzuarbeiten und Informationen bereitzustellen, fehlte anfänglich und musste zuerst entwickelt werden. Die Mitarbeiter des chinesischen Standorts haben sich kontinuierlich weiterentwickelt, so dass sie heute bereit sind, auch weitere Aufgaben zu übernehmen. Dennoch stockt es; es werden kaum Aufgaben und Verantwortung übertragen. Durch die enge Kontrolle des chinesischen durch den Schweizer Standort, wie auch durch viele Schnittstellen in der Wertschöpfungskette, ist der Koordinationsaufwand des Produktionsnetzwerks sehr hoch.
Aufgrund der beschriebenen Veränderungen sind im Unternehmensnetzwerk die folgenden wesentlichen Komplexitäts-treiber entstanden:
- Komplexität aus fehlendem Informationsfluss
- Komplexität aus den Schnittstellen und unzureichender Prozesseinhaltung
- Komplexität aus Veränderungen im Produktprogramm
- Komplexität aus ungenügender Definition von Verantwortlichkeiten