Der gewalttätige Rausschmiss eines Passagiers aus einem überbuchten Flug hat sich kürzlich für eine Fluggesellschaft zu einem Kommunikationsdesaster entwickelt. Innert Stunden waren die von anderen Passagieren aufgenommenen Bilder weltweit auf jedem Rechner zu sehen. Zunächst verteidigte das Unternehmen in einem internen Schreiben das Vorgehen der Mitarbeitenden und beschuldigte den Passagier. Darauf folgte eine knappe technische sowie nicht empathische externe Stellungnahme. Das Unternehmen sah sich mit Kaufboykotten und öffentlicher Entrüstung konfrontiert. Erst spät folgten mehrere Entschuldigungen und eine Befragung im US-amerikanischen Kongress zum Vorfall. Die Reputation der Firma ist nachhaltig geschädigt. Kritische Kundenmeldungen ignorieren, Fehler leugnen, Arroganz gegenüber der öffentlichen Meinung – dieses aktuelle Beispiel zeigt, dass Unternehmen trotz professioneller Kommunikationsabteilung und externen Beratern immer wieder in die gleichen Kommunikationsfallen tappen.
Die rasante Weiterentwicklung der Kommunikationstechnologien schafft neue Plattformen für den Dialog mit den Anspruchsgruppen und der breiten Öffentlichkeit. Damit entstehen aber auch neue Angriffsflächen. Und Kommunikationsfehler sind zunehmend schwieriger zu verstecken. Eine kontroverse Aussage im kleinen Kreis kann innerhalb von Stunden zu einem Skandal eskalieren. Die Komplexität der Kommunikationsaufgaben und die dafür erforderlichen Ressourcen nehmen zu. Eine Analyse der häufigen Kommunikationsfehler und ihre Rolle in einer Krise kann helfen, persönliche Kompetenzen und organisatorische Strukturen zu überprüfen und vorbeugende Massnahmen zu ermöglichen.
Fehler als Brandstifter
Mittels der Alltagskommunikation werden zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen (Mitarbeitende, Kunden oder Medien) Bedürfnisse erkundet und Erwartungen gesteuert. Wenn Missverständnisse entstehen, können sie eine Kommunikationskrise auslösen. Alle Kommunikationsthemen haben ein hohes Risikopotenzial: die Öffentlichkeitsarbeit im weiteren Sinne (engl. Public Affairs), die Unternehmenskommunikation oder die Marketingkommunikation. Wie das bereits aufgeführte Beispiel illustriert, ist die Wechselwirkung zwischen den Kommunikationsthemen kritisch. Ein Fehler in der Marketingkommunikation kann zu einer Unternehmenskrise eskalieren und zu einem Reputationsschaden in der breiten Öffentlichkeit führen.
Die Public Affairs umfassen die Kommunikation zu Behörden, Politik oder Nichtregierungsorganisationen und legen fest, wie ein Unternehmen zu den wichtigen gesellschaftlichen Themen steht. Dazu zählen neue Regulierungen, politische Initiativen und Diskussionen über gesellschaftliche Werthaltungen. Eine Unternehmung muss die öffentliche Wahrnehmung beobachten – sie kann sich zu moralischen und gesellschaftlichen Themen schnell diametral ändern. Wie die Krisen um das Bankgeheimnis in der Schweiz zeigen: Eine bis gestern akzeptierte Unternehmenspraxis kann schon heute als unethisch und sogar kriminell empfunden werden. Kommunikationskrisen können dabei infolge einer inkonsistenten und unklaren Kommunikation, aber auch aufgrund mangelnder Transparenz entstehen. Deshalb sind die Anforderungen an die Kommunikation bei Projekten, die privat und öffentlich finanziert sind, besonders hoch.
Auf der Ebene der Unternehmenskommunikation enstehen Krisen nicht nur aus fehlender oder falscher Kommunikation über die Geschäftstätigkeit, sondern auch aus unüberlegten Äusserungen der Unternehmensexponenten. Sowohl in kleinen und mittleren Unternehmen als auch in Grosskonzernen sind Mitglieder des Top-Managements öffentliche Personen. Ihre Kommunikation im geschäftlichen und privaten Umfeld kann schnell die Unternehmensreputation gefährden. Weitere hohe Risiken für Kommunikationskrisen bergen eine zu komplexe interne Organisation sowie eine schlechte Koordination zwischen den Fachstellen wie zum Beispiel Marketing, HR, Compliance oder zwischen dem Hauptsitz und den Filialen. Bei börsenkotierten Unternehmen ist es zusätzlich eine Herausforderung, die Erwartungen von Kunden und Mitarbeitenden mit den Erwartungen des Finanzmarktes und der Investoren in Einklang zu bringen.
Zu den häufigsten Krisenauslösern in der Marketingkommunikation zählen ignorierte Kundenreklamationen und Beschwerden. Dank des Aufstiegs der sozialen Medien kann jeder Kunde in die Rolle des recherchierenden Journalisten schlüpfen und ein Foto oder ein Video erstellen, das einen Produktmangel oder eine tiefe Dienstleistungsqualität direkt illustriert. Davon betroffen sind alle Facetten der Marketingkommunikation – Produkt, Preis und Verfügbarkeit in den Distributionskanälen. National tätige sowie exportorientierte Schweizer Unternehmen sind zusätzlich mit interkulturellen Herausforderungen konfrontiert: Produktlancierungen scheitern, wenn die Markenkommunikation sprachliche und kulturelle Besonderheiten der anvisierten Märkte ignoriert.