In den 1960er-Jahren wurde durch Forscher an der amerikanischen Stanford University ein Experiment mit Kindern durchgeführt. Die Vierjährigen wurden beim sogenannten «Marshmallow Experiment» vor die Wahl gestellt: Entweder sie erhielten von einem Erwachsenen sofort ein Marshmallow, eine in den USA beliebte Süssigkeit. Alternativ dazu konnten sich die Kinder dafür entscheiden, einen geringen Zeitraum abzuwarten, bis die erwachsene Person nach kurzer Absenz wieder zurückkehrte, um dann als Belohnung für die Wartezeit die doppelte Menge, also zwei Marshmallows, zu erhalten. Es sollte ein Entscheid zwischen einer kurzfristigen geringeren oder der späteren grösseren Belohnung, also einem Trade-off, getroffen werden. Die Kinder entschieden aufgrund ihrer Willensstärke oder aufgrund eines strategischen Kalküls (Mischel et al., 1989).
Erstaunlicherweise konnten mit diesem einfachen Experiment langfristige Vorhersagen über den Erfolg, das Selbstbewusstsein und über weitere persönliche Eigenschaften der Kinder getroffen werden. Diejenigen Kinder, die es schafften, zu warten, bis die erwachsene Person zurückkehrte, waren auch im späteren Erwachsenenleben erfolgreicher als diejenigen Kinder, welche die Marshmallows sofort verlangten. Diese Fähigkeit zum heutigen und damit kurzfristigen Belohnungsverzicht ist folglich ein Indikator für den späteren individuellen Erfolg (Caseya et al., 2011).
Im Kern ist dies ein strategisches oder auch nachhaltiges Handeln. Mit der Umsetzung von Nachhaltigkeit durch einzelne Individuen oder durch Unternehmen könnte es sich möglicherweise ähnlich verhalten.
Nachhaltiges Denken und Handeln kann zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und damit zu längerfristigem unternehmerischen Erfolg führen. Es ist aber verlockender, der schnellen Belohnung in Form von schnellen Gewinnen und umgehender Bestätigung zu erliegen.
Langfristig wirksam
Anders als beim Marshmallow Experiment, bei dem es um kurze Wartezeiten ging, ist es eine zentrale Herausforderung im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsthemen, mit erheblich längeren Zeiträumen umzugehen. Denn die Wirksamkeit nachhaltigen Handelns zeigt sich oft erst langfristig, manchmal erst über Generationen hinweg. So weisen verschiedene Studien einen positiven Zusammenhang zwischen der langfristigen finanziellen Performance und der Entwicklung von nachhaltigkeitsorientierten Praktiken und Denkweisen in Unternehmen nach, siehe zum Beispiel die Untersuchung von Eccles et al. aus dem Jahr 2011. Über einen Zeitraum von 17 Jahren (1993 – 2010) produzierten dabei solche Unternehmen einen doppelt so hohen ROA, die sich stark für Nachhaltigkeit engagierten.
Diese Wirkung zeigte sich im Vergleich zu solchen Unternehmen, die dies nicht tun und war über alle Branchen hinweg sichtbar. Nachhaltiges Handeln lohnt sich also langfristig aus finanzieller Sicht. Auch in der Schweiz bestätigen Unternehmen, dass finanzielle Anreize im Zentrum ihres Nachhaltigkeitsengagements stehen (Fific et al., 2011; Binder et al., 2011).
Kurzfristig jedoch erfordert ein solches Handeln zunächst Investitionen und Verzicht. Denn wir stehen einem sogenannten «Time-Lag» gegenüber, bei dem sich die Ergebnisse des Handelns erst mit einer zeitlichen Verzögerung zeigen. Es findet ein Trade-off über die Zeit hinwegstatt, also eine Entscheidung zwischen dem sicheren Heute und einem unsicheren Morgen oder einem Übermorgen. Auf solche langfristigen Wirkungsweisen, beispielsweise durch ein Denken und Handeln in generationenübergreifenden Zeiträumen, sind Unternehmen kaum ausgelegt. Warum ist das so?