Wenn genauer hingeschaut und die sozioökonomische Komponente betrachtet wird, dann eröffnen sich viele Fragen und Themen, welche mit hoher Priorität angegangen werden sollten. Zunächst einige Fakten im Überblick, welche ein eher düsteres Bild malen.
- Es gibt ein breites, ungenutztes Wissenspotenzial, sei es zwischen den Generationen oder bei der Kooperation von Firmen mit Hochschulen. Die Bereitschaft etwa, in Projekte zu investieren, ist bei den Forschungsinstituten sowie den KMU rückläufig, nur noch 35 Prozent der Institute haben einen klaren Bezug zu den kleinen und mittelgrossen Unternehmen. Demgegenüber ist eine klare Tendenz hin zu grösseren Institutionen feststellbar (Lüdi R und D Consulting 2016).
- Im Bereich der Ausbildung sowie in der Berufsbildung gibt es starke Frustrationen. Was dazu führt, dass jeder fünfte Schüler die Volksschule knapp über dem Status «Analphabet» verlässt.
- Der sogenannte Gesellschaftsvertrag wird wegen des grassierenden, verinnerlichten Egoismus auf die Probe gestellt. Junge finden in den grossen Städten kaum bezahlbaren Wohnraum. Die Mieten explodieren.
- Es dauert heute drei Mal länger, bis die Generation 50plus nach einem Verlust der Arbeitsstelle wieder einen Arbeitsplatz findet.
- Die Krankenkassenprämien «fressen» Kaufkraft weg, doch gleichzeitig sind die Diagnosen im Gesundheitswesen erstaunlich schlecht.
- Die Bereitschaft zu geben, bevor genommen wird, leidet und ebenso der Solidaritätsgedanke.
- Massnahmen, so weit diese in der Kultur des «rasenden Stillstands» getroffen werden können, haben wenig langfristige Wirkungen. Zu beobachten ist dies beispielsweise beim Fachkräftemangel. Die Schweiz reagiert fast ausschliesslich auf den Druck von aussen, so wie es schon in früheren Zeiten gewesen ist.
- Die Umsetzung der Massenzuwanderungsinitiative tritt in die entscheidende Phase. Der Termin der Umsetzung ist der 9. Februar 2017. Aktuell hat der Inländervorrang light-verstärkt politisch Aufwind. Diese Lösung widerspricht der Initiative, welche eine Kontingentierung vorschreibt. Es handelt sich um einen klassischen Normenkonflikt.
- Wir ertrinken im Bürokratismus und sind nur noch beschränkt fähig, komplexe Probleme zeitgerecht und wirkungsvoll zu lösen. In den Spitälern ist der Administrationsaufwand für Ärzte über 50 Prozent der Arbeitszeit angestiegen. Die Verwaltung produziert pro Jahr rund 6500 Seiten neue Verordnungen und Gesetze, ohne dass Papiere und Verordnungen vernichtet werden.
Trotz dieser auszugweisen negativen Entwicklungen sind Lösungsmöglichkeiten vorhanden. Davon handelt dieser Beitrag.
Die Ausgangslage
Die Kooperation zwischen der Unternehmensberatung Geiger-Evolution, der Schweizerischen Gesellschaft für Ideen- und Innovationsmanagement Idee Suisse, dem Institut für angewandte Morphologie sowie dem Branchenverband Entwicklung Schweiz hat in einem sogenannten Open-Space-Verfahren, einer Methode der Grossgruppenmoderation, mit über 50 Experten die Situation in der Schweiz analysiert.
Im Fokus der Untersuchung standen die folgenden drei Themengebiete: «Generation 50plus», «Wissenstransfer zwischen Jung und Alt» und «Berufsbildung». Die Analyse der Ergebnisse hat gezeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, diese Themen ganzheitlich anzugehen. Denn die Fragen des Wissenstransfers und der Alterskategorien sind einander ähnlich. Was junge Leute bei der Bewerbung für Stellen erleben, gilt ebenso in einer sehr ähnlichen Art und Weise auch für die Generation 50plus. Der Wissenstransfer ist eine Thematik mit einem klaren Verbesserungspotenzial und ist, unabhängig von den Generationen, gültig. Die Fragen zur Berufsbildung gelten natürlich vor allem für die junge Generation. Doch ist auch die ältere Generation mit der Herausforderung des lebenslangen Lernens ebenfalls betroffen. Diese Generation engagiert sich aktuell wieder mehr in der Berufswelt und leistet einen Beitrag, um die offenen Stellen zu besetzen.
Man kann davon ausgehen, dass arbeitslose Inländer rund 10 000 der offenen Stellen besetzen könnten. Die Voraussetzung ist allerdings, dass diese offenen Stellen auch bei den RAVs gemeldet werden. Das ist ein Beitrag gegen den Fachkräftemangel und für die Bestätigung, dass bei den Arbeitslosen viel Potenzial vorhanden ist. Ausserdem zeigt die Erfahrung, dass bei der vollen Freizügigkeit nur für zirka 25 Prozent der Stellen, die mit einem neu zugewanderten Ausländer besetzt wurden, kein adäquater Inländer gefunden werden konnte.
Das Fachkräfteranking von Ausländern (Expats) hier in der Schweiz ist schlecht (Rang 31 von 67 Nationen/Quelle: Expat Insider 2016). Die Sauberkeit, Sicherheit und der Verdienst werden von ausländischen Fachkräften geschätzt, nicht aber die vermeintliche Unmöglichkeit, sich zu integrieren. Bei der Integration nimmt die Schweiz im Index den 64. Rang, beim Finden schweizerischer Freunde Rang 63 und bei der Freundlichkeit den Rang 64 ein. Bei der Unterkategorie «Lebenshaltungskosten» belegt die Schweiz ebenfalls Rang 64. Da gibt es ein Verbesserungspotenzial, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Gesamtrang vor zwei Jahren der 4. Platz gewesen ist.
Systemgefährdende Themen
Im Detail hat diese Analyse im Open Space folgende Schwerpunkte gezeigt: Als systemgefährdend gelten die Themen «Altersemanzipation», «Entwürdigung aller Generationen durch lange Suchprozesse», «Überqualifikationen», «Regelungen bei den Pensionskassen», «fatalistische Grundhaltung» sowie die Tatsache, «dass Klagen schnell zu einer Entschädigung führen».
Grosse Probleme sind bei folgenden Themenkreisen zu orten: Berater von Grossfirmen raten zum Stellenabbau bei der älteren Generation. Damit ist die unterstützende Haltung der Geschäftsleitung verbunden, welche auf die Verantwortlichen des Bereichs Human Resources Einfluss nimmt. Die Stellensuchenden weisen Erschöpfungsmerkmale, ausgelöst durch die vielen Bewerbungen, aus. Die Lebenserfahrung und die Berufserfahrung spielt für die Besetzung von Funktionen eine untergeordnete Rolle, gefragt sind Diplome.
Die Wertschätzung der Mitarbeitenden ist vor allem in Grossfirmen ungenügend. Das Prinzip «Arbeit hält fit» führt zu einer steigenden Anzahl von Burn-outs; rund 25 Prozent sind Betroffene, volkswirtschaftlich geschätzte Kosten liegen bei rund fünf Milliarden Franken. Bildungsdepartemente und Ämter für Wirtschaft, inklusive der RAVs, sind zu wenig flexibel.