Forschung & Entwicklung

Value added Services

Vom Differenzierungsmerkmal zur Ertragsquelle

Viele produktergänzende Dienstleistungen werden gratis zum Produkt dazugegeben, obwohl sie beim Anbieter hohe Kosten verursachen und den Kunden sogar einen finanziellen Nutzen bringen. Wie Unternehmen es schaffen können, sich durch Zusatzdienstleistungen nicht nur zu differenzieren, sondern auch Geld zu verdienen, zeigt dieser Beitrag.
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Bei einer zunehmenden Austauschbarkeit von Produkten und Leistungen versuchen viele Unternehmen im Business-to-Business-Bereich, sich gegenüber ihren Konkurrenten durch Zusatzdienstleistungen (sogenannten Value added Services) zu differenzieren. Diese Leistungen stehen oft nur in indirektem Zusammenhang mit der Kernleistung und sind für diese im Gegensatz zu Produkt­instruktionen oder technischem Unterhalt nicht zwingend notwendig.

Kostenlos kann teuer sein

Das Problem an der Sache ist, dass viele produktergänzende Dienstleistungen kostenlos zum jeweiligen Produkt dazugegeben werden. Und das, obwohl diese beim Anbieter teilweise hohe Kosten verursachen, dem Kunden aber sogar einen hohen finanziellen Nutzen bringen.

Entgegen der ursprünglichen Absicht, mit den Zusatzleistungen den Preisdruck zu reduzieren, haben Analysen gezeigt, dass die Zahlungsbereitschaft für die Kernleistung von Kunden mit Zusatzleistungen nicht automatisch höher ist als bei solchen ohne. Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten können es sich Unternehmen jedoch immer weniger erlauben, Ertragspotenziale zu verschenken Dann stel­len sich die Fragen: Einmal gratis, immer gratis? Wie kann es ein Unternehmen schaffen, die bisher gratis angebotene Dienstleistung dem Kunden künftig erfolgreich in Rechnung zu stellen?

Einmal gratis, immer gratis?

Ein Team der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat diese Fragen im Rahmen eines von der KTI geförderten Forschungsprojektes untersucht. Als Beispiel wurde dabei das Werkzeugmanagement-System Tool Care der Firma Fraisa SA aus Bellach, SO, ausgewählt. Tool Care ist ein bei Kundenunternehmen verwaltetes Werkzeug-Konsignationslager, welches den Kunden die Werkzeuge bis zur effektiven Nutzung gratis zur Verfügung stellt und von Fraisa bilanziert wird.

Im Mittelpunkt der Untersuchung standen dabei unter anderem die Fragen, wie das optimale Pricing für Tool Care aussieht und welche internen und externen Massnahmen notwendig und geeignet sind, um die Zahlungsbereitschaft der Kunden zu erhöhen und die bezahlte Dienstleistung tatsächlich erfolgreich auf dem Markt durchzusetzen. Dafür wurde unter anderem auf Basis einer Prozesskostenanalyse der Nutzen der Leistung für die Kundschaft konkret berechnet (www.fraisa.com/toolcare/2.0/de). Zudem wurde im Rahmen einer Onlinebefragung die Zahlungsbereitschaft der Kunden für das Werkzeugmanagementsystem erhoben und durch eine Conjoint-Analyse ermittelt, welche Produkteigenschaften für die Kunden zentral sind.

Zahlungsbereitschaft vorhanden

«Die Kunden wollen dafür nichts bezahlen. Die Konkurrenz bietet etwas Vergleichbares auch gratis an.» Häufig ist es der Verkaufsaussendienst, der besonders starke Vorbehalte dagegen hat, eine zuvor kostenlose Dienstleistung plötzlich kostenpflichtig zu machen. Die Untersuchung der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigt: Wenn Zusatzleistungen wirklich einen Nutzen für die Kunden bringen, dann sind diese auch bereit, dafür zu bezahlen.

So fiel die Zahlungsbereitschaft der befragten Kunden (112 Antwortende) zwar niedriger aus als der von der Fachhochschule Nordwestschweiz berechnete effektive monetäre Nutzen, jedoch war sie deutlich höher, als es die Aussendienstmitarbeitenden in einer vorherigen Erhebung eingeschätzt hatten. Die Kunden waren also tatsächlich bereit, für die bisherige Gratisdienstleistung zu bezahlen.

Erwartungen erfüllen

Deutlich wurde aber auch: Mit der Inrechnungstellung einer bisher gratis angebotenen Dienstleistung steigen die Kundenansprüche. Deshalb gilt: Will ein Unternehmen eine kostenlose Dienstleistung in eine bezahlte Dienstleistung umwandeln, muss diese noch konsequenter an den Nutzenerwartungen der Kunden ausgerichtet werden.

Dies war auch beim Relaunch des ToolCare-Konsignationslagers von Fraisa der Fall. Das Konsignationslager für Werkzeuge wurde zu einem computergestützten, vollautomatischen Werkzeugverwaltungssystem mit einer webgestützten Überwachung von Mindestbeständen und einer automatischen Nachbestel­-lung von Werkzeugen weiterentwickelt. Das Leistungsangebot ist aufgrund der FHNW-Analyse-Ergebnisse nun modular zusammengesetzt. Dazu mussten neue zusätzliche Funktionalitäten entwickelt werden, um den Kundenerwartungen zu entsprechen.

Den Nutzen quantifizieren

Aber wie können Unternehmen es schaffen, für eine Zusatzdienstleistung von den Kunden tatsächlich einen Preis in Rechnung zu stellen? Unbestritten ist, dass eine kundenorientierte Leistungsmodifikation die Preisdurchsetzung sicherlich erleichtert. Zudem ist es auch zentral zu wissen, für welche Teilleistungen die Kunden am ehesten bereit sind zu bezahlen, und hier in der Preisargumentation anzusetzen.

Es lohnt sich, dies die Kunden einmal direkt zu fragen. Oft setzen Kunden nämlich ganz andere Schwerpunkte als die Anbieter selbst. Darüber hinaus gilt es, den monetären Nutzen der Leistung zu quantifizieren und den Kunden konsequent sichtbar zu machen – zum Beispiel, indem man den Wert der «Zusatzdienstleistung» direkt auf der Rechnung ausweist; in einer ersten Phase aber noch 100 Prozent rabattiert.

Knackpunkt Aussendienst

Im Fall von Fraisa hilft zudem eine interaktive Tabletversion der Informationsbroschüre mit integriertem Nutzenkalkulator, mit dem die Mitarbeitenden des Aussendienstes im Verkaufsgespräch zusammen mit ihren Kunden einige wenige zentrale Kennzahlen erheben und auf diese Weise den finanziellen Nutzen im Vergleich zur Konkurrenzlösung berechnen. Auch die Kommunikation auf der Homepage und in den Broschüren wurde konsequent nutzenorientiert gestaltet. Zusatzdienstleistungen müssen wie ein Produkt behandelt werden – sowohl bei der Kommunikation als auch bei der Preisgestaltung. Absolut zentral für die Preisdurchsetzung sind jedoch die Aus­sendienstmitarbeitenden. Nur wenn es intern akzeptiert wird, dass die Gratis-Dienstleistung den Kunden neu in Rechnung gestellt wird, kann die Preisdurchsetzung gelingen. Wichtig ist es, die internen Schlüsselpersonen mit ins Boot zu holen. Im Falle von Fraisa wurden die Mitarbeitenden frühzeitig in den Prozess der Produkt- und Preisgestaltung eingebunden. Es wurden Multiplikatoren identifiziert und spezifisch geschult.

Zentral war zum Beispiel das Training von nutzenorientierten Verkaufsgesprächen und die gemeinsame Erarbeitung von Vorschlägen, wie Aussendienstmitarbeitende den kritischen Einwänden von Kunden erfolgreich begegnen können. Und last but not least schaffte Fraisa auch Verkaufsanreize für den Aussendienst – sowohl eine fixe Honorierung auf individueller Ebene als auch eine Incentivierung auf Teamebene.

Wie gut die Umstellung von der Gratis-Zusatzdienstleistung zur fakturierten Dienstleistung auch vorbereitet sein mag – es wird natürlich Kunden geben, die nicht bereit sind, für die bisherige kostenfrei angebotene Dienstleistung nun zu bezahlen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Preisdurchsetzung ist es jedoch, zu dem Preis zu stehen – sowohl intern als auch extern.

Konsequenz zahlt sich aus

Deswegen heisst es: Konsequent sein und auch mal bereit sein, Kunden zu verlieren, vor allem dann, wenn intern hohe Kosten mit der Erbringung dieser Dienstleistung verbunden sind. Nur so kann es gelingen, sich durch Zusatzdienstleistungen nicht nur von Konkurrenzunternehmen zu differenzieren, sondern mit ihnen auch Ertrag zu erwirtschaften.

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