Forschung & Entwicklung

Generationenwechsel (Teil 1 von 2)

Unternehmensnachfolge: Der Aufbau des Nachfolgers

In den kommenden fünf Jahren steht jedes fünfte Unternehmen vor einem Generationenwechsel. Der Aufbau des Nachfolgers spielt dabei eine zentrale Rolle, wobei diesem Prozess in der Literatur zu wenig Beachtung geschenkt wird. Basierend auf Interviews mit Unter­nehmern enthält der Artikel einige Erkenntnisse dazu.
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In der Schweiz steht in den nächsten fünf Jahren bei jedem fünften KMU eine Unternehmensnachfolge an, was konkret 70000 bis 80000 Unternehmen und mehr als 400000 Arbeitsplätze betrifft (Credit Suisse [a], 2016, S. 5). Dass sich zurzeit viele Unternehmer um ihre Nachfolge kümmern müssen, hat unter anderem demografische und auch regulatorische Gründe. Die ältesten Altersklassen der Babyboomer-Generation erreichen derzeit das Pensionsalter, was eine hohe Übergabequote erklärt. Des Weiteren sorgte die Erbschaftssteuerinitiative für Aufregung, was viele Unternehmer da­zu bewogen hatte, sich bereits frühzeitig mit der Eigentumsübergabe zu beschäftigen (Credit Suisse [b], 2013, S. 19).

Fünf Phasen im Aufbauprozess

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, dass die Erfolgsquote bei Unternehmensnachfolgen möglichst hoch ist, weil Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Steuersubstrat auf dem Spiel stehen. Es ist daher von grosser Bedeutung, sich
als Unternehmer frühzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ein wichtiger Schritt beim ganzen Nachfolgeprozess bezieht sich auf den Aufbau des Nachfolgers. Obwohl es unterdessen eine relativ ansehnliche Literatur zum Thema Unternehmensnachfolge gibt, wird dem Aspekt vom Aufbau des Nachfolgers in der bestehenden Literatur sehr wenig Bedeutung beigemessen. Die Mehrzahl der Publikationen zum Thema Nachfolge fokussiert auf die rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Dimensionen, welche zweifellos auch sehr wichtig sind. Jedoch befassen sich immer noch zu wenig Publikationen mit den emotionalen Aspekten des Nachfolgeprozesses im Allgemeinen und mit dem Aufbau des Nachfolgers im Speziellen. Dieser Artikel stellt den Prozess des Aufbaus des Nachfolgers in den Mittelpunkt, wobei von den fünf folgenden Phasen ausgegangen wird:

  • Suche des Nachfolgers,
  • Auswahl des Nachfolgers,
  • Einführung des Nachfolgers,
  • Aufbau des Nachfolgers sowie
  • die Übergabe des Unternehmens an den Nachfolger.

Wenn nicht anders vermerkt, basieren die Ausführungen im Artikel auf Interviews mit Unternehmern im Nachfolgeprozess, welche im Rahmen der Bachelorarbeit von Chantal Füchslin an der Hochschule Luzern – Wirtschaft durchgeführt und analysiert wurden (Füchslin, 2016).

Die Vorbereitung

Bevor sich ein Unternehmer mit dem ganzen Übergabeprozess befassen kann, muss er bereit dazu sein, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Dies stellt nicht für alle eine Selbstverständlichkeit dar, und ein entsprechender Sensibilisierungs- und Vorbereitungs­­pro­zesses kann längere Zeit in Anspruch nehmen. Gemäss den Interviews mit Unternehmern stehen im Rahmen dieses Prozesses zum Beispiel
folgende Fragen im Raum:

  • Habe ich Freude daran, wenn ein Nachfolger an meinem Platz sein wird?
  • Bin ich persönlich so weit, dass ich mich vom Geschäft loslösen kann?
  • Werde ich Fehler meines Nachfolgers akzeptieren können?
  • Kann das Unternehmen auch im zukünftigen Markt weiter bestehen?
  • Wie viel muss ein potenzieller Nachfolger finanziell aufwenden, um die Firma übernehmen zu können?
  • Bin ich allenfalls dazu bereit, einen Teil des Unternehmens zu verschenken, falls der Nachfolger mangels finanzieller Möglichkeiten die Übernahme nicht tätigen könnte?
  • Ist beim Nachfolger die Fähigkeit und der Wille vorhanden, das Geschäft selbst zu führen und ständig dran zu sein?
  • Was habe ich noch für Ziele im Leben und wie möchte ich meinen Lebensabend gestalten?
  • Kann ich mit 65 Jahren aufhören zu arbeiten, oder braucht mich das Geschäft noch etwas länger?

Während des gesamten Prozesses der Unter­nehmensnachfolge werden solche und weitere Fragen auftauchen. Wichtig dabei ist, dass sich der Übergeber die Zeit nimmt, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und möglichst eine ehrliche Antwort darauf zu finden, was auch aufgrund der hohen emotionalen Komponente nicht immer einfach erscheint. In der Folge wird der gesamte Übergabeprozess anhand der einzelnen Schritte von der Suche, über die Auswahl, zur Einführung, bis zum Aufbau des Nachfolgers und schliesslich die Übergabe des Unternehmens beschrieben, und es werden für jeden Schritt einige Handlungsempfehlungen für eine optimale Gestaltung der entsprechenden Prozessphase gemäss Abbildung genannt.

Die Definition dieser Phasen sowie die entsprechenden Ausführungen basieren hauptsächlich auf aktuellen Interviews mit Unternehmern im Übergabeprozess beziehungsweise mit Unternehmern, welche ihr Unternehmen bereits erfolgreich übergeben haben und in Füchslin (2016) dokumentiert sind. Weiter wurden auch Erkenntnisse aus der einschlägigen Literatur zum Thema miteinbezogen. Entsprechend sind die folgenden Ausführungen nicht als repräsentativ zu betrachten, sondern sie erbringen vielmehr empirische Evidenz zu oft genannten Umständen und Rahmenbedingungen.

Die Suche

Vor der eigentlichen Suche des Nachfolgers gibt es gemäss dem St. Galler Nachfolge-Modell zwei vorgelagerte Phasen, nämlich die Vorgeschichte und die Vorbereitung. Bei der Vorgeschichte geht es darum, herauszufinden, welche Tradi­tionen, Routinen und Geschichten das Unternehmen geprägt haben und eventuell die Entscheidungsfindungsprozes­se heute noch beeinflussen. Die Vorbe­­rei­tungsphase beginnt dann, wenn der Übergeber den Wunsch zur Veränderung aktiv verfolgt. Er muss bereit sein und die Notwendigkeit erkennen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Es ist wichtig, dass der Übergeber mit seiner Familie darüber spricht (Halter & Schröder, 2011, S. 129). Die Wichtigkeit eines Einbezuges der Familie wird auch durch Interviews mit Unternehmern im Nachfolgeprozess bestätigt.

Bei familieninternen Nachfolgen ist wichtig, dass alle Familienmitglieder berücksichtigt werden, da viele Beispiele gezeigt haben, dass gewisse Kinder wider Erwarten einen sehr guten Nachfolger abgegeben haben. Ist dies nicht der Fall, wird eine externe Nachfolgelösung angestrebt, wobei immer verschiedene Szenarien entwickelt werden sollten, da eine gewählte Lösung bis zum Vollzug nicht immer die geeignetste sein kann (Halter & Schröder, 2011, S. 130).

Was sind nun die zentralen Erfolgsfaktoren bei der eigentlichen Suche eines Nachfolgers? Aus den Interviews mit Unternehmern im Nachfolgeprozess stehen folgende Aspekte im Zentrum: Es sollte zuerst in der Familie, dann bei den Mitarbeitenden oder Partnern und erst dann bei anderen Unternehmen gesucht werden. Weiter spielt der Mensch selbst eine zentrale Rolle. Viel wichtiger als der Verkaufspreis ist eine Sympathie, welche zwischen dem Übergeber und dem Nachfolger bestehen muss, damit auch die Geschäftsphilosophie einen Fortbestand hat. Weiter sollte man sich bereits mit 50 Jahren darüber bewusst sein, dass die Übergabe irgendwann einmal stattfinden wird und in welche Richtung diese gehen könnte. Auf der Suche nach einer Person mit ganz spezifischen Eigenschaften, was bei vielen Nachfolgeregelungen der Fall sein kann, macht es durchaus Sinn, einen Headhunter zu engagieren.

Weiter sollte der Nachfolger gemäss den Interviewpartnern über die folgenden Eigenschaften beziehungsweise Kompetenzen verfügen: Ehrgeiz, Freude am Beruf, Menschlichkeit, Führungskompetenz, guter Umgang mit den Kunden und dem Personal, eine hohe fachliche Kompetenz und Teamfähigkeit. Im Vordergrund steht das Menschliche, insbesondere in den Kleinbetrieben. Solange man einen guten Umgang mit den Angestellten pflegt und über genügend Empathie verfügt, ist schon viel Führungsarbeit getan. Schliesslich wird im Zusammenhang mit der hohen zeitlichen und emotionalen Belastung für den Unternehmer auch die Wichtigkeit eines gut funktionierenden familiären Umfeldes des Nachfolgers erwähnt. Zusammenfassend können folgende Faktoren genannt werden, welche beim Prozessschritt der Suche des Nachfolgers zu einer erfolgreichen Übergabe führen:

  • Frühzeitig mit der Suche beginnen.
  • Der Nachfolger und der Übergeber sollten über ähnliche Wertvorstellungen und Ziele verfügen.
  • Es kann sich lohnen, einen Headhunter einzusetzen.
  • Der Nachfolger muss über eine hohe Fachkompetenz und über genügend Empathie verfügen, Freude an der Ausübung seiner künftigen Tätigkeit ha-
  • ben und er muss eine hohe Arbeitsbelastung in Kauf nehmen.

Die Auswahl

Der Auswahlprozess des eigentlichen Nachfolgers hängt häufig von der konkreten Situation und vom Bauchgefühl des Übergebers gegenüber einem potenziellen Nachfolger ab und davon, ob sie über gemeinsame Wertvorstellungen verfügen. Sofern alle anderen Bedingungen erfüllt sind, fällt bei einer externen Nachfolge die Wahl weiter auf jene Person, welcher das Wohl der Mitarbeitenden wichtig ist, und auch der Verkaufspreis spielt eine Rolle. Bei Mikro- und Kleinunternehmen entscheidet der Übergeber meist selbstständig oder mit Einbezug der wichtigsten Mitarbeitenden, wer die Nachfolge antreten darf. Bei mittleren Unternehmen werden in der Regel der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung in den Entscheid involviert, da es sich um eine strategische Entscheidung handelt. Somit muss der Nachfolger nicht nur den eigentlichen Übergeber überzeugen, sondern auch weitere Gremien im Unternehmen (Credit Suisse [b], 2013, S. 31).

Für die Auswahl des Nachfolgers sollten alle erforderlichen Kriterien möglichst gut erfüllt sein. Dabei muss sich der Übergeber auch im Klaren darüber sein, welches die zentralen Kriterien sind. Auch wenn der Nachfolger bereits feststeht, erscheint das Vorhandensein eines Plans B als sinnvoll. Denn es passiert immer wieder, dass sich ein designierter Nachfolger zurückzieht. Für die ausgewählte Person, welche die Nachfolge antreten möchte, empfiehlt sich schliesslich die Durchführung einer Due Diligence.

Zusammenfassend können folgende Faktoren genannt werden, die beim Prozessschritt der Auswahl des Nachfolgers zu einer erfolgreichen Übergabe führen:

  • Es sollten alle als zentral betrachteten Kriterien der Auswahl möglichst gut erfüllt sein.
  • Beim Wechsel verfügen der Übergeber sowie der Nachfolger idealerweise über gemeinsame Vorstellungen bezüglich der Werte.
  • Es ist sinnvoll, auch den Verwaltungsrat in den Entscheid zu involvieren.
  • Nach Möglichkeit sollte eine Due Diligence durchgeführt werden.

Der zweite Teil (Nr. 9/2017) behandelt die Phasen Einführung, Aufbau und Übergabe.

Porträt