Schon wieder am Tratschen? Ein misstrauischer Blick des Chefs streift zwei Mitarbeitende, die sich auf der Treppe unterhalten. Sie bemerken es, beenden hastig ihr Gespräch und kehren an ihren Arbeitsplatz zurück. Schade – vielleicht hat der Vorgesetzte damit ungewollt eine Idee abgewürgt, die sein Unternehmen weiterbrächte.
Informelle Gespräche
Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass gerade bei informellen Gesprächen Lösungen entstehen, auf die man sonst nie käme. «Gut vernetzte Mitarbeitende erfahren am schnellsten, wer im Unternehmen was weiss und kann», sagt Dr. Annina Coradi, Projektleiterin Workspace Solution bei Witzig The Office Company. Ihnen sei dadurch gleich klar, wen sie auf der Suche nach einer Lösung fragen müssen – und zwar auch jenseits der eigenen Abteilung. Solche Teams sind erwiesenermassen innovativer und dadurch erfolgreicher.
Gerade KMU-Leiter dürfte interessieren, wie Mitarbeitende ihre Beziehungen nutzen können, um ein Unternehmen innovativer zu machen. «KMU sind in ihrem Markt lokal meist sehr gut vernetzt und es gewohnt, Kontakte zu Kunden oder Partnern zu knüpfen», sagt Coradi. Können kleine und mittelgrosse Unternehmen ihr Talent zum Networking auch intern gezielter nutzen, verschafft ihnen das entscheidende Marktvorteile gegenüber den grossen Playern.
Spontaneität wird wichtiger
Was aber muss ein KMU tun, damit «Pausengespräche» produktiv werden? Soll der CEO einfach ein Auge zudrücken, wenn er Mitarbeitende beim Plaudern erwischt? Das reicht natürlich nicht – und doch geht es in die Richtung. Es ist durchaus sinnvoll, das «Plauderstündchen» zuzulassen, denn es hat inzwischen Seltenheitswert: Weil wir überall und jederzeit arbeiten können, halten wir uns weniger oft im Büro auf. Spontane Gespräche mit Arbeitskollegen sind deshalb rar geworden. Gleichzeitig werden sie wichtiger: Sie tragen dazu bei, dass Mitarbeitende zusammenhalten und einander vertrauen. Dank ihnen fliesst Wissen, auch über die Abteilungsgrenzen hinaus, und nicht zuletzt helfen sie dabei, dass neue Ideen entstehen.
Ein «Plauderstündchen» ist in Zeiten mobiler Kommunikation also keineswegs verlorene Arbeitszeit. Seit wir unabhängig von Raum und Zeit arbeiten können, hat es den «Adelstitel» verdient. Das Bü-ro kommt in diesem Zusammenhang zu neuen Ehren. «Je flexibler die Mitarbeitenden sind, desto wichtiger wird ein Gegenpol», erklärt Coradi, die den Arbeitsplatz der Zukunft zum Thema ihrer Dissertation gemacht hat. Das Büro wird zum Herz eines Unternehmens, und zwar in mehrerer Hinsicht: Hier pflegen die Mitarbeitenden Beziehungen und fühlen sich aufgehoben, hier erleben sie die Firmenkultur und können sich damit identifizieren. Und nicht zuletzt dient das Büro als Umschlagplatz der Ideen.
Damit dies klappt, sind Teamleiter aufgerufen, mehr zu tun, als spontane Gespräche zu tolerieren. Um Identifikation und Kreativität zu fördern, sollten sie bewusst anregen, dass Mitarbeitende miteinander interagieren. Zum Beispiel, indem sie verschiedene Konstellationen ausprobieren: Teams, die sich je nach Projekt anders zusammensetzen, finden meist die besseren Ideen als die immer gleichen Gruppierungen. Zieht man dabei auch Mitarbeitende anderer Abteilungen hinzu, stehen die Chancen noch besser, aus alten Denkmustern ausbrechen zu können. Und weil Einfälle selten im stillen Kämmerlein kommen, sollten Führungskräfte ihr Team regelmässig zusammentrommeln, damit es sich austauschen kann (siehe Box).