Forschung & Entwicklung

Büro der Zukunft (Teil 2 von 3)

Umschlagplätze für Ideen entwickeln

Kontakte zu pflegen ist im Büro der Zukunft nicht nur ein Wohlfühlfaktor, sondern treibt auch Innovation voran. Weil die besten Ideen im spontanen Dialog entstehen, sollten KMU vermeintliche Nebenschauplätze im Büro besonders beachten.
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Schon wieder am Tratschen? Ein misstrauischer Blick des Chefs streift zwei Mitarbeitende, die sich auf der Treppe unterhalten. Sie bemerken es, beenden hastig ihr Gespräch und kehren an ihren Arbeitsplatz zurück. Schade – vielleicht hat der Vorgesetzte damit ungewollt eine Idee abgewürgt, die sein Unternehmen weiterbrächte.

Informelle Gespräche

Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass gerade bei informellen Gesprächen Lösungen entstehen, auf die man sonst nie käme. «Gut vernetzte Mitarbeitende erfahren am schnellsten, wer im Unternehmen was weiss und kann», sagt Dr. Annina Coradi, Projektleiterin Workspace Solution bei Witzig The Office Company. Ihnen sei dadurch gleich klar, wen sie auf der Suche nach einer Lösung fragen müssen – und zwar auch jenseits der eigenen Abteilung. Solche Teams sind erwiesenermassen innovativer und dadurch erfolgreicher.

Gerade KMU-Leiter dürfte interessieren, wie Mitarbeitende ihre Beziehungen nutzen können, um ein Unternehmen innovativer zu machen. «KMU sind in ihrem Markt lokal meist sehr gut vernetzt und es gewohnt, Kontakte zu Kunden oder Partnern zu knüpfen», sagt Coradi. Können kleine und mittelgrosse Unternehmen ihr Talent zum Networking auch intern gezielter nutzen, verschafft ihnen das entscheidende Marktvorteile gegenüber den grossen Playern.

Spontaneität wird wichtiger

Was aber muss ein KMU tun, damit «Pausengespräche» produktiv werden? Soll  der CEO einfach ein Auge zudrücken, wenn er Mitarbeitende beim Plaudern erwischt? Das reicht natürlich nicht – und doch geht es in die Richtung. Es ist durchaus sinnvoll, das «Plauderstündchen» zuzulassen, denn es hat inzwischen Seltenheitswert: Weil wir überall und jederzeit arbeiten können, halten wir uns weniger oft im Büro auf. Spontane Gespräche mit Arbeitskollegen sind deshalb rar geworden. Gleichzeitig werden sie wichtiger: Sie tragen dazu bei, dass Mitarbeitende zusammenhalten und einander vertrauen. Dank ihnen fliesst Wissen, auch über die Abteilungsgrenzen hinaus, und nicht zuletzt helfen sie dabei, dass neue Ideen entstehen.

Ein «Plauderstündchen» ist in Zeiten mobiler Kommunikation also keineswegs verlorene Arbeitszeit. Seit wir unabhängig von Raum und Zeit arbeiten können, hat es den «Adelstitel» verdient. Das Bü-ro kommt in diesem Zusammenhang zu neuen Ehren. «Je flexibler die Mitarbeitenden sind, desto wichtiger wird ein Gegenpol», erklärt Coradi, die den Arbeitsplatz der Zukunft zum Thema ihrer Dissertation gemacht hat. Das Büro wird zum Herz eines Unternehmens, und zwar in mehrerer Hinsicht: Hier pflegen die Mitarbeitenden Beziehungen und fühlen sich aufgehoben, hier erleben sie die Firmenkultur und können sich damit identifizieren. Und nicht zuletzt dient das Büro als Umschlagplatz der Ideen.

Damit dies klappt, sind Teamleiter aufgerufen, mehr zu tun, als spontane Gespräche zu tolerieren. Um Identifikation und Kreativität zu fördern, sollten sie bewusst anregen, dass Mitarbeitende miteinander interagieren. Zum Beispiel, indem sie verschiedene Konstellationen ausprobieren: Teams, die sich je nach Projekt anders zusammensetzen, finden meist die besseren Ideen als die immer gleichen Gruppierungen. Zieht man dabei auch Mitarbeitende anderer Abteilungen hinzu, stehen die Chancen noch besser, aus alten Denkmustern ausbrechen zu können. Und weil Einfälle selten im stillen Kämmerlein kommen, sollten Führungskräfte ihr Team regelmässig zusammentrommeln, damit es sich austauschen kann (siehe Box).

Fantasie-Räume

Ein Führungsstil, der Innovation fördert, ist schon die halbe Miete. Treffpunkte zu schaffen – um einen Aspekt davon zu nennen – ist aber nicht nur eine Frage der Organisation, sondern vor allem eine räumliche. Im Büro der Zukunft kommen deshalb Flächen zu neuem Ansehen, die man bisher wenig beachtet hat: zum Beispiel Korridore, Druckerräume, Treppen oder Wartezonen. Sie alle können dazu beitragen, ein innovationsförderndes Klima zu schaffen – wenn man sie geschickt einrichtet und nutzt. Inspirierende Gespräche ergeben sich schliesslich nicht nur dort, wo man sie vorsieht, sondern oftmals, wenn sich Mitarbeitende zufällig über den Weg laufen.

Spontane Interaktionen können dort entstehen, wo man sich mit Büromaterial versorgt oder bei einem zentralen Drucker. Strategisch günstig aufgestellt wird er zum Treffpunkt, an dem sich alle im Laufe des Tages einmal begegnen – unabhängig von Hierarchiestufe und Abteilung. Ein anderes Beispiel: Treppen. Sie sind spannend, weil sie gemäss Coradi dazu beitragen, dass Wissen nicht nur in ein und derselben Etage fliesst, sondern auch von einer zur anderen. Wer die Chance hat, ein Gebäude umzubauen oder neu zu bauen, tut gut daran, Treppen grosszügig anzulegen und in der Gebäudemitte zu platzieren.

Selten grösser als eine Liftkabine und genauso gemütlich fristet die Kaffee-Ecke in vielen Unternehmen ein Mauerblümchendasein – zu Unrecht, wie Thomas Breitschmid findet. Der Leiter Workspace Solutions bei Witzig The Office Compa-ny empfiehlt, ihr gebührend Platz einzuräumen und sie aufzuwerten. So dient sie nicht nur zum Pause machen, sondern auch als offene Kommunikationszone und wird den ganzen Tag über genutzt. Als Mittelpunkt empfiehlt der Spezialist für Büroeinrichtungen einen langen Stehtisch mit Barcharakter. So kommen auch Mitarbeitende miteinander ins Gespräch, die sich noch nicht gut kennen. Und mehrere Kleingruppen können sich unterhalten, ohne einander zu stören.

Flexible Möbel

Dass Tisch nicht gleich Tisch ist, gilt auch für Räume, die geplanten Treffen gewidmet sind. Der massive Sitzungstisch taugt zwar für repräsentative Zwecke, lässt sich aber nicht oder nur schwer bewegen – keine gute Voraussetzungen, um Platz für frische Ideen zu schaffen. Flexible Mö­bel, die sich leicht verschieben und unterschiedlich nutzen lassen, passen da besser. So ausgestattet lässt sich ein Raum vielseitig nutzen und damit besser auslasten. Ein Beispiel: Breitschmid setzt bei Kunden gerne klappbare Tische ein, die man nach Bedarf zu kleinen und gros­sen Einheiten zusammenschieben kann. Sie eignen sich für eine grössere Besprechungsrunde ebenso wie für Gespräche zu zweit oder zu dritt. Werden sie nicht mehr benötigt, können sie mit wenigen Handgriffen weggeräumt werden. Das ist eine nützliche Eigenschaft, um Platz zu schaffen, zum Beispiel für Workshops, und um Dynamik ins Team zu bringen: Wenn Leute stehen und sich bewegen, bringt das ihre Gedanken in Fluss.

Räume so zu gestalten, dass sie Innovation begünstigen, muss nicht teuer sein: «Schon ab etwa 10 000 Franken lässt sich etwas erreichen», sagt Breitschmid. Er empfiehlt, schrittweise vorzugehen und zunächst mit einer Pilotfläche Erfahrungen zu sammeln. Sie lässt sich mit wenig Aufwand realisieren. Es genügt, ungenutzte Aktenschränke oder überzählige Pulte wegzuräumen, und schon gibt es Platz für eine Kommunikationszone, zum Beispiel in einem grösseren Teambüro.

Diese müsse nicht gross sein, doch sei es wichtig, dass sie einladend wirke, meint der Fachmann für Büroarchitektur. Eine Wand in einer Farbe zu streichen, die mit den Büromöbeln kontrastiert, kann die Stimmung schon völlig verändern. Studien zufolge regen vor allem Blau und Grün die Kreativität an. Auch hier gilt aber, das richtige Mass zu finden. Dezente Töne bringen Frische, ohne zu stark abzulenken. Eine kostengünstige und trendige Option sind Tapeten mit real wirkenden Bildmotiven, zum Beispiel eine Bibliothek. Um die Kommunikationszone ins rechte Licht zu rücken, setzt Breitschmid gerne Stehleuchten oder auch Dekoleuchten ein – Hauptsache, sie sind anders als diejenigen für Einzelarbeitsplätze. Spontane Gespräche brauchen Raum – und Räume. Mit diesem Wissen dürfte der CEO anders reagieren, wenn er zwei seiner Mitarbeitenden im Gespräch antrifft.

Total digital und voller Optionen – so sieht die Arbeitswelt von morgen aus. Die Mitarbeitenden der Mobiliar in Bern sind in diese Zukunft aufgebrochen. Der dritte Teil in der nächsten Ausgabe des «KMU-Magazin» beschreibt, welche Herausforderungen der Change Prozess mit sich bringt.

Porträt