Forschung & Entwicklung

Geschäftsmodelle

Solutions im B2B-Geschäft erfolgreich umsetzen

Das im B2B-Geschäft lange vorherrschende Geschäftsmodell der produktbegleitenden Dienstleistungen gerät zunehmend unter Druck. Deshalb versuchen viele Unternehmen den Wandel zum Lösungsanbieter zu vollziehen. Welche Voraussetzungen dafür auf Lieferanten- sowie Kundenseite erforderlich sind und wie diese erfüllt werden können, zeigt dieser Beitrag.
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Produkte mit Dienstleistungen anzureichern, galt im B2B-Geschäft jahrelang als das Gebot der Stunde, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Viele Schweizer Produktionsunternehmen, die auf den Verkauf physischer Produkte fokussiert waren, haben ihr Produktprogramm um Dienstleistungen erweitert, sodass auf Letztere oftmals 30 bis 50 Prozent des Gesamtumsatzes entfallen.

Herausforderungen

Weniger günstig zeigt sich indes die Ertragssituation. Die Vielzahl dargebotener Dienstleistungen erhöht die Komplexität, wodurch die Kosten steigen und die durchschnittlichen Margen sinken. Nicht selten ist die Preisbereitschaft der Kunden bei produktbegleitenden Dienstleistungen gering, weil sie diese als «Basisleistungen» betrachten. Dies stellt Schweizer Produktionsunternehmen vor massive Herausforderungen. Das bisherige Geschäftsmodell gerät zunehmend unter Druck. Zudem verlangen Kunden immer öfter individuelle Lösungen.

Im B2B-Geschäft gewinnen deshalb neue Ansätze an Bedeutung. So schätzen Führungskräfte international die Bedeutung von massgeschneiderten Angebotsinnovationen als zunehmend ein und auch in der Wissenschaft stossen sogenannte «Business Solutions», wie die integrierten Lösungen, die aus Produkt-Service-Bündeln bestehen und in die Kundenprozesse eingebettet sind, zunehmend auf Interes­se. Die Philosophie der Business Solution bedeutet eine Abkehr von der inflationären Anreicherung klassischer Produkte durch zahlreiche Dienstleistungen. Vielmehr werden gemeinsam mit den Kunden innovative Wertschöpfungsprozesse realisiert, welche zu einer Differenzierung führen und es dem Lieferanten ermöglichen, Margen zu halten oder zu steigern sowie die Kundennähe zu erhöhen.

So weit die Theorie. Die Praxis zeigt, dass der Weg zum Solution-Anbieter steinig ist. Gemäss Untersuchungen liegt die Fehlschlagrate bei 25 bis 75 Prozent. Häufig treten Unternehmen mit nicht ausgereiften Solution-Konzepten auf den Markt. Dies hat zur Folge, dass sie zunächst eine Wertminderung in Kauf nehmen müssen, bis die Strategie greift und sie den Wandel zum erfolgreichen Solution Provider vollziehen. Welche Faktoren bestimmen, ob und wie weit ein Lieferant auf dem Weg zum Solution-Anbieter ist? Und welche Ansätze gibt es, um die «Solution Readiness» zu erhöhen, also den Wandel zum erfolgreichen Solution-Anbieter zu unterstützen? Diese beiden Fragestellungen standen im Mittelpunkt des von der KTI geförderten Forschungsprojekts der Hochschule Luzern (in Kooperation mit dem IMD Lausanne sowie der Cranfield University) mit vier Schweizer Unternehmen.

Die «Solution Readiness»

Basierend auf Interviews mit Lieferanten und Kunden aller Hierarchieebenen und Funktionen wurden vier Erfolgsfelder für Business Solutions ermittelt, sogenannte «Solution-Readiness-Dimensionen», die sich thesenartig folgendermassen zusammenfassen lassen:

  • Offering Readiness: Business Solutions bedingen enge Prozessabstimmungen zwischen den Partnern.
  • Contract Readiness: Business Solutions setzen die faire Verteilung von Kosten, Wertvorteilen und Risiken voraus.
  • Customer Readiness: Nicht alle Personen sind geeignete Solution-Kunden.
  • Supplier Readiness: Chancen von Business Solutions nutzen, heisst Akzeptanz bei den Mitarbeitern schaffen.

Um Unternehmen eine Selbsteinschätzung zu erlauben, wurde ein Solution Readiness Benchmark entwickelt (www.solu-tion-readiness.ch), der den «Status quo» in Bezug auf die vier oben genannten Readiness-Dimensionen aufzeigt. Wenn alle Ampeln auf Grün stehen, ist die Solution Readiness bestätigt und es besteht kein Handlungsbedarf. In den Bereichen, in denen die Selbsteinschätzung zu einer gelben oder roten Ampel führt, besteht Verbesserungsbedarf. Wichtig ist, dass sich die vier Erfolgsfelder nicht gegenseitig kompensieren lassen und unterschiedliche Profile zu einem unterschiedlichen Handlungsbedarf führen. So deutet der Status quo bei Lieferant A (siehe Abb. 1) darauf hin, dass eine «Inside-out»-So­lution vorliegt, dies heisst, dass die Planungsüberlegungen zuerst an den eigenen Zielen ansetzen und erst in zweiter Linie die Anpassungserfordernisse der Umwelt betrachtet werden.

Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass der Lieferant den Kunden nicht ausreichend in die Entwicklung einbezogen hat oder der Kunde noch nicht bereit für die Business Solution ist. Zwar sind die internen Voraussetzungen beim Lieferanten für eine Solution gegeben (Offering Readiness sowie Supplier Readiness sind auf Grün), jedoch sind die geeigneten Kunden für die Solution noch nicht vorhanden und auch Defizite bei der Contract Readiness sind auszumachen. Bei Lieferant B hingegen kann von einer Solution-Beziehung mit Vertrauensdefizit ausgegangen werden, da der Kunde nicht in die Fähigkeit des Lieferanten vertraut, sein Wertversprechen dauerhaft realisieren zu können, während alle anderen Readiness-Dimensionen erfüllt sind.

Ansätze zur Verbesserung

Stellen Unternehmen in der Selbsteinschätzung fest, dass nicht alle Erfolgsfelder für eine erfolgreiche Solution auf Grün stehen, so liefert die im Forschungsprojekt entwickelte Toolbox entsprechenden Unterstützungsbedarf. Liegen bei der Offering Readiness Defizite vor, dann deutet dies darauf hin, dass es beim Konzept des gemeinsamen Solution-Prozesses noch Defizite gibt. Im ersten Schritt sollte deshalb genau beschrieben werden, welche(r) Prozess(e) durch die Solution verbessert werden soll(en). Exemplarisch können das C-Teile-Management oder das Fleet-Management genannt werden. Daraus ist in einem zweiten Schritt der Veränderungsbedarf in der Geschäftsbeziehung abzuleiten. Dieser kann sich auf die Festlegung von Arbeitsabläufen beziehen, wie etwa der Bestimmung einer bedarfsgerechten Vorkonfiguration oder auf die Anpassung an die zeitlichen Abläufe beim Kunden.

Ebenfalls beachtet werden sollten Veränderungen, die sich bei den Schnittstellen/Funktionen ergeben, sowie der Austausch von Know-how (zum Beispiel Normen, Standards, die einzuhalten sind). Im dritten Schritt gilt es den angestrebten Kundenvorteil zu formulieren (zum Beispiel Zeitvorteil, Kostenvorsprung, Prozess­zuverlässigkeit, Produktinnovationsvorsprung) und daraus konkrete Ziele für die Solution-Beziehung abzuleiten.

Alternative Strategien

Bei der Contract Readiness steht die faire Verteilung der Kosten, Lasten und Wertvorteile im Vordergrund, die durch die Business Solution entstehen. Zunächst sind diese – wie in Abbildung 2 aufgezeigt – für den Solution-Lieferanten und den Kunden transparent zu machen. Falls die Balance bei Kosten, Lasten und Wertvorteilen nicht gegeben ist, bieten sich situationsspezifisch unterschiedliche Strategien an. Eine Paketstrategie, die den Preis sowie den Leistungsumfang für einen definierten Zeitraum vertraglich festlegt, kann sich positiv auf die Risiken- und Lastensituation beider Parteien auswirken. Wünscht der Kunde eine höhere Kostentransparenz, dann kann eine Flex-Strategie erfolgreich sein, da alle Einzelleistungen getrennt verrechnet werden.

Überzeugungsarbeit leisten

Bei der Customer Readiness und der Supplier Readiness geht es darum, alle involvierten Personen von der Win-win-Situation der Business Solution zu überzeugen. Zunächst sind auf Kundenseite die Rollen der Käufer, Zahler und Nutzer der Solution zu identifizieren. Investiert ein Unternehmen in neue PCs, dann übernimmt der IT-Chef die Rolle des Käufers, indem er über die anzuschaffenden Modelle entscheidet, der Zahler ist der Finanzchef und die Nutzer sind die Mitarbeitenden, die mit den PCs arbeiten. Sind die unterschiedlichen Rollen im Kundenunternehmen identifiziert, so gilt es diese auf einem Kontinuum, das von «pro Solution» bis «kontra Solution» reicht, zu positionieren. Anschliessend werden auf diesem Kontinuum auch auf Lieferantenseite Solution-Befürworter und -Skeptiker identifiziert und positioniert.

Betroffene früh einbinden

Je nach Position sind dann individuelle Strategieansätze zu wählen, um auf die konkreten Anliegen eingehen zu können und Skeptiker zu Mitstreitern zu machen. Falls die Solution-Vorteile nicht erkannt werden, kann die Strategie «aus der Komfortzone holen» Erfolg versprechend sein, um das Bewusstsein für notwendige Veränderungen zu schaffen. Eine Möglichkeit hierfür bietet der Einsatz von Testimonials von begeisterten Kunden (Lead-Usern). Personen auf der Kundenseite wie auch auf der Lieferantenseite mögen der Solution skeptisch gegenüberstehen, weil sie sich nicht ausreichend kompetent fühlen. In diesem Falle gilt es die Mitarbeitenden oder Abteilungen beim Aufbau der individuellen/funktionalen Solution-Kompetenz zu unterstützen.

Ein Wandel zum erfolgreichen Solution-Anbieter bedeutet daher deutlich mehr als nur eine Veränderung im Verkauf und in der Vermarktung von Produkten sowie Dienstleistungen. Vielmehr sind interne Strukturen, Prozesse und vor allem die Philosophie im Sinne einer «Co-creation» anzupassen.

Diese erfordert, dass die betroffenen Personen auf beiden Seiten, Lieferanten- und Kundenseite, frühzeitig in den Entwicklungsprozess der gemeinsamen Business Solution eingebunden werden. Weiterhin sind die vier Readiness-Dimensionen gleichzeitig zu erfüllen, denn sie können nicht gegenseitig kompensiert werden. Ist nur eine Dimension nicht ausreichend erfüllt, dann wird sich langfristig keine Win-win-Situation einstellen. Diese ist jedoch unabdingbar für eine profitable und dauerhafte Business Solution.

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