Forschung & Entwicklung

Wirtschaftsausblick

Schwierige Aussichten für Schweizer KMU

Das wirtschaftliche Umfeld bleibt für Schweizer Unternehmen herausfordernd. Nicht nur hinterlassen diverse Krisen allmählich Spuren, auch die weltwirtschaftliche Abkühlung setzt sich im kommenden Jahr fort.
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So wirklich beunruhigt zeigte sich der Schweizer Wirtschaftsplatz 2023 nicht. Die Wirtschaftsdaten lieferten in diesem Jahr zwar wenig Grund für Optimismus, doch mit Blick in die Zukunft vertrauen viele Unternehmen auf ihr Geschäfts­modell. Dies hat die Mittelstandstudie 2023 – eine Umfrage, die Raiffeisen gemeinsam mit Swiss Export, Kearney und der Angst+Pfister AG bei über 400 kleinen und mittelgrossen Unternehmen durchgeführt hat – gezeigt. 

Die Pandemie, die Ablehnung des Rahmenabkommens mit der EU, Negativzinsen, der Krieg in der Ukraine, Turbulenzen an den Energiemärkten oder auch der Fachkräftemangel – nichts konnte während den vergangenen Jahren den grundsätzlichen Optimismus der meisten Unternehmen in der Schweiz ins Wanken bringen.

Die aufeinanderfolgenden Krisen haben aber ihre Spuren hinterlassen und ins­besondere aufgrund eines sich eintrü­benden weltwirtschaftlichen Umfelds ist die Schweizer Wirtschaft gesamthaft in diesem Jahr, verglichen mit früheren Jahren, nur unterdurchschnittlich gewachsen. Die Aussichten trüben sich unweig­erlich ein.

2023: Ausgebremste Wirtschaft

Die Weltwirtschaft hat 2023 aufgrund der hohen Inflation und der gestiegenen Zinsen deutlich an Fahrt verloren. Insbesondere die in den Jahren zuvor grosse Warennachfrage hat nachgelassen, womit sich die Lieferengpässe im globalen Handel weitgehend aufgelöst haben. Als Folge davon hat sich der Güterpreisdruck deutlich abgeschwächt. In weiten Teilen der Welt hält die hohe Belastung der Lebenshaltungskosten weiter an. 

Die Teuerung bei den Dienstleistungen hat sich als hartnäckig erwiesen und so bleiben die in den vergangenen Jahren aufgelaufenen Kaufkraftverluste nach wie vor beträchtlich. Die Konsumneigung dürfte deshalb auch im kommenden Jahr vielerorts gedämpft ausfallen, nicht zuletzt, weil die Ersparnisse aus der Pandemiezeit langsam aufgebraucht sind.  

Die hohen Zinsen bleiben ebenfalls ein grosser Bremsfaktor. Wegen der hartnäckig hohen Inflation planen die Notenbanken für das kommende Jahr noch keine wesentliche Lockerung der Geld­politik. Die bisherigen Zinserhöhungen haben zudem ihre volle Wirkung noch nicht entfaltet. Vor allem zinssensitive ­Bereiche wie der Immobiliensektor er­halten daher zunehmend Gegenwind, aber auch die allgemeine Kreditnachfrage lässt deutlich nach, vor allem in Europa. Insgesamt dürfte sich die Weltwirtschaft im kommenden Jahr daher noch etwas schwächer entwickeln. 

In der Eurozone droht aktuell sogar eine Rezession, insbesondere aufgrund der schlechten Konjunkturlage in Deutschland. Für die USA sind die Prognosen besser, aber auch hier kommt es wohl zu einer deutlichen Wachstumsabkühlung. Aus China wiederum sind wegen der anhaltenden Immobilienkrise im kommenden Jahr keine grossen Impulse für die Weltkonjunktur zu erwarten.

2024: Bremse bleibt gedrückt

Für die schweizerische Exportwirtschaft fällt der Ausblick deshalb negativ aus. Die Ausfuhren legten 2023 nochmals zu, allerdings nur dank einiger weniger Branchen, insbesondere der Pharmaindustrie. Zuvor war das Exportwachstum breit ­abgestützt und viele kleinere und eher strukturschwache Branchen konnten ihre Umsätze nach der Pandemie deutlich steigern. Wegen der globalen Wachstumsverlangsamung hat der Wind nun aber wieder gedreht und in den meisten Branchen stagnieren die Exporte. Die Wachstumsdelle erfasste zunächst vor ­allem die energieintensiven Branchen wie zum Beispiel die Metall-, Papier- oder Keramikindustrie. 

Mittlerweile sind die Auftragspolster aber auch in den meisten anderen Branchen weitgehend dahingeschmolzen, so beispielsweise in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Die Einkaufsmanagerindizes für die Schweizer Industrie sind 2023 folglich deutlich gesunken, ebenso wie der auf kleine und mittel­gros­se Betriebe ausgerichtete KMU PMI von Raiffeisen. Inlandorientierte KMU sind weniger stark betroffen, aber hier hat der Gegenwind ebenfalls zugenommen, besonders für diejenigen, deren Kunden stark auf Exporte ausgerichtet sind. 

Auch der Ausblick für den inlandorientierten Dienstleistungssektor hat sich spürbar eingetrübt. Der Grund für die getrübte Konsumentenstimmung sind die Kaufkraftverluste und die weniger rosigen Arbeitsmarktaussichten. Höhere Mieten und Stromtarife sowie ein Anstieg der Krankenkassenprämien von durchschnittlich 8,7 Prozent ab Jahresende dürften den Konsum weiter bremsen. Eine Vollbremsung ist allerdings wenig wahrscheinlich. Bei den meisten Gütern und Dienstleistungen hat der Preisdruck abgenommen, wodurch die Schweizer ­Inflation weiterhin viel niedriger ausfällt als im Ausland. Bleibt das Preisumfeld ­ab­gesehen von den vorgezeichneten administrativen Preiserhöhungen (unter anderem Strompreise) entspannt, stehen die Chancen gut, dass die Schweizerische Nationalbank die Zinsen nicht mehr weiter erhöhen wird. 

Daneben hält die Zuwanderung an und stabilisiert den Konsum, womit dieser weiterwachsen dürfte. Das gilt auch ungeachtet der schlechteren Aussichten am Arbeitsmarkt, denn ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit kann ziemlich sicher vermieden werden. So viele Unternehmen wie noch nie berichten seit der Pandemie von Rekrutierungsschwierigkeiten. Dabei geht es im Gegensatz zur Vergangenheit nicht nur vornehmlich um hoch qualifizierte Fachkräfte. Auch ungelernte Arbeitskräfte sind nachhaltig schwieriger zu finden. Dies hält nun auch im Dienstleistungssektor den Arbeitskräftemangel höher als früher. Solange die Konjunktur nicht einbricht, dürften die Arbeitskräfte deshalb erst einmal gehalten werden, bevor es zu Kündigungen kommt.

Geringeres Wachstum

Insgesamt sind die Konjunkturrisiken wegen des schlechten globalen Umfelds aber auch in der Schweiz ausgeprägt. Raiffeisen erwartet für das Jahr 2024 ein Wachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 0,8 Prozent nach etwa 1,0 Prozent in diesem Jahr. Neben dem Aussenhandel und dem Konsum dürfte sich dabei auch die Wachstumsdynamik bei den Unternehmensinvestitionen unterdurchschnittlich entwickeln. Die Mehrheit der Unternehmen kommt zwar weiterhin zu Krediten, die Anzahl derjenigen, die einer restrik­tiveren Kreditvergabe gegenüberstehen, nimmt aber zu. Die meisten Unternehmen und so auch KMU müssen sich im kommenden Jahr jedenfalls auf ein bescheideneres Umsatzwachstum einstellen. Mit der geringeren Nachfrage der Konsumenten wird der Preiswettbewerb wieder intensiver und das Fenster für starke Preiserhöhungen schliesst sich.

Zentrale Themen

Die makroökonomischen und geopolitischen Verwerfungen haben konkrete Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklungen von Schweizer Unternehmen. Aber auch demografische Entwicklungen hinterlassen bei Unternehmen mehr und mehr ihre Spuren. In der Mittelstand­studie gehörte der Fachkräftemangel zu den Top 3 der Zukunftssorgen. Und nur 19 Prozent der Befragten gaben an, ge­nügend auf den Fachkräftemangel vor­bereitet zu sein. Eine Situation, die viele Unternehmer im Auge behalten sollten. Denn der Fachkräftemangel wird dadurch verschärft, dass die Generation der Babyboomer in Rente geht, geburtenschwache Jahrgänge ins Arbeitsleben eintreten und derzeit zusätzlich eine notorisch tiefe Arbeitslosenquote herrscht.

Darüber hinaus ist die Cyber- und Da­tensicherheit ein wesentlicher Faktor, der gemäss Schweizer KMU ihre wirtschaf­t­liche Lage und Entwicklung in den kommenden Jahren beeinflusst. In Cyberangriffen sehen die Unternehmen eines der grössten Risiken für sich selbst. Das erstaunt wenig vor dem Hintergrund, dass die Digitalisierung weiter voranschreitet, Daten und Applikationen vermehrt in die Cloud migriert werden und Cyberangriffe zahlreicher und ausgefeilter werden.

Vertrauen in den Standort 

Im Rahmen der Mittelstandstudie gab eine Mehrheit der KMU den Standort Schweiz als wesentlichen Faktor in Bezug auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen an. Das liegt aus ihrer Sicht insbesondere an den stabilen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen sowie an der stabilen Währung, Rechts­sicherheit und Infrastruktur. Diese Fak­toren scheinen die Nachteile, wie zum Beispiel hohe Lohnkosten, nach wie vor aufzuwiegen.

Das Vertrauen in den Standort Schweiz bietet angesichts der demografischen Veränderung auf dem Arbeitsmarkt insbesondere in folgenden Bereichen Potenzial, das es einerseits auszuschöpfen gilt, dem aber andererseits seitens Unter­nehmen und Gesellschaft auch Sorge zu tragen ist:

  • Bildung: Die Schweiz verfügt über ­international hoch angesehene tech­nische Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen. An diesen Instituten wird die Zusammenarbeit mit der Industrie und dem Dienstleistungssektor gepflegt. Innovationsparks zeugen von der engen Verflechtung zwischen Forschung und Anwendung. In Zukunft wird aber das duale Bildungssystem, die Berufsausbildung im Betrieb kombiniert mit einer Berufsschule, stark an Bedeutung gewinnen. Es fehlen schon heute viele Fachkräfte im handwerk­lichen Segment, beispielsweise Elek­tromonteure, die Photovoltaikanlagen montieren können.
  • Qualität und Vertrauen: Was über Generationen mit der Schweiz assoziiert wurde, ist im Verlaufe der jüngsten Krisen und politischen Trends verwässert worden. Standortqualitäten wie der flexible Arbeitsmarkt, Zurückhaltung bei Eingriffen in die Wirtschaftsfreiheit oder kurze Behördenwege drohen unter wachsender Regulierung und Bürokratisierung Schaden zu nehmen. Eine Rückbesinnung auf Schweizer Tugenden wäre nötig und die Pflege dieser Standortfaktoren. Das würde das hohe Vertrauen in den Standort sichern.  
  • Personalstrategie: Die im Inland benötigten Arbeitskräfte könnten im Zuge der demografischen Entwicklung bald nicht mehr mit der Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland gedeckt werden. Unternehmen können dieser Gefahr begegnen, indem sie in Automatisierung und Digitalisierung investieren. Es sind aber auch neue ­HR-Strategien gefragt. So gibt es jetzt schon internationale Unternehmen, die zu einem Grossteil auf Lehrlinge setzen und in die Aus- und Weiterbildung investieren. Daneben bieten sich Chancen bei der Wiederaktivierung von älteren Arbeitskräften sowie einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So können zum Beispiel gut ­ausgebildete Frauen, die nach einem Mutterschaftsurlaub wieder in die Berufswelt zurückkehren möchten, rasch ins Arbeitsleben zurückgeholt werden.

Fazit

Die globale Wirtschaftsverlangsamung und diverse Krisen haben das Wachstum im Jahr 2023 gedämpft. Die steigenden Zinsen und die Inflation beeinträchtigen die Weltwirtschaft, und die Exporte stagnieren. Inlandorientierte Branchen sehen ebenfalls eine gedämpfte Entwicklung, während der Arbeitskräftemangel spürbar ist. Die Aussichten für 2024 sind verhalten, mit einem BIP-Wachstum von 0,8 Prozent. 

Insgesamt erwarten wir, dass die Schweiz mit ihren eigenen Stärken und der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes die aktuellen Schwierigkeiten besser bewältigt als viele andere Länder, trotz einer gedäm­pften wirtschaftlichen Entwicklung.

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