Forschung & Entwicklung

HR-Management

Personalentwicklung als unternehmerische Herausforderung

Der wachsende Wettbewerbsdruck, der demografische Wandel und der Fachkräftemangel machen eine systematische Weiterentwicklung der humanen und sozialen Ressourcen notwendig. Netzwerke zur strategischen Personalentwicklung können Chancen eröffnen. Der Aufbau ist aber noch wenig beschrieben. Ansätze liefert nachstehender Beitrag.
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Unternehmen stehen auf ihren Produkt- sowie ihren Dienstleistungsmärkten unter einem enormen Wettbewerbsdruck, der eine laufende und systematische Weiterentwicklung des Personals notwendig macht.

Gleichzeitig wird im Zuge des demografischen Wandels für viele Fachkräfte ein Mangel prognostiziert, worauf sich die gros­sen Unternehmen bereits seit einigen Jahren durch umfassende Konzepte des Talentmanagements und der Personalentwicklung vorbereiten, um die Kompetenzen der bestehenden Mitarbeitenden fortlaufend zu entwickeln und gleichzeitig einen Vorteil in Hinblick auf die Bindung des bestehenden und Anwerbung neuen Personals zu verschaffen. (Olbert-Bock et al. 2015)

Herausforderungen

Die Entwicklung von humanen und sozialen Ressourcen ist eine wesentliche Stellgrösse für Unternehmen zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in einem dynamischen und komplexen Umfeld. Je kürzer aber die Halbwertszeit des Wissens innerhalb einer Branche ist, umso mehr Beschäftigte in diesen Branchen (zum Beispiel die IT) sind auf die stetige Entwicklung ihres Wissens und Könnens angewiesen. Für kleine sowie mittelgrosse Unternehmen stellt es oftmals eine Herausforderung dar, die Balance zwischen aktueller, gewinnbringender Nutzung vorhandenen Wissens und seiner Erneuerung zu gewährleisten. (Olbert-Bock et al. 2015)

Zwar erkennen viele kleine und mittelgrosse Unternehmen die zunehmende Bedeutung einer systematischen Personalentwicklung und würden gerne mehr machen. Der gesamte Leistungserstellungsprozess erfolgt aber zumeist mit so geringen zeitlichen und finanziellen Puf­fern, dass die Prioritäten häufig zuungunsten einer mittel- oder langfristig orientierten Personalentwicklung gesetzt werden.

Der fehlenden Erfahrung mit systematischer Personalentwicklung und ihrem möglichen Nutzen steht die Erfahrung gegenüber «dass es bisher ja auch gut ohne ging». Und so sehr der Grundgedanke des Talentmanagements auch für kleine und mittelgrosse Unternehmen gilt, so werden sie oft von den publizierten Beispielen der Grossunternehmen doch eher abgeschreckt, da sie diese als überdimensioniert erleben. Eine umfassende, strategieorientierte Personalentwicklung scheitert in KMU zudem oft auch an der Heterogenität des Personalentwicklungsbedarfs. (Olbert-Bock et al. 2015)

Im Vergleich zu Grossunternehmen bestehen damit nicht nur Risiken für den Kompetenzerhalt, sondern auch für die Attraktivität der Unternehmen, denn nicht selten fehlt es den Unternehmen auch an einem wesentlichen Bestandteil der Laufbahnentwicklung, an dem immer knappere Fach- und Führungskräfte zunehmend die Attraktivität eines Unternehmens bewerten. Ändert sich an dieser Situation nichts, werden sich aktuelle Schwächen im Aufbau von humanen Ressourcen in einigen Jahren zu einer generellen Schwächung der Funktionsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen auswachsen. (Olbert-Bock et al. 2015)

Chancen durch PE-Netzwerke

Netzwerke zur strategischen PE werden bisher zwar als Möglichkeit für KMU diskutiert. In der Schweiz sind aber weder praktische Angebote noch forschungsseitige Befunde zum Aufbau und Betrieb solcher Netzwerke tiefgründig dokumentiert (Olbert-Bock et al 2015, S. 6; Schaper 2009; evalea.de/hr-netzwerke). Dabei können systematisch aufgebaute Personalentwicklungs-Netzwerke für KMU – wie dies aus den Erkenntnissen eines KTI geförderten Pilotprojekts hervorgeht – zahlreiche Chancen bieten (Olbert-Bock et al 2015):

  • Der Aufbau von starken Partnerschaften, welche den intensiven Know-how-Austausch entlang von gemeinsamen strategischen Interessen fördern,
  • eine gemeinsame Entwicklung von ganzheitlichen Personalentwicklungs-Konzepten und ihrer zugehörigen Instrumente,
  • die Kosteneinsparungen und Synergieeffekte durch die koordinierten Verbundaktivitäten,
  • die Professionalisierung sowie die Systematisierung der eigenen Personalentwicklung und die kontinuierliche Weiterentwicklung des Wissens,
  • der Erfahrungsaustausch zwischen den Unternehmen,
  • die Ausweitung des Lösungsraumes für Fragestellungen der Personalentwicklung mit erweiterten und neuartigen Möglichkeiten
  • die Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers und die damit verbundene bessere Personalrekrutierung beziehungsweise Personalbindung sowie
  • der Erhalt und der Ausbau der Humanressourcen in jedem einzelnen Unternehmen.

Die Netzwerk-Gestaltung

In einem ersten Schritt ist es sinnvoll, sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie in den Verbundunternehmen die Personalentwicklung stattfindet. Ausgehend von der wettbewerblichen Situation sind die Konsequenzen für den erforderlichen Kompetenzerwerb zu ziehen. Sie bilden die Grundlage für die Definition von gemeinsamen Zielen der Personalentwicklung im Verbund sowie solche, die gegebenenfalls eine Besonderheit einzelner beteiligter Unternehmen darstellen. Ein Kompetenzmodell, das diese Gemeinsamkeiten darstellt und genügend Raum für spezifische Kompetenzbeschreibungen einzelner Unternehmen lässt, ist notwendig, um später systematisch die definierten Zielgruppen des Talentmanagements entwickeln zu können. Die konkrete Entwicklung lässt sich dann entlang von Musterentwicklungs-Programmen vorsehen. Eine alternative Vorgehensweise besteht darin, spezifische Bausteine entlang dieser Programmatik zu etablieren, die bei Bedarf von Führungskräften und /oder Mitarbeitenden zu passgenauen Förderplänen zusammengestellt werden. Da sich die Personalentwicklung selten als einmalige Aktion darstellt, ist der Erfolg und der weitere Lernbedarf regelmässig nach Abschluss der Massnahmen zu evaluieren und bildet einen Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des Personalentwicklungs-Netzwerks.

Die Grundlagen

Aus unserer Erfahrung können Personalentwicklungs-Netzwerke für kleine und mittelgrosse Unternehmen eine interessante und machbare Alternative sein. Knackpunkte bilden die Verbindlichkeit des Kooperationsbündnisses sowie das Selbstverständnis, dass eine Kooperation auf Gegenseitigkeit beruht. Soll erreicht werden, dass sich die Lernkultur im Unternehmen insgesamt verändert und um unternehmensweite Akzeptanz für die Personalentwicklung zu schaffen, empfiehlt es sich, Angebote an alle beteiligten Parteien zu richten – Entscheider, Planer und Teilnehmende. Besonders wichtig ist, dass die Personalentwicklung konsequent verfolgt wird, sie sich gut an spezifischen Fragestellungen anpassen lässt sowie dynamisch mit den Anforderungen weiterentwickelt wird und flexibel auf neue Bedürfnisse reagieren kann. Inhaltliche Interessen sowie zeitliche Vorstellungen zu integrieren, erfordern die gegenseitige Rücksichtnahme und das aktive Commitment zur Personalentwicklung im Verbund. Eine Personalentwicklung im Netzwerk muss auf die in Abbildung 2 aufgeführten Pfeiler gesetzt werden (Olbert-Bock et al 2015, S. 80 – 81).

Die kulturelle Verankerung

Bevor ein Unternehmen Aktivitäten zur Personalentwicklung im Netzwerk aufnimmt, muss es sich die Frage beantworten, inwiefern das Thema im eigenen Unternehmen kulturell verankert ist. Dazu gehört, dass die Personalentwicklung regelmässig ins Gespräch gebracht sowie systemseitig beziehungsweise in der Organisation unterstützt wird. Ist dies nicht ausreichend der Fall, so ist es einerseits sinnvoll, in die Kommunikation über die Personalentwicklung zu intensivieren, um ihre generelle Bedeutung hervorzuheben, andererseits müssen die Unternehmen auch dafür sorgen, dass die Personalentwicklung in die auf die verrschiedenen Personengruppen angewendeten Managementinstrumente (zum Beispiel bei Management by Objectives) Eingang erhält beziehungsweise die entsprechenden relevanten Instrumente geschaffen werden.

Zudem müssen die Prozesse und die Rollen der Beteiligten für die Personalentwicklung im eigenen Unternehmen klar definiert werden. Weitere, ausschlaggebende Schritte zur Verankerung der Personalentwicklung in die Entwicklung des Unternehmens sind in der Abbildung 3 (Olbert-Bock et al 2015, S. 81 – 82) aufgeführt.

Für die Praxis

Zwischen Frühjahr 2012 und Sommer 2015 ging das Kompetenzzentrum für Leadership und Personalmanagement der FHS St. Gallen gemeinsam mit sechs IT-Unternehmen aus der Ostschweiz der Frage nach, ob und unter der Einhaltung welcher Rahmenbedingungen die Personalentwicklung im KMU-Verbund möglich ist.

Das Ziel dieser Zusammenarbeit war es, dass mehrere kleine und mittelgrosse Unternehmen aus dem Raum Ostschweiz kooperativ zusammenarbeiten, um eine unternehmensübergreifende sowie systematische Personalentwicklung zu gewährleisten. Ausserdem sollen gemeinsam Lösungen für die Entwicklung von Nachwuchs- sowie Führungskräften angeboten werden.

Aus diesem KTI-Forschungsprojekt ist «Open» – Das Ostschweizer Personalentwicklungs-Netzwerk – als Spin-off entstanden. «Open» verfolgt das Ziel, Unternehmen im Hinblick auf mögliche Kooperationen im Rahmen der Personalentwicklungs-Gestaltung zu vernetzen. Interessierte Unternehmen können über die Webseite «www.personalentwicklungsnetzwerk.ch» zu weiterführenden  Informationen gelangen.

Porträt