Forschung & Entwicklung

Nachhaltigkeit

Nachhaltige Dienstleistungen erfolgreich vermarkten

Nachhaltige Dienstleistungen ermöglichen Unternehmen, innovativ auf veränderte Kundenbedürfnisse zu reagieren und sich damit von der Konkurrenz abzugrenzen. Vertreter der Hochschulen Luzern und Chur entwickelten mit Praxispartnern eine Toolbox, die KMU helfen soll, nachhaltige Dienstleistungen aus Kundensicht zu optimieren.
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Nachhaltigkeit ist derzeit eines der Top-Themen im Marketing, da es ein immer wichtiger werdendes Bedürfnis der Kunden darstellt, das ihre Kaufentscheidung beeinflusst. Bisher wurde es meist aus der Perspektive der Umweltbeauftragten in Unternehmen oder neutraler Zertifizierungsorganisationen diskutiert. Die Kundensicht fehlte.

Nachhaltige Dienstleistungen erfordern Verhaltensänderungen für den Kunden. Dazu ein Beispiel: Anstatt in das eigene Auto vor seiner Haustür zu steigen, ermittelt der nachhaltige Konsument, wo das nächste Auto des Carsharing-Anbieters steht, um es dann zu reservieren und dorthin zu laufen. Was muss nun ein Unternehmen tun, damit ein Kunde diesen zusätzlichen Aufwand auf sich nimmt und sich für die nachhaltige Dienstleistung entscheidet? Und wie können Unternehmen nachhaltige Dienstleistungen richtig vermarkten?

Erwartungen und Lösungen

Dies waren die Ausgangsfragen eines von der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes (KTI) geförderten Forschungsprojekts der Hochschulen Luzern und Chur sowie der Praxispartner Hitch Hike, Mobility, Schwendimann und Rhiienergie. Das Team ging in zwei Schritten vor: Zunächst wurden die Erwartungen der Kunden durch Interviews und eine Umfrage mit 627 Zielkunden ermittelt. Um die Ergebnisse direkt praktisch nutzbar zu machen, wurde in einem zweiten Schritt eine Toolbox mit verschiedenen Managementinstrumenten entwickelt. Drei zentrale Kundenerwartungen und Managementinstrumente werden nachfolgend vorgestellt.

Erwartung 1: Der Kunde macht keine Kompromisse bei der Kernleistung und dem Kundenservice, ist aber weniger preissensibel.
Die Qualität der Kernleistung, beispielsweise schnell von A nach B kommen (nachhaltige Mobilität) oder schnell und entspannt den Abfall zu entsorgen (Recycling), muss stimmen. Auch die Qualität des Kundenservices, das heisst, insbesondere die gute persönliche Beratung, beeinflusst Kundenzufriedenheit und Wiedernutzungsabsicht. Lediglich beim Preis sind Kunden kompromissbereit, Preisvorteile gehören nicht zu den Erwartungen, die der Kunde an nachhaltige Dienstleistungen stellt.

Managementinstrument Servicerad: Das Servicerad (vgl. Abbildung 1) dient Unternehmen als Ideengeber zur Verbesserung des funktionalen Nutzens von Kernleistung und Kundenservice. Die Kernleistung bietet dem Kunden dann einen Mehrwert, wenn effiziente Prozesse beispielsweise zu Zeitvorteilen führen und effektive Resultate dem Kunden zum Beispiel Entspannung durch einen auf­geräumten Keller oder Kostenvorteile durch eine Solaranlage bringen. Beim Kundenservice werden alle Kundenkontakte unter die Lupe genommen. Dabei wird unterschieden, ob sie durch das Unternehmen getrieben werden (outbound) oder durch den Kunden initiiert sind (inbound). Zu den Outbound-Kontakten gehören beispielsweise die Rechnungsstellung, der Newsletter oder eine Einladung zu einem Check-up. Inbound-Kontakte werden vom Kunden entweder persönlich oder durch die Kundenhotline vorgetragen. Die vier Ansatzpunkte zur Verbesserung des funktionalen Nutzens der Dienstleistung beeinflussen sich gegenseitig, sodass von einem Servicerad gesprochen wird, das in Bewegung bleibt.

Aus der Praxis: Der Familienbetrieb Schwendimann betreibt als Franchiselösung gemeinsam mit den Partnern Ruag und Altola das Abfallsammel­stellen-Konzept «brings!». Die Möglichkeit, alles an einem Ort recyceln zu können, wird von den Kunden ebenso honoriert wie die langen Öffnungszeiten und der hohe Kundenservice. Darüber hinaus hat sich im Rahmen eines Workshops zum Servicerad gezeigt, dass insbesondere das Merkmal «effiziente Prozesse» weitere Optimierungschancen birgt. Anstatt die Kunden zu den Abfallsammelstellen anreisen zu lassen, könnte man einen Abholservice anbieten. Durch den Einsatz von Technologien würde dabei der Kunde (Bestell-App) direkt mit den Dienstleistungspartnern (Transportfirmen, Abfallsammelstellen-Betreiber) verbunden.

Erwartung 2: Der Kunde will auch emotional involviert werden, indem die nachhaltige Dienstleistung ihm ein emotionales Erlebnis bietet.
Kunden erwarten auch, dass ihre Emotionen angesprochen werden. Zum einen sollte die Servicenutzung den Kunden aktivieren und begeistern, da oft die eigene Trägheit erst überwunden und das gewohnte Verhalten geändert werden muss (man sollte ja mehr recyceln, aber …). Andererseits geht es besonders bei innovativen nachhaltigen Dienstleistungen immer auch darum, das Vertrauen der Kunden zu sichern und mögliche Zweifel (funktioniert das auch ...?) zu beseitigen.

Managementinstrument Emotionslandkarte: Mithilfe der Emotionslandkarte kann die Positionierung des Unternehmens und auch seiner Dienstleistung überprüft werden (Abbildung 2). Dabei wird der Ist-Zustand eingetragen, nämlich inwieweit der Kunde dem Unternehmen und der Dienstleistung vertraut und ob es gelingt, den Kunden für die Idee der Unternehmung und der nachhaltigen Dienstleistung zu begeistern. Der Ist-Zustand wird dann mit der Soll-Positionierung abgeglichen, um die richtigen Massnahmen ergreifen zu können. Bei der Beseitigung von Zweifeln sind Testmöglichkeiten, Probeabonnements, Einsteigerangebote sowie alle weiteren Ideen gefragt, die das gefühlte Risiko des Kunden senken.

Handelt es sich wie beim Praxispartner Hitch Hike um ein Start-up, spielen auch Partnerschaften mit etablierten Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Vertrauensvermittlung. Sollen aktivierende Emotionen wie Begeisterung gefördert werden, sind verschiedene Strategien zu prüfen. Bei besonders sozial erwünschten nachhaltigen Dienstleistungen können Belohnung und Anerkennung zum Einsatz kommen (z. B. Auszeichnungen für vorbildliches Recyclingverhalten einer Strasse, Nachbarschaft, Gemeinde). Bei nachhaltigen Dienstleistungen, die auf der Grundidee des «Sharings» aufbauen, sollten soziale Erlebnisse unter den Nutzern unterstützt werden. So könnten Car–Sharing-Nutzer auf Facebook aufgefordert werden, von positiven Begegnungen zu berichten. Die Community agiert dann als Juror und kürt die ungewöhnlichsten Geschichten.

Und schliesslich gilt auch bei nachhaltigen Dienstleistungen das Grundprinzip, dass Begeisterung durch überraschende, die Erwartungen übertreffende Momente entsteht. Hier können für Anbieter nachhaltiger Dienstleistungen auch Vorteile entstehen, da die Erwartungen an kreative Marketingkampagnen bei Abfallsammelstellen oder Stromversorgern weniger ausgeprägt sind als zum Beispiel bei Banken oder Versicherungen. Wenn es dann wie im Fall von Schwendimann bei einer Mitmach-Aktion ein Ticket inkl. Übernachtung für das Unplugged-Konzert in Zermatt zu gewinnen gibt, kann das sehr effektiv zur Begeisterung der Zielkunden beitragen.

Erwartung 3:Der Kunde möchte sich durch die Nutzung der nachhaltigen Dienstleistung in seinen persönlichen Werthaltungen bestätigt sehen.
Nicht überraschend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Kunden eher bereit sind ihr Verhalten zugunsten nachhaltiger Dienstleistungen zu ändern, wenn sie sich in ihren Werten bestätigt sehen. Durch die Nutzung nachhaltiger Services wollen Kunden aktiv ihren Beitrag zur Gesellschaft und für den Erhalt der Umwelt leisten. Interessanterweise sind weitere Werte eine fortschrittliche Grundhaltung und Offenheit gegenüber Innovationen. Das heisst, dass nachhaltigen Dienstleistungen auf keinen Fall das Image des «Spiel- sowie Spassverderbers» anlasten sollte, sondern dass Kunden sich durch die Nutzung in ihrem Selbstbild als innovationsfördernde Konsumenten und Bürger bestätigt sehen wollen.

Das Managementinstrument-Wer­tehaus: Das Managementinstrument des Wertehauses zielt darauf ab, die enge Beziehung zwischen der Dienstleistung und den persönlichen Werten der Zielgruppe herzustellen. Dabei werden Massnahmen zur Service- und Kommunikationspolitik verbunden. Das Wertehaus stützt sich auf folgende drei Pfeiler: erstens – Werte, welche das Unternehmen durch wertbezogene value-adding-Services vermittelt, zweitens – Werte, die durch Partnerschaften untermauert werden, und drittens – wertorientierte Kommunikationsbotschaften, die sich unmit-telbar an den Kunden richten. Da sich die drei Säulen ergänzen, gilt, dass die Wertwahrnehmung umso besser ist, je breiter sie durch verschiedene Massnahmen abgestützt wird.

Aus der Praxis: Mobility gilt von jeher als nachhaltige Mobilitätsalternative zum eigenen Auto. Mit mehreren laufenden und geplanten Innovationsprojekten in der «Free-floating one-way»-Mobilität (unabhängige Start- sowie Zielorte) entspricht das erfolgreiche Unternehmen insbesondere den Bedürfnissen der urbanen jüngeren Zielgruppen. Gleichzeitig soll die Verbindung des ganzen Unter­nehmens und der erweiterten Dienst­leistungsangebote mit den Wertvor­stell­ungen im Bereich der Nachhaltigkeit bestätigt werden.

In einem Workshop wurden mithilfe des Wertehauses bestehende Massnahmen evaluiert und Vorschläge für neue Ideen gesammelt. Das breite Spektrum umfasst neben etablierten Partnerschaften mit Myclimate auch kreative mögliche Kampagnen wie z. B. «Sharing-WG – Alt ge­-gen Jung». Dabei könnten Wohngemeinschaften von jungen Menschen (Studierende) gegen Golden Ager (55+) in einem Wettbewerb antreten, in dem das aktive Sharing-Verhalten gemessen wird.

Fazit

Nachhaltige Dienstleistungen erfolgreich zu vermarkten, ist sehr anspruchsvoll. Kunden haben Erwartungen an einen hohen praktischen Nutzen, an ein emotionales Service-Erlebnis und suchen die Bestätigung der persönlichen Wertvorstellungen. Diesen «Dreiklang» in der Ver­­marktung umzusetzen, ist nicht nur für KMU eine Herausforderung. Gleichzei­tig bieten nachhaltige Dienstleistungen marktseitig Chancen. Es gibt zahlreiche Nischen in den Bereichen wie «Sharing statt Eigentum», «digital statt Papier», «reparieren statt ersetzen», «recyceln statt wegwerfen», in denen innovative Lösungen den Zeitgeist treffen können. Die Toolbox mit den Managementinstrumenten will Unter­nehmen aus verschiedenen Branchen dabei unterstützen, eigene nachhaltige Dienstleistungen zu entwickeln oder bestehende Angebote zu optimieren. Aufbauend auf einem Selbsttest kann gezielt der konkrete Verbesserungsbedarf ermittelt werden. Dabei steht die konsequente Kundenorientierung im Zentrum.

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