Forschung & Entwicklung

Consulting

Mit Content-Marketing Leads gewinnen

Handshake und Networking sind gängige Instrumente im Consultingbusiness. Überall wo grössere «Deal Sizes» vorhanden sind, findet die Kommunikation relativ klassisch und direkt statt. Ein Consulting-Start-up hat dieses Prinzip im Rahmen einer Bachelorarbeit einer grundlegenden Marketing- und Prozess-Analyse unterzogen.
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Jung, agil und voller Tatendrang. Wörter mit denen Start-ups in Verbindung gebracht werden. In der klassischen Unternehmensberatung wird bisher jedoch oft noch auf Instrumente wie langjährige Partnerschaften, persönliche Kontakte und Mund-zu-Mund-Propaganda gesetzt. Inmitten der «Big 3» der Unternehmensberatung mit definierten Strukturen und Werbebudgets entstehen kleine Consultinganbieter, welche sich am Markt etablieren wollen. 


Koexistenz anstreben

Doch wie gelingt dies unter diesen komplexen Voraussetzungen? Nach Verdichtung von Literatur, Interviews mit verschiedenen Anbietern von Software- und Beratungsdienstleistungen, Kunden von Consultinganbietern und Fachexperten aus Marketing und Datenschutz sind folgende Kernaussagen entstanden:

  • Koexistenz zwischen On- und Offline-Marketing anstreben.
  • Strukturierte Prozesse für Lead-Management und Content-Marketing definieren.
  • Interne Strukturen bewusst nutzen und Fehlerkultur leben.

Das direkte Offline-Marketing über Networking bietet Unternehmen einen entscheidenden Vorteil. Es entsteht eine direkte Reaktion des Kunden und gibt dadurch Aufschluss über mögliches Interesse und Erfolg der Zusammenarbeit. Auch können die Kundenbedürfnisse besser abgeholt und gegebenenfalls konkretisiert werden. Da in menschlichen Entscheidungen oft eine signifikant hohe Subjektivitätskomponente miteinfliesst, kann durch «Wine & Dine» das Kaufverhalten positiv beeinflusst werden. Getreu der alten Verkäuferformel: Sympathie kommt vor Vertrauen vor Nutzen vor Preis. 

Die starke Marketingausrichtung auf den Offline-Kanal ist für Beratungsunternehmen daher durchaus praktikabel und zu empfehlen. Die Ergänzung durch den Aufbau eines Online-Kanals so­wie eine entsprechende Positionierung können sich jedoch zusätzlich positiv auf das Kaufverhalten von Entscheidungsträgern auswirken. Warum ist das so wichtig?

Die Befragung von Consultingkunden im Rahmen der Bachelorarbeit ergab, dass trotz unterschiedlicher Entscheidungsprozesse und Stakeholder-Strukturen innerhalb der Unternehmen ein Schritt bei fast allen gleich war. Und zwar war es das Recherchieren und Informieren von potenziellen Kunden über die entsprechende Unternehmung oder Person im Internet. 

Gerade im Consulting wird nach Referenzen, Projekten oder Leistungsnachweisen des Beratungsunternehmens gesucht. Dreh- und Angelpunkt ist die Unternehmenswebsite, die den Zielkunden in diesem Schritt abholen soll. Durch Tracking Tools wie Google Analytics kann analysiert werden, über welche Quellen die Websitebesucher auf die Unternehmenshomepage gelangen. 

Geschieht dies über Anfragen in Suchmaschinen, E-Mail-Signatur oder durch direkte Eingabe im Browserfenster, kann dies in zukünftigen Marketingmassnahmen berücksichtigt werden.

Gelangen die Websitebesucher grösstenteils über Social-Media-Kanäle zum Unternehmen, können diese entsprechend forciert und ausgebaut werden. Die Verwendung von QR-Codes auf Flyern oder Visitenkarten ermöglichen zudem eine Kombination von Offline- und Online-Kanälen. Durch Scannen des Codes gelangt die potenzielle Kundschaft auf die Unternehmenswebsite, die dem Unternehmen wiederum die Möglichkeit bietet, den Websitebesucher und dessen Kanalzugang zu analysieren. 


Praxistipp I 

  • Direktes Offline-Marketing ist in der Beratung essenziell.
  • Referenzschreiben, Kunden und Erfolgsstorys nach Möglichkeit auf Unternehmenswebsite schalten. 
  • Die Unternehmenswebsite als Dreh- und Angelpunkt nutzen und die Be­sucher bzw. den Websitetraffic analysieren.

Leads und Content-Marketing 

Im Rahmen des Marketings spielen Leads eine wichtige Rolle. Ein Lead ist ein Interessent, der auf ein Produkt oder eine Dienstleistung des Unternehmens aufmerksam wird. Diese eingehenden Kontakte können je nach Interesse, Budget, Zeit und Autorität im Unternehmen als mehr oder weniger wertvoll klassifiziert werden. Der kalte Lead ist weniger wesentlich als der warme, welcher mehr Potenzial auf einen möglichen Abschluss aufweist. Das anfangs erwähnte Con­sulting-Start-up hatte in diesem Zusammenhang keine Schwierigkeiten, was die Quantität, sondern Verbesserungspotenzial, was die Qualität der Leads anbelangt. 

Dies bedeutet, dass bei den überwiegend kalten Leads nur ein geringes oder gar kein Bedürfnis nach einer Unternehmensberatung bestand. Auch hatten sich die Leads nur geringfügig oder gar nicht über das Start-up und dessen Dienstleistungen informiert. Dieser Sachverhalt führte dazu, dass für eine Verbesserung des Leadstatus von kalt zu warm bis hin zum zahlenden Kunden hohe personelle und zeitliche Ressourcen nötig waren. Das Unternehmen stellte sich die Frage: Wie erhalten wir in Zukunft qualitativere Leads? 

Aus Sicht von aktueller Literatur und Meinung von Marketingvertretern liegt für die Consultingbranche grosses Potenzial in der Nutzung von Content-Marketing. Dies ist eine kreative und über­wiegend online ausgerichtete Disziplin des Marketings und stellt dabei Inhalte, also Content, zur Verfügung. Mit in­teressanten Inhalten, wie zum Beispiel Blogbeiträgen, Videoposts, Infografiken usw., sollen potenzielle Kunden angezogen werden. 

Im Gegensatz zu Werbeanzeigen stellen die Inhalte, jedoch nicht das Unternehmen oder die Produkte in den Mittelpunkt, sondern bieten zum Beispiel  weiterführendes Wissen oder Unterhaltungselemente an. Ein gelungener Content fo­kussiert daher auf definierte Zielgruppen, hat einen hohen Grad der Bedürfniserfüllung und stiftet beim Lesen, Hören oder Sehen einen Nutzwert.

Um den Content effizient und ressourcenschonend herzustellen, wurde dem Consultingunternehmen empfohlen, möglichst strukturierte Prozesse und Vorlagen einzuführen. Diese fangen bei der Untersuchung der Themengebiete und Ideen an, gehen über die Auswahl des Inhaltes und Formats bis hin zur Überprüfung der Rechtschreibung (siehe Abbildung, grüne Wolke). 

Wichtig ist neben der effizienten Herstellung, dass der Content für den Lead einen wirklichen Mehrwert bietet und nicht (primär) dazu dienen soll, das Unternehmen anzupreisen. Ein praktisches Beispiel für Content wäre ein Trainingsplan, welcher zum gelieferten Proteinpulver dazu geliefert wird, oder eine vorprogrammierte Exceldatei, die den ROI eines Dienstleistungsbezugs ausgibt und dem beziehenden Unternehmen als Entscheidungshilfe dient. Einerseits kann sich die potenzielle Käuferschaft durch solche Inhalte über die Unternehmenswebsite passiv und ohne Druck eine Meinung bilden. Anderseits besteht auch die Möglichkeit, den Content aktiv zu verteilen oder Push-Marketingmassnahmen einzusetzen. Dies kann zum Beispiel über einen E-Mail-Versand oder durch das Aufschalten von bezahlter Werbung in diversen Social-Media-Kanälen erfolgen.

Ein weiterer essenzieller Vorteil von Content-Marketing ist, dass die auf der Unternehmenswebsite aufgeschalteten Inhalte durch die Suchmaschinen indexiert werden. Das bedeutet, dass bei Suchanfragen von potenziellen Kunden das Unternehmen in den organischen Treffern tendenziell höher gelistet ist. Diese vorteilhafte Positionierung entsteht dabei, ohne dass Werbebudgets direkt an Suchmaschinen verteilt werden. Die Wortwahl der Zielkunden sollte dabei in den Inhalten widergespiegelt werden, um in den Suchanfragen auch den entsprechenden Zusammenhang herzustellen. Anfragen von Leads, die durch aktive Distribution des Contents oder durch Push-Massnahmen entstehen, sind tendenziell quantitativer. 

Leads, die sich eigenständig via Suchmaschinen oder direkt über die Unternehmenswebsite mit Content versorgen und das Unternehmen zur gegebenen Zeit anfragen, verfügen demgegenüber über eine höhere Qualität. Für das Consulting-Start-up gilt es abzuwägen, welche dieser beiden Massnahmen es eher fördern möchte, wobei eine Mischform durchaus Sinn macht. 

Praxistipp II

  • Content-Marketing bietet die Möglichkeit, dass Unternehmen in Suchmaschinen eher gefunden und höher gelistet werden.
  • Um Content effizient herzustellen, können definierte Prozesse und Vorlagen unterstützend wirken. 
  • Kontaktmöglichkeiten in Form von Leads sollten in Qualität und Quantität abgestimmt und verhältnismässig sein. 
  • Content-Distribution und Push-Marketingmassnahmen führen zu tendenziell mehr Anfragen, jedoch zu geringerer Qualität. 


Die Start-up-Mentalität 

Dass Consulting-Start-ups hinsichtlich Netzwerken, Partnerschaften und Mund-zu-Mund-Propaganda gegenüber etablierten Beratungshäusern einen Nachteil haben, ist allgemein bekannt. Was können sie dagegen unternehmen? Zum einen ist es von Vorteil, sich in einer Nische zu positionieren und auf Referenzen und Erfolgen in diesem Bereich aufzubauen. Zum anderen haben Start-ups den grossen Vorteil, dass sie flache Hierarchien, kurze Kommunikationswege und ein hohes Mass an Agilität aufweisen. Dies hilft, sich im stetig wandelnden Online-Marketing zurechtzufinden und auf Veränderungen zu reagieren. 

Auch lassen sich Erfolge nicht von heute auf morgen realisieren, weshalb eine gewisse Vorlaufzeit und Geduld notwendig sind. Start-ups besitzen meist auch eine gesunde Fehlerkultur, die benötigt wird, falls eine Massnahme oder Idee nicht wie geplant verläuft. Trial-and-Error ist im Zusammenhang von Lead-Management und Content-Marketing unerlässlich. 
 

Praxistipp III 

  • Nischenfokus, Fehlerkultur, flache Hierarchien und kurze Kommunikationswege sind vorteilhaft für Lead-Management und Content-Marketing.
  • Agilität wird benötigt, um auf wechselnde Umweltbedingungen im Online-Marketing reagieren zu können. 


Fazit und Ausblick

Die Analyse des Consulting-Start-ups zeigte, wie vielschichtig das Dienstleistungsmarketing im Offline- und Online-Bereich ist. Diese Komplexität beinhaltet viele Stolpersteine aber auch Chancen, die von Start-ups genutzt werden können. 

Aufgrund der Tatsache, dass die neue Generation an Führungskräften internetaffiner sein wird, wird der Aspekt des Online-Marketings in Kombination mit passiver Meinungsbildung durch Content-Marketing noch deutlich weiter an Wert gewinnen. 

Start-ups bietet sich in diesem Bereich Möglichkeiten, neue Leads, Kunden und Partnerschaften aufzubauen, die ausserhalb des klassischen Offline-Marketings liegen. Nichtsdestotrotz ist und bleiben Handshake und Networking auch bei Start-ups weiterhin ein zentrales Mittel, um Consultingdienste zu vermarkten. Auch wenn der Handshake in Zeiten von Covid-19 wegfällt. 

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