Forschung & Entwicklung

Kolumne: Blick aus der Wissenschaft

Krisenstimmung 2016 – Zeit für Investitionen

Die Stimmung ist getrübt. Europa hat Probleme mit Flüchtlingsströmen, Arbeitslosigkeit und wachsenden Schulden. Die Schweiz steht vergleichsweise gut da. Gezielte Investitionen in Innovation und Bildung sind gute Massnahmen, aus kommenden mageren Jahren gestärkt hervorzugehen.
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Viele Jahre in Folge belegt die Schweiz nun schon den ersten Platz im WEF Global Competitiveness Report. Viel spricht dafür, dass die Schweiz auch weiterhin Klassenbester bleibt. Die Arbeitslosenquote ist niedrig, der Bildungsstand der Bevölkerung hoch, die öffentlichen Intuitionen sind vergleichsweise effizient und die Währung erweist sich als Hort der Stabilität. Kleine und mittelgrosse Unternehmen haben also allen Grund, trotz oder vielleicht gerade wegen der Frankenstärke am Standort Schweiz zu investieren. In der Tat weist die Schweiz mit einem Anteil von etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eine der höchsten Investitionsquoten Europas aus. Trotz berechtigter Freude über den Standort sollte nicht vergessen werden, dass die Schweiz keine vom globalen Wirtschaftsgeschehen unbeeinflusste Insel darstellt. Rund die Hälfte des schweizerischen Wohlstandes wird mit dem Aussenhandel verdient und so lohnt ein volkswirtschaftlicher Blick über nationale Grenzen.

Stürmische Zeiten voraus

Das Jahr 2016 hat mit einigen Überraschungen begonnen. Die Börsen sind vielerorts zweistellig im Minus, die Flüchtlingsströme werden auch von optimistischen Politikern nicht mehr nur als Erlöser der europäischen Demografieprobleme gesehen und die Nullzinspolitik scheint zumindest bei der amerikanischen Notenbank ihr vorläufiges Ende gefunden zu haben. Bedenklich scheint es auch um Europa bestellt zu sein. Nach Aussage des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann ist der Aufschwung zu schwach, um im Euroraum die Arbeitslosigkeit nachhaltig zu senken, und auch Jahre nach der Finanzkrise sind in Europa immer noch sechs Millionen mehr Menschen ohne Arbeit als vor der Krise. Keine gute Ausgangslage, um neuerliche Schocks abzufangen.

Verschuldung ausser Kontrolle

Seit mehr als 30 Jahren kennen die Zinsen, mit kurzen Unterbrechungen, nur den Weg nach unten. Den Wirtschaftsakteuren war es vergönnt, sich kontinuierlich und fortlaufend günstiger verschulden zu können. Mit der Finanzkrise 2008 ist der Geldhahn dann in nie gekanntem Masse geöffnet worden. Auch die Schweizer Nationalbank hat bei der monetären Flutung mitgemacht, indem sie für umgerechnet 500 Milliarden neu geschaffene Schweizer Franken Euro aufgekauft hat. Staaten, Unternehmen und private Haushalte haben gerne zugegriffen und den globalen Schuldenturm erhöht. Das Problem dabei ist, ein Grossteil der neuen Schulden dient nur noch dazu, alte zu bedienen.

Auch wenn es theoretisch möglich ist, die Zinsen weit in den negativen Bereich zu senken – die Schweizer Nationalbank macht es vor – scheint doch das Ende der Fahnenstange erreicht. Die amerikanische Notenbank wagt einen ersten be­hut­samen Schritt einer Zinserhöhung. Die SNB hat ihrerseits schon im Januar 2015 aufgehört, die globale Geldmenge mit Eurostützkäufen zu erhöhen. Kurz gesagt, die globale Liquidität sinkt und einige Auguren befürchten den internationalen Margin Call.

Europas Probleme und ein kraftloser weisser Ritter

Auch wenn das Flüchtlingsthema im Moment alle anderen europäischen Krisen verdeckt, so sind doch die aus der Finanzkrise ersichtlich gewordenen Probleme nicht gelöst. Die südeuropäischen Länder, allen voran Griechenland und Italien, sind nach wie vor nicht wettbewerbsfähige und auf offene oder verdeckte Transferzahlungen angewiesen. Politisch driftet Europa auseinander und die Flüchtlingsströme wirken wie ein Brandbeschleuniger auf den neu erwachten Nationalismus. Parteien wie der FN der Marine Le Pen und die «Cinque Stelle»-Bewegung des Beppe Grillo könnten im Gefolge einer neuerlichen Rezession ungeahnte Zentrifugalkräfte auslösen, an deren Ende ein marginalisiertes Europa stehen würde. Für die exportgetriebene Wirtschaft der Schweiz, deren wichtigster Partner die EU ist, sind das keine guten Nachrichten.

Der politische Streit mit der EU, der im schlimmsten Fall das Ende der Bilateralen bewirkt, tut ihr Übriges. China und zahlreiche andere Schwellenländer sind mit einer Zahlungsbilanzkrise konfrontiert. Alleine das Reich der Mitte hat seine Schulden in den letzten sieben Jahren auf 28 Billionen US-Dollar versiebenfacht. In den Boom-Jahren sind, befeuert von niedrigen Notenbankzinsen, Investitionen in unrentable Sektoren geflossen. In den letzten drei Jahren hat China so viel Zement verbaut wie die USA in den letzten 100 Jahren. Nicht benötigte Infrastruktur sowie brachliegende Kapazitäten sind Fehlallokationen.

Ein Grossteil des Booms war kreditfinanziert, gespeist von global günstig verfügbarem Geld. Die Schulden von Staat, Unternehmen und Haushalten belaufen sich auf 280 Prozent der Wirtschaftsleistung. Beschleunigt durch die begonnene US-Zinswende und die rückläufigen Wirtschaftsdaten fliesst das Kapital aus dem Land. Die Devisenreserven Chinas schmelzen dahin und die Währung gerät unter Druck. China wird kaum eine andere Wahl haben, als die begonnene Abwertung des Yuan fortzusetzen bzw. zuzulassen. Die Abwertung der Landeswährung wird die Wettbewerbsfähigkeit Chinas stärken, chinesische Produkte verbilligen, aber zugleich die hausgemachte Deflation in die Welt exportieren. Dieses Szenario ist nicht nur auf China beschränkt. Weitere Länder, wie zum Beispiel Saudi Arabien und Russland, lösen in Folge des Verfalls der Rohstoffpreise Reserven auf und werten ihre Währung ab.

Eingetrübte Stimmung

Ein Teil der Realwirtschaft wird durch die Stimmung der Wirtschaftsakteure bestimmt. Erwarten Unternehmensentscheider stürmische Zeiten, treten sie auf die Investitionsbremse und zeitversetzt reduzieren die Konsumenten ihre Ausgaben. Das Stimmungsbild gibt wenig Anlass zur Euphorie. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos werden die Ergebnisse einer Umfrage der Beratungsgesellschaft PwC verbreitet, dass sich die Stimmung unter den Top-Managern in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert habe. Nur noch ein Viertel der Entscheidungsträger rechnet im laufenden Jahr mit einem globalen Wirtschaftswachstum. Einzig die Beschäftigungsprognosen der Manager sind stabil geblieben, und so will immer noch rund die Hälfte der Befragten die Belegschaft vergrössern.

Grund für Optimismus

Nur den Kassandrarufen zu lauschen, wäre fehl am Platz. Gibt es doch auch Grund für Optimismus. Der fallende Ölpreis verstärkt zwar die deflationäre Entwicklung, doch sorgt er für ein Plus an Konsumentenkaufkraft und entlastet die Unternehmen auf der Kostenseite. Trotz Sorge um China, das Land hat noch Zinssenkungsreserven und entwickelt sich vielleicht besser als erwartet. Chinas Entscheider haben die Zeichen der Zeit erkannt und richten die Wirtschaft auf ein Modell mit weniger Investitionen und mehr auf ein auf Konsumnachfrage und Dienstleistungen getriebenes Wachstum aus. Das eröffnet den exportorientierten europäischen Volkswirtschaften neue Absatzchancen.

Last but not least, ist die Schweiz – wie der WEF Global Competitiveness Report ausweist – mit ihrer relativ geringen Verschuldung und ihren solide finanzierten und innovativen KMU wettbewerbsfähig aufgestellt. Die Schweizer Bankbilanzen sollten saniert sein und keine Überraschungen wie anno 2008 beherbergen. Bleibt die Empfehlung an die hiesigen KMU. Gezielte Investitionen in Innovation und in die Bildung der Belegschaft sowie eine reduzierte Kreditfinanzierung sind gute Voraussetzungen, auch magere Jahre erfolgreich zu überstehen.

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