Forschung & Entwicklung

Social Media

KMU sind im B2B-Geschäft eine Nasenlänge voraus

Wie nutzen die Unternehmen Social Media in der B2B-Kommunikation, wo gibt es Unterschiede im Verhalten von kleinen, mittleren und Grossunternehmen und wer erreicht seine Kommunikationsziele? Eine Studie der Hochschule Luzern – Wirtschaft gibt Antwort.
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Schweizer KMU haben nicht nur das Potenzial von Social-Media-Plattformen erkannt, sie setzen diese Kanäle teils auch erfolgreicher ein als Grossunternehmen: Sei es, um Reichweite zu erzielen oder ihr Corporate Image zu stärken. An ihre Grenzen stossen allerdings alle Unternehmen, wenn es um das Controlling geht. Sie messen hauptsächlich einfache Kennzahlen und kennen damit die Wirkung der Massnahmen nur unvollständig. Die Social-Media-Kommunikation basiert demnach eher auf Bauchgefühl, denn einem strategischen Entscheid. Nichts­destotrotz sind die dynamischen sowie krea­tiven KMU in einigen Bereichen den grossen, starren Firmen eine Nasenlänge voraus.

Die Umfrage

Das Institut für Kommunikation und Marketing der Hochschule Luzern – Wirtschaft (HSLU-W) hat im Frühjahr 2016 eine Online-Befragung zum Einsatz von Social Media in Schweizer B2B-Unternehmen durchgeführt. Das Sample umfasst 116 komplett ausgefüllte Fragebogen. Zirka zwei Drittel der Befragten sind aus dem oberen und mittleren Mana­gement, ein Drittel arbeitet als Fachver­antwortliche im Bereich Marketing und Kommunikation. Sie operieren national und international, in der Maschinen- und Metallindustrie, im Dienstleistungs- und Finanzsektor sowie im Baugewerbe, in der Computertechnologie, im Detailhandel oder Pharmabereich. Die Stichprobe beinhaltet ausschliesslich jene Unternehmen, welche Social-Media-Kanäle in der Kommunikation mit Geschäfts­partnern nutzen. Befragt wurden die B2B-Mitglieder von Switzerland Global En­terprise sowie Alumni der CAS-Weiterbildung Online/Marketing und Kommunikation an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Insgesamt 63,2 Prozent der Unternehmen sind KMU (bis 249 Mitarbeitende), die restlichen 36,8 Prozent sind Gross­unternehmen (250 bis mehr als 10000 Angestellte).

Risikobereitschaft

Ob und inwiefern Social Media in der B2B-Kommunikation eingesetzt wird, ist fast unabhängig von der Unternehmensgrösse und findet bei allen Befragten hauptsächlich auf C-Level-Ebene statt. Nur bei den kleinen Firmen liegt diese Ermächtigung noch etwas mehr bei der Geschäftsleitungsführung. Zu erklären ist dies mit den multiplen Funktionen und Aufgaben, die oftmals in einzelnen oder wenigen Personen vereint sind. An zweiter Stelle fällt die Social-Media-Entscheidung bei allen Firmen im Marketing.

Allerdings unterscheiden sich KMU von Grossunternehmen teils deutlich in Bezug auf die Barrieren eines Social-Media-Einsatzes. Das innovative Potenzial und eine höhere Risikobereitschaft von Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden sind bezeichnend für deren geringere Sicherheitsbedenken in Bezug auf Onlinemedien. Damit einhergehend ist das positive Nutzenverständnis von Social-Media-Kanälen in der B2B-Kom­muni­kation. Auch die internen IT-Prozesse werden im Gegensatz zu den grösseren Unternehmen eher als förderlich denn hemmend angesehen. Dies mag an den flachen Hierarchien und kurzen Kommunikationswegen liegen, mit denen Probleme schneller und unbürokratischer gelöst werden können. Auch der Return on Investment sowie der finanzielle Mitteleinsatz werden lediglich von den kleineren Unternehmen als Motivationskri­terium für Social Media gesehen. Im Gegensatz zu den mittleren und grossen Unternehmen sind sie in der Lage, Geschäftsprozesse und Erlös­ergebnisse durch Social Media positiv zu beeinflussen.

Sicherheitsbedenken

Diejenigen Faktoren, welche die Kleinunternehmen in der Social-Media-Kommunikation unterstützen, bremsen vor allem die grossen Unternehmen, beschränken aber auch die mittelgrossen: Auch wenn alle Befragten durchaus Sicherheitsbedenken äussern, stellen sie dennoch zusammen mit den rechtlichen Aspekten die grösste Hürde für ein Grossunternehmen dar, wenn es beispielsweise um die Sicherheit der Informationen sowie technische Lücken bei vertraulichen Kundendaten geht. Es scheint relativ klar zu sein, dass rechtliche Bedenken den Einsatz von Facebook, Linkedin, Twitter und so weiter erschweren beziehungsweise solchen sozialen Kanälen weniger schnell Vertrauen zuteilwird.

In Grossunternehmen wird auch eine fehlende externe Nachfrage als Social-Media-Hindernis postuliert. Fraglich ist aber, inwieweit die Interviewten davon ausgehen, dass der Partnerdialog von der jeweils anderen Seite initiiert wird. Inwieweit die fehlende Nachfrage den Unternehmen proaktiv bekannt oder reaktiv vermutet wird, bleibt hier ebenfalls offen. Eng verknüpft mit der Nachfrage ist auch die Kundenakzeptanz, die bei allen Teilnehmenden nachvollziehbar als starker Enabler gilt. Finanzielle Ressourcen werden als eher neutral betrachtet, das heisst das Social Web wird nicht mehr als vergleichsweise günstiges Tool mit Spielwiese zum Austoben angesehen.

Instagram und Pinterest

Insgesamt zeigt sich hier ein positives Stimmungsbild, wobei die KMU eindeutig die agileren Unternehmen sind. Mehr Bedenken sowie höhere Social-Media-Barrieren haben die Grossunternehmen. Websites und Newsletter sind bei allen Unternehmensbefragten die am häufigsten genutzten Online-Kanäle. Youtube, Facebook, Linkedin und Xing werden von den Grossunternehmen favorisiert, gefolgt von den kleinen und mittelgrossen Unternehmen, wobei darunter die pro­fessionellen Netzwerke von den mittleren Unternehmen die geringste Anwendung zeigen. Bei Wikis und Communitys sind ebenso die grossen Unternehmen die Bahnbrecher.

Allerdings finden die visuell-orientierten Netzwerke Instagram und Pinterest den grössten Nutzen bei den Klein- gefolgt von den Grossunternehmen, weniger den mittelgrossen Unternehmen. Dabei zeigt Instagram eine in etwa doppelt so hohe Verwendung wie Pinterest. Hier liegt der Fokus wahrscheinlich auf den höheren Interaktionsraten, die durch die veröffentlichten Fotos erzielt werden. Dies setzt aber voraus, dass deren Nutzer Instagram täglich oder zumindest regel­mässig verwenden, was wiederum eine attraktiv bewirtschaftete Plattform bedingt. Die Fotos auf Instagram haben eine wesentlich kürzere Halbwertzeit als auf Pinterest. Die Kommunikationsstrategie, die auf Pinterest verfolgt wird, ist daher langfristiger ausgerichtet, weil auf Pinterest der Feed aktualisierbar und die Botschaft immer wieder verlängerbar ist. Bei der Verwendung der beiden Platt­formen steht der Aktualität, also einer chronologisch erscheinenden Live-Information, ein sehr umfangreicher, zum Teil wochenlang aufrechterhaltener Content gegenüber.

Kommunikationsziele erreicht

Beide Ansätze sind vergleichsweise innovativ und setzen eine gewisse Kompetenz bei den Initiatoren voraus. Dies mag eher der Fall sein bei den ausprobierfreudigen Kleinunternehmen sowie den grossen, finanzkräftigeren Firmen mit Digital-Marketing-/Social-Media-Abteilungen als bei den mittleren Unternehmen, die in ihrer hybriden Sandwichfunktion vielleicht sowohl zu rigide als auch von fehlenden finanziellen beziehungsweise personellen Ressourcen geprägt sind. Mit den eingesetzten Instrumenten sind die befragten Unternehmensvertreter in der Lage, Brand Awareness, also Reichweite sowie Imageziele in der Kommunikation, zu erreichen. Ziele wie Produktinformationen und Serviceangebot sowie die Weiterempfehlung über Social Media zu generieren, werden ebenfalls mitunter erreicht. Bei der Leadgenerierung und der Rekrutierung hapert es bei allen. Letztere Aufgabe ist die einzig abgefragte Zielsetzung, die einen höheren Zielerreichungsgrad bei den Grossunternehmen aufweist. Bei allen anderen kommunikativen Fähigkeiten sind es die KMU, welche besser abschneiden. Die Personalsuche über Linkedin und Xing über die professionellen Plattformen mag mit Wachstumszielen verbunden sein.

Stiefmütterliches Controlling

Der leicht höhere KMU-Erfolgsfaktor bei der Business-to-Business-Kommunikation korreliert wahrscheinlich mit der Art des Controllings bei den durchgeführten Massnahmen. Wenn auch alle Befragten primär nur die einfachen Kennzahlen wie Shares und Likes messen, so tasten sich die KMU ein wenig mehr an die Messung von Leads und Conversion heran als Grossunternehmen. Allerdings auch noch zu wenig, um zu verstehen, wie sie mit Social Media Leads generieren und die Conversion steigern könnten.

Das konkrete Potenzial bleibt somit also im Dunkeln, solange die Firmen nur die direkt messbaren Inter­aktionskennzahlen, wie Cost-per-Click, zum Beispiel für Werbung bei Facebook, anschauen. Nicht nur, dass die Verantwortlichen die Wirkungsweise ihrer Social-Media-Kommunikation nicht aus­reichend kennen, sie können auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht realistisch einschätzen. Die Entscheidung, ob der nach wie vor geringe Anteil des Marketingbudgets für Social Media angemessen, ausreichend und dem Nutzen entsprechend verwendet wird, kann nur dann beantwortet werden, wenn aus der Trial-and-Error-Phase ein qualifiziertes Controlling wird.

Marketing-Budget

Ein letzter Aspekt, welcher den Erfolgsvorsprung von kleinen Firmen im erfolgreichen Einsatz von sozialen Netzwerken in der Partnerkommunikation ebenso stützt, ist das eingesetzte Budget. Der Anteil an Unternehmen, die über 35 Prozent oder gar über 45 Prozent ihres Marketingbudgets für digitale Massnahmen ausgeben, ist bei Kleinunternehmen wesentlich höher als bei Mittel- und Grossunternehmen. In Relation zum Gesamtbudget gesehen, mag dies teils ähnlichen Summen entsprechen und auch an den limitierten finanziellen Ressourcen der KMU liegen.

Soziale Medien sind dann erfolgreich eingesetzt, wenn sie auf  einen langfristigen Mehrwert für die Partnerbeziehung im Business-zu-Business ausgerichtet sind. Strategisch abgestimmte Zielsetzungen und detaillierte Wirkungsmessung sind Voraussetzung für den effizienten crossmedialen Einsatz. Die praktischen Implikationen, also wie KMU operativ vorgehen können, werden aktuell auf Basis der Studienergebnisse vom «Social Media & B2B»-Team am Institut für Kommunikation und Marketing in Form einer anwendungsfreundlichen Toolbox und einer Web-App entwickelt. Beide werden ca. Mitte August 2016 einsatzbereit sein. Das «KMU-Magazin» wird darüber zeitnah berichten.