Forschung & Entwicklung

Managementkonzepte

Interpreneurship für vernetztes Denken und Handeln

Innovationen sind wichtig, doch wie gelingen die «wahren» Innovationen? Interpreneurship als neues Managementkonzept liefert hierzu einen entscheidenden Beitrag, indem konkrete Handlungsempfehlungen für den unternehmerischen Alltag an die Hand gegeben werden. Hierdurch können radikale Innovationen geschaffen, bewertet und verwertet werden.
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Um die Charakteristika des Interpreneurship zu erfassen, muss man sich zunächst den drei fundamentalen Unterschieden zum klassischen Innovationsmanagement bewusst sein.

Innovationsmanagement 2.0

Radikale Innovationen im Fokus

Im Kern konzentriert sich Entrepreneurship – als Ausgangspunkt für das Interpreneurship – auf radikale Innovationen und schenkt rudimentären Innovationen nur bedingt Beachtung. Eine unternehmerische Gelegenheit im Sinne des Entre­preneurship weist immer einen Innova­tionssprung auf und verändert damit bestehende Marktstrukturen; teilweise mit dramatischen Auswirkungen. Im Innovationsmanagement wird ra­dikalen Innovationen zwar augenscheinlich immer grössere Bedeutung beigemessen, im Kern liegen dem Prozessdenken dieses Managementansatzes aber vor allem inkrementelle Innovationen zugrunde.

Personen stehen vor Prozessen

Zudem steht die Person – also der Unternehmer beziehungsweise die Unternehmerin – im Vordergrund. Letztlich ist es das persönliche Verhalten des Entrepreneurs, das über Erfolg oder Misserfolg des unternehmerischen Denkens und Handelns entscheidet. Somit existieren unternehmerische Gelegenheiten nicht per se und isoliert; vielmehr müssen sie stets in Verbindung mit dem findigen Unternehmer betrachtet werden. Aufgrund des bewussten Prozesscharakters im Innovationsmanagement sind Personen hier letztlich austauschbar. Wechselnde Projektleiter und -mitarbeitende im Innovationsbereich zeigen dies eindrücklich.

Aktiv gestalten

Letztlich führt dies zur Handlungsorientierung aller Beteiligten. Der sogenannte Effectuation-Ansatz stellt hierbei nicht bloss eine Abweichung von unserem traditionellen zielorientierten Prozessdenken in Kausalketten dar, sondern baut auf einer vollkommen unabhängigen Logik auf. Effectuation lässt sich hervorragend bei wahrlich neuen Produkten auf neu geschaffenen Märkten beobachten. Im Endeffekt ist Effectuation ein neuer Zugang zu unternehmerischem Denken und Handeln bei radikal-innovativen Geschäftsideen und -modellen. Im Ergebnis wird hier die Zukunft aktiv gestaltet, statt bereits bestehenden Trends hinterherzulaufen. Daher stehen Fragen, inwieweit das Schaffen eines «unternehmerischen Klimas» implementierbar ist und welche organisatorischen Prozesse und Strukturen berührt werden, im Zentrum.

Zusammenfassend sind es somit die drei Elemente

  • radikale Innovationen statt inkrementelle Innovationen,
  • Personenorientierung statt Prozessfokussierung sowie
  • Agieren statt Reagieren,

die Corporate Entrepreneurship – als Ausdruck der Übernahme von Entre­­p­reneurship-Konzepten in die bestehenden Unternehmen – vom Gedankengut klassischen Innovationsmanagements unterscheiden. Daher wird Corporate Entrepreneurship auch als Intrapreneurship oder Unternehmertum im Unternehmen bezeichnet.

Wertschöpfung im Netzwerk

Unternehmertum im Unternehmen war seinerzeit bahnbrechend, fusst aber letztlich auf der Annahme, dass Unternehmen isoliert sind. Offensichtlich widerspricht dies jeglicher Realität. Beispiele hierfür lassen sich vom organisationsübergreifenden Personalmanagement über unternehmensübergreifende Produktions­prozesse bis hin zum Marketing von Unternehmenszusammenschlüssen in nahezu allen Managementfeldern finden. Übertragen auf Unternehmertum im Unternehmen bedeutet dies letztlich, die Grenzen des Unternehmens überwinden zu müssen und somit ein Unternehmertum zwischen (lat. inter) Unternehmen zu betrachten. Während im Corporate Entrepreneurship die Beteiligten ausschliesslich einem Unternehmen ange­hören, können sie im Interpreneurship nämlich unterschiedlichen Organisationen verbunden sein. Hierbei kommen neben Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette auch andere Teilnehmer eines bestehenden Netzwerks – wie beispielsweise kooperierende Forschungs­institutionen oder die besonders relevante Kundenperspektive – infrage. Insofern trifft hier Corporate Entrepreneurship auf die Denkweise des Open Innovation-Ansatzes.

Umsetzung von Interpreneurship

Elementar für die Umsetzung des Interpreneurship ist es, den Kerngedanken des Entrepreneurship zu erhalten. So lassen sich aus dem bereits kurz angesprochenen Effectuation-Ansatz konkrete Handlungsempfehlungen als praktische Implikationen ableiten.

Im «crazy quilt principle» (Prinzip der Mittelorientierung) bedeutet dies, die Ressourcen für die erfolgreiche Umsetzung einer radikalen Innovation nicht nur im eigenen Unternehmen zu suchen, sondern aktiv das Netzwerk des Unternehmens über dessen eigene Grenzen hinaus zu nutzen. Ein wesentlicher Vorteil des Interpreneurship ist in diesem Zusammenhang dahingehend zu finden, dass bereits durch die Vergrösserung des Aktionskreises das Potenzial zur Generierung von radikalen Innovationen vergrössert wird. Die Hauptaufgabe des Interpreneurship besteht in dieser Frühphase darin, den kontinuierlichen Gedankenaustausch zu gewährleisten sowie in der Schaffung der Möglichkeit zur Artikulation potenzieller Ideen. Auch Methoden des Wissensmanagements finden hier Anwendung.

Aus dem «affordable loss principle» (Prinzip des leistbaren Verlusts) lässt sich für alle Massnahmen im Rahmen des Interpreneurship die Forderung nach einem genau zu definierenden Budget ableiten. Dieses sollte sich sowohl auf die Umsetzung der Innovation am Markt als auch die Phasen der Identifizierung anwenden. Wie dem Namen dieses Prinzips zu entnehmen ist, sollte die Höhe dieses Budgets sorgfältig gewählt werden, da zumindest im kurzfristig direkten Zusammenhang nicht zwangsläufig mit einem Rückfluss der investierten Mittel zu rechnen ist. Langfristig zeigen vielfältige empirische Studien jedoch eindeutig die wertsteigernde Wirkung von unternehmerischem Denken und Handeln.

Im Umgang mit den Stakeholdern des Unternehmensnetzwerks findet das «bird-in-hand principle» (Prinzip der Partnerschaften) Anwendung. Diese sollten eigenmotiviert ausgewählt werden und in engem Kontakt miteinander stehen. Da dieses Prinzip der gebräuchlichen Wettbewerbsanalyse entgegensteht, ist es ausschlaggebend, den kooperativen Charakter mit den Netzwerkteilnehmern zu betonen und diese eben nicht als Konkurrenz aufzufassen. Hierbei kann der erfolgreiche Interpreneur auf ergiebige Erkenntnisse aus der Kooperations- und Allianzliteratur zurückgreifen. Ebenso kann in diesem Prinzip die Kundeneinbindung in Forschungs- und Entwicklungsprozesse subsumiert werden.

Letztlich werden durch das «lemonade principle» (Prinzip der Zufälle) sowie durch das «pilot-in-the-plane principle» (Prinzip der Zukunftsorientierung) Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die – analog zum unternehmerischen Klima – in allgemeinerer Form auf das Denken und Handeln der Interpreneure zielen. Neben der Erkenntnis, dass im Bereich grosser Innovationspotenziale Überraschungen nicht vermeidbar sind und sinnvoll genutzt werden sollten, muss erkannt werden, dass die Zukunft nachweislich nicht beliebig fortschreibbar ist. Vielmehr wird sie durch menschliches – in diesem Fall interpreneurales – Handeln gestaltbar. Zum einen zeigt sich hier die Verknüpfung zum Krisenmanagement inklusive eines entsprechenden Management-Tools zur ressourcenschonenden Früherkennung von Fehlentwicklungen, zum anderen führt dies zur Aufforderung zu proaktivem Handeln, beispielsweise durch das bewusste Ausnutzen der bereits erlangten Marktmacht eines Unternehmens.

Handlungsempfehlungen

Im Kern lassen sich somit folgende Handlungsempfehlungen darstellen:

  • «crazy quilt principle» (Prinzip der Mittelorientierung): Nutzen Sie aktiv Ihr Unternehmensnetzwerk, um wahrlich Neues zu schaffen! Erweitern Sie Ihren Horizont, indem Sie bewusst über den eigenen Tellerrand hinausschauen.
  • «affordable loss principle» (Prinzip des leistbaren Verlusts): Legen Sie für radikal-innovative Projekte im Vorfeld ein fixes Budget fest, das Sie notfalls auf dem Altar der Innovationskraft zu opfern bereit sind.
  • «bird-in-hand principle» (Prinzip der Partnerschaften): Kooperieren Sie wo immer möglich und berichten Sie fortwährend über Ihr Innovationsprojekt. Finden Sie Verbündete für Ihre unternehmerische Mission.
  • «lemonade principle» (Prinzip der Zufälle): Nutzen Sie Unvorhergesehenes positiv! Nur die wenigsten Innovationen beginnen mit einem «Heureka!».
  • «pilot-in-the-plane principle» (Prinzip der Zukunftsorientierung): Gestalten Sie die Zukunft Ihres Unternehmens, statt bestehenden Trends hinterherzulaufen! Werden Sie zum erfolgreichen Piloten Ihres unternehmerischen Flugs Richtung Innovation!

Fazit

Zusammenfassend kann Interpreneurship als Unternehmertum in Unternehmensnetzwerken aufgefasst werden, da es aus einer übergeordneten Perspektive eine andere Sichtweise auf Innovationsprozesse in Unternehmen(-snetzwerken) einnimmt. Die aufgezeigten Erweiterungen des Entrepreneurship mit ihren jeweiligen Kernkomponenten charakterisieren das Interpreneurship. Letztlich wird hierdurch die Abgrenzung des Interpreneurship zum klassischen Innovationsmanagement durch die Fokussierung auf etablierte Unternehmen und deren Netzwerke ersichtlich. Die Abbildung zeigt diesen Zusammenhang schematisch. Die Denkweise des Interpreneurship kann hierbei in zwei Dimensionen kategorisiert werden.

Zum einen kann Interpreneurship als vernetztes Unternehmertum und somit Input-orientiert aufgefasst werden. Hierbei steht insbesondere die Frage nach der Herkunft unternehmerischer Gelegenheiten im Vordergrund. Exemplarisch sei hier auf das strategische Kooperieren etablierter Unternehmen mit innovativen Start-ups hingewiesen, wie es im Rahmen von Corporate Venture Capital-Investments vorgenommen wird. Hier zielt das vernetzte Unternehmertum auf strategische Interessen, wie beispielsweise das Generieren innovativer Geschäftsideen, wobei der Impuls zu diesen Innovationen ausserhalb des Unternehmens vorzufinden ist.

Zum anderen zeigt sich Interpreneurship jedoch auch als vernetzendes Unternehmertum und betont hierbei die Ergebnis­orientierung sowie die Proaktivität der Managementkonzeption. Einige Eingängige Beispiele für diese Sichtweise lassen sich in bewussten Ausgründungen innovativer Geschäftsideen (sogenannte Spin-offs bzw. Spin-outs) finden. Hier zeigt sich ebenfalls neben monetären Interessen insbesondere eine strategische Überlegung, die sich in neuen Kooperationen zur Generierung radikaler Innovationen niederschlagen kann.

Gesamtaufgabe des Interpreneurship ist es, diese in weiten Teilen des Unternehmens stattfindenden (Teil-)Prozesse zu koordinieren und unter Effizienzgesichtspunkten proaktiv zu gestalten. Übergeordnetes Ziel des Interpreneurship muss hierbei das bewusste Schaffen eines unternehmerischen Klimas über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinweg sein, damit radikale Innovationen aus diesem Netzwerk heraus erkannt und verwertet werden können. Die aktive Ein­bindung der Netzwerkpartner ist somit notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für das erfolgreiche Implementieren des Interpreneurship.