Es erscheint zuweilen so, als werde alles unsteter und unsicherer. Politische Strukturen und Gepflogenheiten scheinen ihre Wertigkeit zu verlieren. Business-Modelle und ganze Wirtschaftssysteme werden immer schneller obsolet angesichts von Mega-Trends wie der Digitalisierung. Berufskarrieren sind geprägt von Jobwechseln und der Notwendigkeit zur kontinuierlichen Aneignung neuer oder anderer Kompetenzen. Diese Unstetigkeit und Unsicherheit hat auch die Wissenschaft erreicht. Nämlich auf die Art und Weise, dass sich die Wissenschaft stark der Frage annimmt, wie wir auf fortwährende Unsicherheiten reagieren sollen. Wenn wir nun die wissenschaftlichen Modelle und Theorien rund um das Thema studieren, so können wir Verhaltensweisen ableiten, die wir für uns und unsere Organisationen anwenden können. So können wir der steten Unsicherheitserfahrung etwas entgegensetzen, um ein zufriedeneres und effektiveres Arbeiten zu ermöglichen.
Managementtheorien als Antworten auf Unsicherheiten
Eine Vielfalt an Management-Modellen und -Theorien ist geprägt von Erfahrungen der Unsicherheit. Dies führt dazu, dass aktuell geführte Diskussionen der Managementlehre sich um Situationen der Unsicherheit drehen, selbst dann, wenn das Wort «Unsicherheit» gar keine Verwendung findet. Dies stimmt für alle Ebenen: Organisations-, Team- und individuelle Ebene. Gerne gebe ich ein paar Beispiele.
Ein in der Management-Lehre prominenter Diskussions-Strang verlangt von Organisationen gelebte «ambidexterity» («Beidhändigkeit»). Gemeint ist, dass sich Unternehmen nicht von ihrem Weg abbringen lassen sollen – auch in turbulenten Zeiten nicht – und eisern das tun und Schritt für Schritt verbessern sollten, was sie gut können. Dies ist ein Appell für Ruhe, Beständigkeit und kleine Schritte, auch wenn der Wind der Veränderung von überallher zu toben scheint. Andererseits sollte gleichzeitig zumindest in Teilen der Unternehmung die Zukunft mutig geplant werden, unabhängig vom Bisherigen. Die Beidhändigkeit ist dann diejenige Kompetenz der Unternehmensführung, das Neue so in das Unternehmen einzubetten, dass die übergeordnete Ruhe und Beständigkeit nicht verloren geht.
Konstruktiv auf Veränderungen und Störungen reagieren
Von konkurrenzfähigen Organisationen wird auch die Kompetenz zur «Resilienz» verlangt. Es wird der Frage nachgegangen, was nötig ist, dass Unternehmen konstruktiv auf Störungen und Veränderungen reagieren können. Hierbei geht es darum, dass die Unternehmensführung durch konsequenten Kontakt zu Kunden und der Aussenwelt Antennen entwickelt, mit denen vorausschauend mögliche Störungen sowie Veränderungen frühzeitig erkannt werden können. Und es geht um vorbeugend etablierte und robuste interne Prozesse, die dann sofort angestossen werden können, wenn das Unternehmen auf eine Störung oder Veränderung reagieren muss.
Ebenso sind die Erfahrungen von Unsicherheit auf der Team-Ebene deutlich spürbar. So verlangt das von Frederic Laloux propagierte Konzept des «Teal-Leadership» die radikale Abkehr von hierarchischen sowie statischen Führungsmodellen. Denn die Vielzahl an Störungen und Veränderungen könne nur dann erkannt (Stichwort «Antennen») und bearbeitet werden (Stichwort «robuste Prozesse»), wenn alle Beteiligten ihre Antennen und Kompetenzen schnell, gleichzeitig und unbürokratisch einbringen können. In einem Kontext der Unsicherheit soll die Verantwortung der Lösungsfindung also auf viele Schultern verteilt werden, weil einer allein angesichts der Fülle an Informationen überfordert wäre. Die Folge dieser Verteilung der Verantwortlichkeiten sind Teams, die sich agil – je nach konkreter Störung oder Veränderung – selbst und neu organisieren, angepasst an die jeweilige Herausforderung und die für deren Bewältigung nötigen Kompetenzen, und nicht mehr vorbestimmt durch Hierarchien und Weisungsbefugnisse.