Über Jahrhunderte hinweg galt die Familie als ökonomische Institution. Sie war für die Mitglieder Arbeits- und Wohnort zugleich, definierte klare Verhaltensmuster, übte soziale Kontrolle aus und erbrachte wichtige gesellschaftliche Leistungen. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Familie praktisch alleine zuständig für die Bereitstellung der Nahrung und des Wohnraums, die Erziehung, die Krankenpflege, den Vermögensaufbau und -erhalt sowie die Altersvorsorge. Im Lauf der Zeit wurden viele dieser Aufgaben an wirtschaftliche oder gesellschaftliche Institutionen delegiert. In der Folge entwickelten sich die Funktionen von Familie und Unternehmen immer stärker auseinander.
Wenn Grenzen verschwimmen
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts können Familien und Unternehmen als zwei verschiedene soziale Systeme oder Welten betrachtet werden, in denen unterschiedliche Regeln gelten. Diese Regeln passen nicht immer zusammen und schliessen sich teilweise sogar aus. In Familien stehen Personen, ihre Beziehungen, Emotionen, Bedürfnisse und langfristigen Entwicklungsprozesse im Vordergrund. Bei der Unternehmensführung hingegen stehen Aspekte wie formale Funktionserfüllung, Einhaltung von Arbeitsabläufen und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund.
Im Familienunternehmen verschwimmen die Grenzen dieser beiden Welten. Es kommt häufig zu einer Vermischung der Rollen und Verantwortlichkeiten. Familiäre und unternehmerische Regeln kommen gleichzeitig ins Spiel und die personelle Identität von Familienmitgliedern und Mitarbeitenden deckt sich. Dies ist für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll und macht die Kommunikation und Entscheidungsfindung häufig konfliktanfälliger.