Forschung & Entwicklung

Unternehmensnachfolge

Familie und Unternehmen – zwei Welten

In Familienunternehmen treffen zwei Welten aufeinander: die Familie und das Unternehmen. Die Gleichzeitigkeit familiärer und unternehmerischer Regeln macht die Interaktionen in Phasen von Veränderungen konfliktanfällig – so auch bei der Unternehmensnachfolge. Was es für einen erfolgreichen Nachfolgeprozess braucht, zeigt dieser Beitrag.
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Über Jahrhunderte hinweg galt die Familie als ökonomische Institution. Sie war für die Mitglieder Arbeits- und Wohnort zugleich, definierte klare Verhaltensmuster, übte soziale Kontrolle aus und erbrachte wichtige gesellschaftliche Leistungen. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Familie praktisch alleine zuständig für die Bereitstellung der Nahrung und des Wohnraums, die Erziehung, die Krankenpflege, den Vermögensaufbau und -erhalt sowie die Altersvorsorge. Im Lauf der Zeit wurden viele dieser Aufgaben an wirtschaftliche oder gesellschaftliche Institutionen delegiert. In der Folge entwickelten sich die Funktionen von Familie und Unternehmen immer stärker auseinander.

Wenn Grenzen verschwimmen

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts können Familien und Unternehmen als zwei verschiedene soziale Systeme oder Welten betrachtet werden, in denen unterschiedliche Regeln gelten. Diese Regeln passen nicht immer zusammen und schliessen sich teilweise sogar aus. In Familien stehen Personen, ihre Beziehungen, Emotionen, Bedürfnisse und langfristigen Entwicklungsprozesse im Vordergrund. Bei der Unternehmensführung hingegen stehen Aspekte wie formale Funktionserfüllung, Einhaltung von Arbeitsabläufen und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund.

Im Familienunternehmen verschwimmen die Grenzen dieser beiden Welten. Es kommt häufig zu einer Vermischung der Rollen und Verantwortlichkeiten. Familiäre und unternehmerische Regeln kommen gleichzeitig ins Spiel und die personelle Identität von Familienmitgliedern und Mitarbeitenden deckt sich. Dies ist für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll und macht die Kommunikation und Entscheidungsfindung häufig konfliktanfälliger.

Dankbarkeit und Vorwurf

Die enge Kopplung wirkt auf die Familiendynamik, die wiederum Einfluss auf die Dynamik des Unternehmens nehmen kann:

Konkurrenz- und Schuldgefühle

Kinder in Unternehmerfamilien erleben das Unternehmen oft als Konkurrenz bezüglich der elterlichen Liebe und Aufmerksamkeit. Dies führt häufig zu einer ambivalenten Beziehung gegenüber dem Unternehmen. Entweder distanzieren sich die Kinder oder sie bemühen sich um-so mehr um eine Tätigkeit innerhalb der Firma, um Anerkennung, Beachtung und eine tragende Rolle in der Familie zu finden.

Eltern ihrerseits haben manchmal das Gefühl, ihren Kindern nicht genügend Zeit widmen zu können, und reagieren mit offenen oder verdeckten Schuldgefühlen. Als mögliche Folge «entschädigen» Eltern ihre Kinder dann materiell und deklarieren ihr berufliches Engagement als Zeichen des Familiensinns, im Sinne von «wir tun das alles nur für unsere Kinder». Dies bringt die Kinder wiederum in eine Zwickmühle und lässt sie zwischen Dankbarkeit und Vorwurfshaltung schwanken.

Doppelbindungssituation

Unternehmerpersönlichkeiten der abgebenden Generation zeichnen sich gemäss Studien häufig durch Streben nach Unabhängigkeit und Macht, Lust am Gestalten und Entscheiden sowie einen patriarchalen Führungsstil aus. Sie erwarten von ihren Kindern einerseits Unterordnung und Bewunderung, andererseits sehen sie sich selbst als «Erfolgsmodell» und wünschen sich, dass ihre Kinder ihnen und ihrem Stil nachfolgen.

Dies bringt die Kinder in die sogenannte Doppelbindungssituation: Unterwerfen sie sich, übernehmen sie eine schwache Position und verlieren Respekt sowie Glaubwürdigkeit. Entwickeln sie sich zu eigenständigen Unternehmerpersönlichkeiten, werden sie zu Konkurrenten, die das Bestehende verändern könnten. Konflikte sind im bestehenden Gefüge somit vorprogrammiert.

In elterlicher Delegation

In Unternehmerfamilien steht der Wunsch, dass das Geschäft von der nächsten Generation weitergeführt wird, oft explizit oder implizit im Raum. Während der gesamten Entwicklung haben die Kinder miterlebt, wie sinnstiftend das Unternehmen für die Familie und vor allem für ihre Eltern ist.

Mit ihrer Berufswahl werden sie gezwungen, über den Fortbestand des Familienunternehmens und damit des ganzen Lebenssinns ihrer Eltern zu entscheiden. Dieses Dilemma kann zu einer Parentifizierung der Kinder führen, das heisst, die Kinder fällen ihre eigenen Lebensentscheide aus Motiven, die für ihre Eltern wichtig sind, quasi in elterlicher Delegation. Das muss natürlich nicht zwingend so sein. Doch braucht die Abgrenzung gegenüber den Erwartungen und Hoffnungen der Eltern einen besonderen psychischen Aufwand, was eine eigenständige Identitätsentwicklung nötiger macht.

Grundlagen für den Erfolg

Trotz Veränderungen in der Wirtschaft und Gesellschaft und der tendenziell sinkenden familieninternen Nachfolgeregelungen werden Familienunternehmen weiterhin das Bild der Schweizer KMU-Landschaft prägen. Was Familienunternehmen auch in Zukunft zu attraktiven Arbeitgebern sowie gefragten Geschäftspartnern macht, sind ihr langfristiger Fokus, die starke Qualitätsorientierung, die mitarbeiterfreundliche Unternehmenskultur sowie die Bedeutung nachhaltiger Geschäftsführung.
Familiäre Beziehungen mit ihren vielfältigen Verletzlichkeiten bieten jedoch ein erhebliches Konfliktpotenzial, welches jederzeit auch auf das Unternehmen überschwappen und es im Fortbestand bedrohen kann. Damit dies möglichst nicht passiert, sollten bestimmte Grundsätze im Zusammenspiel von Familie und Unternehmen berücksichtigt werden. Dazu gehören unter anderem:

Konfliktfähigkeit und Zusammenhalt fördern

Die Basis für einen guten Zusammenhalt der Familie hat mit Grundhaltungen zu tun, die durch die familiäre Erziehung sowie Sozialisation vermittelt werden. Werte wie Geborgenheit, Vertrauen, Verständnis, Respekt, Verlässlichkeit und eine offene Kommunikation schaffen ideale Voraussetzungen für tragfähige Beziehungen. Werden zudem verantwortungsvolle, autonome Persönlichkeiten gefördert, bestehen gute Chancen, dass Konflikte frühzeitig angesprochen werden und die Betroffenen gemeinsam nach Lösungen suchen können.

Transparenz

Mit zunehmender Komplexität der familiären Strukturen kommt es zu Argwohn und Gefühlen einer ungleichen, unfairen Behandlung oder Benachteiligung. Die geschäftsführenden Eigentümer/-innen reagieren darauf am effizientesten mit transparenter Information und Offenlegung der Verhältnisse.

Trennung familiärer und unternehmerischer Interessen

Erfolgreiche Familienunternehmen realisieren möglichst klar die strikte Trennung von Familie und Unternehmen. Sie ordnen Individualinteressen einzelner Familienmitglieder den Unternehmensinteressen unter. Besondere Beachtung gilt dabei vor allem den Entscheidungen, die direkt mit der Geschäftsführung, zum Beispiel bei der Nachfolgeregelung, zu tun haben.

Das Engagement von Familienmitgliedern zahlt sich nur dann aus, wenn sie dem Anforderungsprofil entsprechen und mindestens so qualifiziert sind wie die familienfremden Personen, die in Frage kommen.

Aufgrund der familiären Beziehungen und ihres Verständnisses von Gerechtigkeit ist dies je nach Situation schwierig umzusetzen. Es ist jedoch nicht hilfreich, wenn ein unqualifiziertes, ungeeignetes Familienmitglied in einer Position überfordert ist und damit das Unternehmen allenfalls gefährdet.

Klare Kompetenz- und Verantwortungsbereiche

Klare Strukturen schaffen Transparenz, ermöglichen die Delegation von Verantwortung, vermitteln Sicherheit und erlauben Kontrolle. Insbesondere bei der Mitarbeit mehrerer Familienmitglieder im Unternehmen sind Rollenklärung und Rollenzuteilung sowie deren Respektierung wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Aufgrund der Komplexität und der verschiedenen sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren ist es trotz bester Absichten nicht einfach, solche Grundsätze immer umzusetzen. Wichtig ist, sie sich immer wieder bewusst zu machen und möglichst danach zu handeln.

In Veränderungsprozessen wie der Nachfolgeregelung ist es wichtig, alle Beteiligten frühzeitig einzubeziehen, miteinander im Gespräch zu sein, die verschiedenen Interessen und Standpunkte zu klären. Erfahrungsgemäss braucht ein solcher Prozess viel Zeit und es gibt in der Regel nicht die eine richtige Lösung. Es ist bereits viel gewonnen, wenn es den Beteiligten gelingt, offen über neue Wege zu reden und in verschiedenen Szenarien zu denken. Erwartungen und Wünsche sollten transparent gemacht, unterschiedliche Ziele sowie Sichtweisen akzeptiert werden. Denn nur gemeinsam können nachhaltige Lösungen gefunden werden, die der Familie und dem Unternehmen langfristig dienen.

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