Forschung & Entwicklung

Kolumne: Blick aus der Wissenschaft

Entrepreneurship à la USA

Die Start-up-Szene in der Schweiz hinkt der US-amerikanischen deutlich hinterher. Warum Unternehmergeist hierzulande weniger ausgeprägt ist und was wir von den Amerikanern lernen können, zeigt ein Vergleich.
PDF Kaufen

Für die wirtschaftliche Entwicklung sind neue Unternehmen von grosser Bedeutung. Insbesondere von den technologieorientierten und wissens­basierten neuen Unternehmen wird erwartet, dass sie einen Beitrag zum Strukturwandel, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Innovations­fähigkeit von bestehenden Unternehmen, Regionen und ganzen Nationen leisten (Audretsch et al. 2006; Reynolds et al. 2002). Hiesige Universitäten und Hochschulen versuchen denn auch seit Jahren das Thema Unternehmertum zu fördern und zu entwickeln. Mit unterschiedlichem Erfolg.

Schweiz und USA im Vergleich

Eine internationale Studie mit rund 64 000 befragten Studierenden in 19 Ländern zeigt auf, dass für nur 10 Prozent der Schweizer Studierenden im Vergleich zu 16 Prozent der internationalen Studierenden (Fueglistaller et al. 2009) in den ersten fünf Jahren nach dem Studium die Gründung eines eigenen Unternehmens ein erstrebenswertes Ziel sei. Damit könnte vordergründig eine Erklärung darin liegen, dass Schweizer Studienabgänger weniger unternehmerisch veranlagt sind als ihre Kolleginnen und Kollegen im Ausland. Ein weiterer Grund liegt in der grundsätzlichen Risikovermeidung der Schweizer Kultur. So finden ein Jahr nach Studienabschluss die Studienabgänger in der Schweiz zu 89 Prozent eine Erwerbstätigkeit. Ist der Berufseinstieg gelungen und zeichnet sich die Karriere ab, so ist der Schritt in eine Selbständigkeit ein grosses Risiko. Weiter kommt dazu, dass viele die immer mehr geforderte Work-Life-Balance eines Acht-Stunden-Tages dem eines rastlosen Unternehmers vorziehen. Die Arbeitsbedingungen und -verhältnisse sind in der Schweiz denn auch für Arbeitnehmer sehr gut ausgestaltet. Und genau darin liegt eines der wesentlichen Probleme, weshalb die Start-up-Szene nicht so richtig in Schwung kommt. Vergleicht man diese Zustände mit denen in den USA, so erkennt man grundsätzlich vier zentrale Aspekte, welche die aktiveren Start-up-Aktivitäten in den Staaten erklären. Es sind dies die Arbeitsmarktsituation, die Kultur, die Förderaktivitäten (staatliche und private) sowie der Marktzugang.

Arbeitsmarktsituation

Mit einer Arbeitslosenquote von 6 bis 9 Prozent in den letzten Jahren sind die Jobaussichten in den USA deutlich schlechter als in der Schweiz. Das gilt auch für gut ausgebildete Uni­versitätsabgänger. Laut CBS Moneywatch verfügen über 14 Prozent der Kellner über ein Bachelor-Degree. Bei Barangestellten sind es sogar über 16 Prozent. Es scheint also, dass Uni-Abgänger in den USA, insbesondere Abgänger von weniger renommierten Universitäten, schwer einen adäquaten Job finden. Und wenn, dann müssen sie häufig einen weniger qualifizierten und damit schlechter bezahlten Job annehmen. Nach einer Studie des «Institute for College Access & Success», das die Jobchancen von Uni-Abgängern beobachtet, hatten 2009 im Jahresschnitt fast 9 Prozent der amerikanischen Jungakademiker im Alter zwischen 20 und 24 keinen Job. Ein gesicherter Einstieg in die Berufskarriere, wie wir es in der Schweiz kennen, ist also weitgehend offen. Das fördert den Gedanken, sein eigenes Business aufzubauen.

Kultur

Die USA sind ein Volk mit einer hohen Selbstverantwortungskultur. «You just can do it», du kannst es erreichen – du musst dich nur genug anstrengen. Wenn man einige Zeit in diesem Land lebt, erkennt man die Stärke dieser Kultur. Erfolg wird bejubelt. Misserfolg ist keine Schande, sofern der Schritt zum nächsten Versuch gemacht wird. Gewinner straucheln und stehen wieder auf – Verlierer bleiben liegen. Dieses «an den Herausforde­rungen wachsen» kann als DNA der US-Bürger verstanden werden. Ein Volk, entstanden aus den Genen von Auswanderern, Abenteurern und geschäftstüchtigen Siedlern. Ein Volk, das jede Herausforderung annimmt und aus jeder Situation gestärkt hervorgeht. Egal ob Gewinner oder Verlierer.

Die Förderorganisationen

Bereits 1953 haben die USA die U.S. Small Business Administration gegründet und 1958 mit dem Small Business Investment Act in die gezielte Förderung von Unternehmen investiert (Darlehen, Bürgschaften und Beratungen). Parallel haben sich private Investoren diesem Segment der Neuunternehmen angenommen. Entstanden ist eine Venture-Capitalist-Szene, die massiv und mit gros­sem Risiko investiert. 2011 wurden alleine im Silicon Valley 11,6 Milliarden Dollar in Start-ups investiert. Dabei gilt es zu beachten, dass im Silicon Valley rund 2,9 Millionen Menschen leben, also rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung. In der Schweiz flossen 2012 gerade mal 300 Millionen CHF in Start-ups (Swiss Venture Capital Report 2016). Mit dieser langen Venture-Capital-Tradition haben sich die Vereinigten Staaten einen gros­sen Wettbewerbsvorteil herausgearbeitet.

Marktzugang

«Das Ziel der Venture Capitalists ist der Aufbau von Start-ups zu Marktleadern – möglichst weltweiten. Am Anfang steht eine Erfindung oder eine Idee. Am Ende ist die Idee am Markt durchgesetzt, das heisst, gegen 100 Prozent der Zielgruppe nutzen die Erfindung oder Idee.» (Sieber 2009) Damit zeigt sich auch hier ein grosser Unterschied: Für Jungunternehmen in der Schweiz sind die gros­sen Märkte deutlich schwerer zu erschliessen. Aus der Schweiz heraus gleich von Stand aus ein internationales Business aufzuziehen, erfordert deutlich mehr Know-how und auch Risiko. Während in den USA sofort ein Inlandsmarkt mit 300 Millionen potenziellen Kunden angesprochen werden kann, sind es in der Schweiz 8 Millionen und im deutschsprachigen Europa (DACH) rund 100 Millionen.

Begehrte Start-up-Städte

Hierzulande werden kleinere Brötchen gebacken. Selten adressiert ein Jungunternehmen den Weltmarkt. Das stellt natürlich die grundsätzliche Frage, ob die Schweiz für ein internationales Start-up überhaupt der richtige Standort ist. In der Praxis stellt man denn auch fest, dass sich viele in­ternational ausgerichtete Start-ups auch gleich international positionieren. Dabei führen in Europa London, Berlin, Madrid und Amsterdam die Liste der attraktivsten Start-up-Städte an. Zürich rangiert erst an 14. Stelle (EU-Startups, 2015).

Zusammenfassung

Die Erwartungen bezüglich Start-up-Szene Schweiz müssen realistisch bleiben. Ein Vergleich mit den USA kann uns trotzdem in diesem Thema weiterbringen. Die Start-up-Szene muss noch gezielter an die Öffentlichkeit. Aller Schweizer Bescheidenheit und Zurückhaltung zum Trotz. Die Unterstützung von Jungunternehmern muss transparenter ausgestaltet werden. Einige (Gross-) Unternehmen haben das Potenzial von Start-ups bereits erkannt und unterstützen diese aktiv. Aber gerade auch KMU sollten sich überlegen, wie sie diese Initiativen unterstützen und für sich nutzen können. Weniger Angst vor möglicher Konkurrenz, sondern die Chancen durch neue, innovative Geschäftsideen sollten erkannt werden. Neue Dienstleistungen und Produkte können ganze Branchen positiv beeinflussen. Eine Chance für KMU.