Forschung & Entwicklung

Kolumne: Blick aus der Wissenschaft

Ein Unternehmen als Paar führen

Rund 60 000 Schweizer KMU sind paargeführt. Diese Führungskonstellation birgt ganz besondere Herausforderungen – und Chancen. Auch wenn darüber wissenschaftlich bislang wenig geforscht wurde, sind Erfolgsfaktoren zu benennen.
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88 Prozent der Schweizer KMU sind Familienunternehmen. Dabei spricht man von einem Familienunternehmen, wenn die Firma durch eine oder mehrere Familien substanziell beeinflusst wird.  Eine Familie ist dabei definiert als eine Gruppe von Menschen, welche Nachkommen von einem Paar sind, sowie das Paar selber (Frey et al. 2004). Schaut man sich diese Familienunternehmen genauer an, so findet man eine Besonderheit, welche die Führung dieser Unternehmen deutlich von anderen unterscheidet: In vielen dieser Familienunternehmen sind Paare in der Unternehmensführung. Bergmann und Füglistaler (2014) schätzen, dass in der Schweiz 60 000 KMU paargeführt sind.

Paargeführte Unternehmen – ein Gemisch aus Gefühl und Geschäft

Interessanterweise finden sich in der Managementliteratur keine oder nur wenige Hinweise auf diese besondere Führungskonstellation. Das gemeinsame Führen eines Unternehmens als Ehe- oder Konkubinats-Partner ist in der wissenschaftlichen Forschung wenig beachtet – zu Unrecht. Denn die  wenigen existierenden Studien und Arbeiten beispielsweise von Krantz (1989)  oder Gronn (1999) und insbesondere die empirische Studie, welche Fravi und Plattner (2013) in der Schweiz durchführten, zeigen, dass die Paarführung eine besondere Herausforderung ist. In paargeführten Unternehmen ist die Kultur und Entwicklung des Unternehmens deutlich stärker mit der persönlichen Konstellation, der Beziehungsgestaltung und den Emotionen der Führungspaare verbunden. Eine Betrachtung aus systemtheoretischer Sicht zeigt eine enge Verbindung des Systems Unternehmung mit dem System Beziehung. Einfach gesagt: Geld und Liebe stehen sich deutlicher gegenüber.

Typischerweise, und im Sinne dieser Ausführungen, versteht sich eine Paarführung als ein Führungskonzept, in welchem die beiden Partner auf Augenhöhe und gemeinsam Einfluss auf das Unternehmen nehmen. Sie leben eine Art Co-Leitung. Entgegen konventioneller Co-Leitungen, bei welchen die Unternehmensentwicklung im Vordergrund steht und die persönliche Beziehung der beiden Co-Leiter oder -Leiterinnen weniger gefühlsbetont ist, haben bei einer paargeprägten Co-Leitung die Gefühle und Stimmungen in der persönlichen Beziehung einen deutlich grösseren Einfluss auf die Zusammenarbeit.

Erschwerend kommen oft noch die Rollenteilungen aus der Familiensituation hinzu. Neben dem Geschäft gilt es oft auch den Haushalt und die Familie zu organisieren sowie die Kinder zu betreuen. Klassische Rollenmuster vermischen sich mit modernen Managementaufgaben, Arbeitszeit und Freizeit flies­sen ineinander. So ergeben sich Geschäftsbesprechungen beim familiären Mittagstisch oder die Kinderbetreuung findet am Arbeitsplatz statt. Private Termine vermischen sich mit beruflichen, und es ist eine ständige Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen. Gerade wenn beide Systeme eine hohe Energie entwickeln, zum Beispiel das Geschäft anfängt zu wachsen oder die Familie sich vergrössert, werden Spannungen sichtbarer und stärker und die Abgrenzung wird anspruchsvoller. In diesen «Rushhours» des Lebens kann sich das Gemisch von Gefühlen und Geschäft schnell explosiv verdichten.  

Trotzdem haben Co-Leitungen und insbesondere auch paargeführte Unternehmen grosse Vorteile: So entstehen durch die Bündelung der familiären Ressourcen (Know-how und Energie) eine höhere Wertschöpfung und ein grösseres Einkommen. Die Wahrnehmung von aussen (Kunden, Lieferanten, Banken und andere Stakeholder) ist generell positiver.  Wie Familienunternehmen geniessen paargeführte Unternehmen ein höheres Vertrauen. Dieser gegenseitige Anbindeeffekt als Paar und Unternehmer kann beide Systeme stabilisieren. In keiner anderen Konstellation sind Loyalität und Solidarität gegenüber dem Partner und dem Betrieb so gross wie bei Paaren. Wobei gleichzeitig auch die Gefahr besteht, dass Paare Konflikten aus dem Weg gehen. Sicher positiv sind auch die höhere Identifikation mit dem Unternehmen und der sorgfältigere Umgang mit dem Kapital. Die Partnerschaften im Privaten und Geschäft sind dann mehr als einfache Zweckgesellschaften. Man ist mit Leib und Seele dabei und baut an einer gemeinsamen wirtschaftlichen Zukunft. Eine Energiebündelung, die nicht zu unterschätzen ist.

Schlüsselfaktoren einer erfolgreichen Paarführung

Auch wenn in diesem Feld noch wenig wissenschaftlich geforscht respektive erforscht wurde, können aus den vorliegenden Studien folgende Schlüsselfaktoren für eine gelungene Paarführung festgehalten werden:

  • Zu einem eingespielten Team werden: Zum einen sollten sich die persönlichen Interessen und Fähigkeiten der zwei zusammengehörenden Personen differenzieren und ergänzen. Dies ist eine funktionale Sicht, welche (fast) nicht beeinflussbar ist, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Partner aufgrund dieser Merkmale gefunden und ausgesucht haben. Wichtiger sind deshalb die dynamische Betrachtung der Situation sowie eine auf die aktuelle Situation des Unternehmens ausgerichtete klare und ausgehandelte Rollenverteilung. Darauf sollten eine aktive und individuelle Rollengestaltung und dann die sichtbare Übernahme dieser Rollen im Unternehmen folgen.
     
  • Gegenseitig Freiräume und Entscheidungen akzeptieren und stützen: Sind die Rollen geklärt und die Aufgaben und Verantwortlichkeiten entsprechend aufgeteilt, gilt es diese zu respektieren. Das heisst, dass Entscheidungen und Vorgehen gegenseitig akzeptiert und gestützt werden sollten. Das gilt besonders bei Entscheidungen, welche in der Organisation Irritation oder sogar Widerstand hervorrufen. Die Gefahr, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim jeweils anderen Paarteil über Entscheide beschweren oder sogar versuchen, über diesen Kontakt den Entscheid zu korrigieren, ist gross. Hier muss das Führungsgespann klare Signale setzen. Die Entscheide, welche in der eigenen Rolle gefällt wurden, dürfen vom Partner oder der Partnerin gegenüber den Mitarbeitern nicht infrage gestellt werden. Wenn Diskussionsbedarf besteht, dann ist das unter vier Augen zu klären.
     
  • Bewusste und klare gemeinsame Ziele und Werte – privat wie beruflich: Gerade weil aus Sicht der Mitarbeiter die «Doppelspitze» aus zwei verschiedenen Persönlichkeiten besteht, müssen beide Partner eine einheitliche Sicht über die Ziele, Regeln und Werte des Unternehmens haben. Es lohnt sich, diesem Punkt besondere Bedeutung beizumessen. Obwohl sich die Paare vermutlich privat bezüglich der Gestaltung des Lebens über ihre Ziele unterhalten, ist damit nicht notwendigerweise eine Übereinstimmung der Vorstellungen bezüglich des Unternehmens gegeben. Versteht man sich im privaten Leben «blind», so besteht die Gefahr, dass man einfach davon ausgeht, dass dieses gemeinsame Verständnis auch im Unternehmen trägt. Das muss nicht so sein. Wichtig ist deshalb, dass sich die Paare bewusst über die jeweiligen Vorstellungen unterhalten und einigen. Dabei kann es durchaus zu Zielkonflikten kommen (möglichst viel Zeit mit der Familie verbringen versus Zeit in Kundenbindung und Mitarbeiterbeziehung investieren). Wo sind Prioritäten zu setzen und wo Kompromisse notwendig? Das Bewusstsein für diese notwendige Einigkeit hilft.