Forschung & Entwicklung

Unternehmensentwicklung

Digitale Strategien entwickeln, umsetzen und messen

Auch KMU kommen um eine digitale Strategie nicht herum. Doch was genau ist eine digitale Strategie? Und wie bringt man eine digitale Strategie auf die Strasse? Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Zielgrössen, auf die eine digitale Strategie abzielt, und zeigt an einem Unternehmensbeispiel auf, wie sie umgesetzt werden kann.
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Eine digitale Strategie ist eine Geschäftsstrategie, die Ziele definiert, die mit der Nutzung digitaler Technologien erreicht werden sollen. Dabei hält die Strategie fest, an welchen Stellen digitale Initiativen bisherige (Offline-)Aktivitäten ergänzen oder ersetzen sollen. Eine digitale Strategie kann dazu dienen, die Beziehungen zu den Kunden zu verbessern oder Produkte und Leistungen aufzuwerten beziehungsweise zu erweitern (Ross et al. 2017).

Zielgrössen

Je nachdem, welche Ziele erreicht werden sollen, stellt die Umsetzung unterschiedliche Anforderungen an die Organisation. Integraler Bestandteil einer jeden digi­talen Strategie ist die Messung der Massnahmen. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der Messung und Analyse von Online-Massnahmen kann gut abgebildet werden, ob die eingesetzten Massnahmen zum gewünschten Erfolg führen.

Kundenbindung
Eine digitale Strategie kann auf die Kundenbindung («Customer Engagement») abzielen. Darunter fallen sämtliche Aktivitäten, die vom KMU unternommen werden, um eine Beziehung zwischen dem Unternehmen, dem Produkt oder der Marke und der Kundenbasis aufzubauen und zu pflegen. Die Beziehung beginnt in dem Moment, in dem der (potenzielle) Kunde das erste Mal die Website besucht, den Laden betritt oder einen Kauf tätigt. Ab diesem Zeitpunkt gilt es, aktiv die Beziehung zum Kunden aufzubauen, zu pflegen und im Hintergrund zu managen. All das lässt sich nicht von einem Tag auf den nächsten realisieren, sondern es braucht Zeit, den Kunden Schritt für Schritt bei seinen Aktivitäten zu begleiten.

Langfristig führen diese Aktivitäten zu einer erhöhten Bindung zu dem Produkt, einer stärkeren Identifikation mit dem Unternehmen und einer höheren Kundenzufriedenheit. Unternehmen, deren digitale Strategie auf die Kundenbindung abzielt, wollen vor allem eine sinnvolle Kombination an verschiedenen (On- und Offline-)Kanälen einsetzen, um dem Kunden einen fliessenden Übergang von der Bedürfnisweckung, der ersten Produktrecherche über den Kauf bis hin zu wiederkehrenden Interaktionen zu bieten. Entlang dieser sogenannten «Customer Journey» kommt der Kunde mit mehreren messbaren Kontaktpunkten mit dem Produkt beziehungsweise der Dienstleistung, der Marke oder dem Unternehmen selbst in Berührung, die irgendwann in einer Zielhandlung, zum Beispiel einem Kauf oder einer Anfrage, münden (Holland & Flocke 2014).Eine digitale Strategie, die sich auf die Kundenbindung und die Kundenbeziehung ausrichtet, kann ein guter Startpunkt sein, um erstmalig digitale Initiativen im Unternehmen zu lancieren. Sie bieten die Gelegenheit, fokussiert einzelne Ziele und Aktivitäten (z. B. Aufbau von Online-Kanälen) in Angriff zu nehmen und diese über einen bestimmten Zeitpunkt mit Inhalten zu bespielen und die Effekte und Interaktionen zu messen.

Produkte und Leistungen
Eine digitale Strategie kann auch darauf abzielen, Produkte und Leistungen aufzuwerten beziehungsweise zu verbessern. Auf diese Weise entsteht eine digitale Gesamtlösung, die dem Kunden neue Mehrwerte als Leistungsbündel anbietet. Dabei geht es vor allem darum, problemorientierte Gesamtlösungen statt einzelne Produkte anzubieten und den Fokus nicht auf einzelne Verkaufs-Transaktionen, sondern auf Mehrwert generierende Angebote zu richten, die zu wiederkehrenden Umsätzen führen. Eine digitale Strategie mit dem Ziel einer digitalen Gesamtlösung zielt darauf ab, Produkte und Dienstleistungen mit Informationen anzureichern, die helfen, für den Kunden neue Mehrwerte zu entwickeln.

So nutzt der Aufzug- und Fahrtreppenhersteller Schindler beispielsweise integrierte Sensoren, um aus den in Echtzeit erfassten Daten integrier­te Mobilitätslösungen zu entwickeln. Auf der Basis von Bewegungen von Tausenden von Menschen in einem Gebäude können die Routen der Aufzüge optimiert und die Nutzer schneller und in Gruppen an ihr Ziel gebracht werden. Die Entwicklung und die Umsetzung dieser Art von digitaler Strategie in einem Unternehmen ist sehr anspruchsvoll, weil sie ein agiles Vorgehen der Beteiligten erfordert und zum Teil ein gros­ses Veränderungspotenzial für verschiedenen Unternehmensbereiche mit sich bringen kann.

Operative Prozesse
Viele Unternehmen entwickeln eine digitale Strategie, indem sie digitale Technologien einsetzen, um ihre operativen Prozesse zu verbessern und die Effizienz zu steigern. So können Nutzungsdaten ausgewertet werden, um Kosten beim (Kunden-)Service und bei der Wartung von Geräten zu reduzieren, um (Produktions-)Prozesse zu optimieren oder um interne Schnittstellen noch effizienter zu gestalten. Letztlich ist jedoch eine digitale Strategie, die auf operative Prozessverbes­serungen abzielt, nur bedingt innovativ, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Oft erfüllen diese Aktivitäten lediglich die Minimalanforderungen, wenn ein Unternehmen digitale Technologien einsetzen und einen Ertrag (Effizienzgewinne) daraus erzielen möchte.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden mit zehn Ostschweizer KMU aus dem Detailhandel, aus dem Bereich Sport & Events, aus der Landwirtschaft und vom produzierenden Gewerbe digitale Strategien entwickelt, umgesetzt und evaluiert. Dabei hat sich im Prozess herausgestellt, dass die KMU sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen mitbringen (verfügbare Ressourcen, erste Versuche, externe Agenturen etc.) und dementsprechend mit ihrer digitalen Strategie auch unterschiedliche Ziele verfolgen.

Praxisbeispiel

Ein Unternehmen aus dem Projekt ist ein Weinproduzent und -händler. Das KMU beabsichtigt, mit dem grossen Angebot an Weinen die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden über digitale Aktivitäten besser zu bedienen und gleichzeitig darüber auch neue Zielgruppen anzusprechen. Dafür betreibt das Weinunternehmen bereits einen Online-Shop. Das Unternehmen hatte zu Beginn des Projekts jedoch kaum Ziele definiert, die mit den digitalen Aktivitäten konkret erreicht werden sollen, und diese nicht entsprechend ihrem Wirkungsgrad gemessen.

Wirkungsanalyse

Eine digitale Strategie soll die bisherigen Aktivitäten integrieren und stärker an relevante Geschäftsziele koppeln. Zudem stellt sich die Frage, auf welche Weise bestimmte (On- und Offline-)Kanäle besonders wirkungsvoll miteinander kombiniert werden können. Die Massnahmen wurden nach drei bis sechs Monaten ausgewertet, einer Wirkungsanalyse unterzogen und entsprechend angepasst. Gerade wenn es darum geht, im Bereich der Kundenbindung für die gesteckten Ziele die geeigneten Kanäle auszuwählen, muss das Verhältnis von Erträgen zu Aufwänden in die Überlegungen einbezogen werden. Dabei muss berücksichtigt werden, welche Rahmenbedingungen die Entscheidungsfindung beeinflussen, sei es, weil Mitarbeiter bestimmte Vorkenntnisse mitbringen oder eine Agentur Spezialbereiche bedient, die schon für andere Tätigkeiten in Anspruch genommen wurde.

Auch bei der Umsetzung von bestimmten Social-Media-Kanälen muss immer geprüft werden, für welche Zwecke welche Plattformen geeignet sind und welche Zielgruppen dort gefunden und gebunden werden können. Hier gilt es, die Vorteile verschiedener Plattformen zu nutzen und im Umgang mit diesen zu experimentieren. Dabei sollte jedoch der operative Aufwand nicht unterschätzt werden (Einarbeitung, Set-up, operativer Betrieb, Optimierung und Weiterentwicklung). Gerade der Umsetzungsprozess findet kontinuierlich statt und die Massnahmen müssen laufend evaluiert und optimiert werden. Doch obwohl die digitalen Initiativen ressourcenintensiv sind, sollten die Geschäftsführer beziehungsweise Marketingverantwortlichen in den KMU nicht die Mühe scheuen, sich mit dem Thema selbst zu befassen. Werden diese Aktivitäten vollständig an eine externe Agentur ausgelagert, wird es schwerfallen, die strategischen Ziele mit den technischen und analytischen Anforderungen in Einklang zu bringen und mit den Aktivitäten echte Mehrwerte zu erzielen.

Die aufgezeigten Beispiele verdeutlichen, dass KMU eine digitale Strategie nicht nur entwickeln, sondern auch umsetzen und vor allem kontinuierlich messen müssen. Dabei sollte bereits am Anfang entschieden werden, ob sich die digitale Strategie auf die Kundenschnittstelle oder eine digitale Gesamtlösung beziehen soll. Denn nur wenn die digitalen Aktivitäten an die Geschäftsziele gekoppelt, Produkte aufgewertet oder erweitert und die Beziehungen zu den Kunden verbessert werden, können letztendlich Mehrwerte für das Unternehmen geschaffen werden.

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