Ein ganz normaler Morgen im Grossraumbüro eines x-beliebigen Konzerns: Viola Marchionnes biometrischer Batch öffnet ihr die Tür zum Open-Space-Büro. Sie sucht sich einen freien Arbeitsplatz, der automatisch ihre persönlichen Einstellungen abruft und ihr den Zugriff auf ihre Arbeitsunterlagen erlaubt.
Derselbe Batch öffnet ihr einen Kubus mitten im Raum, in dem sie einen Workshop vorbereitet. Auf einer berührungsempfindlichen Wand kann sie ihr Projekt visualisieren. Sie verändert Parameter, indem sie die Oberfläche berührt und kann so den Input ihrer hinzugekommenen Kollegen unmittelbar sichtbar machen. Weil die Form nach dem Workshop etwas nachlässt, regt sie ein im Kleid integrierter Sensor zu einer Bewegungspause an, und sie erholt sich im firmeneigenen Fitnessstudio.
Ohne Papier, mit Intelligenz
Zukunftsmusik? Wohl nicht mehr lange. Unternehmen weltweit sind bereits auf dem Weg dorthin. Eine intelligente Umgebung mit autonomen, interaktiven Hightech-Oberflächen wird in zahlreichen Büros in den nächsten zehn Jahren Einzug halten, prophezeit Gregor Schiffer, Partner beim Beratungsunternehmen Future Management Group AG, in seinem Papier «Das Büro als Denkraum». Und auch Wilhelm Bauer, Institutsleiter am Fraunhofer IAO, betonte kürzlich in einem Interview, dass das papierlose Büro schon bald Wirklichkeit werde. Schliesslich werden immer mehr Prozesse digitalisiert und somit die Daten online abrufbar.
Damit mehren sich die Möglichkeiten, unabhängig von Ort und Zeit zu arbeiten. Künftig wird uns unsere Arbeitsumgebung wie eine digitale Aura umgeben. In sogenannten «Smart Rooms» erkennt die intelligente Umgebung unser Profil und passt sich an die persönlichen Bedürfnisse und Einstellungen an. Solche Räume bieten ganz neue Arbeitsmöglichkeiten sowohl für die Einzelperson, aber auch für ganze Teams. Kleinformatige Bildschirme gibt es dort nicht mehr. In Zukunft können ganze Wände zu berührungsempfindlichen Flächen werden, auf denen Wissensarbeiter Inhalte visualisieren und durch Berührung unmittelbar verändern können.
Neue Technologie
Möglich machen dies organische Leuchtdioden (die sogenannten OLED), eine Technologie für Bildschirme und die Raumbeleuchtung. Die biegsame, leichte OLED-Folie kann künftig überall aufgebracht werden. So ziemlich jede Oberfläche kann damit zu einem Informationsträger werden, der mit dem Nutzer oder der Nutzerin interagieren wird. Die Technologie ist zwar noch in der Entwicklung, besitzt aber ein enormes Marktpotenzial. Darum experimentieren grosse Player wie Samsung und LG etwa mit OLED-TV, das über gebogene Flächen Illusionen von Räumen schafft, die uns zu umgeben scheinen.
Die neuen Leistungsverwalter
Neue Technologien können aber nicht nur unsere Arbeitsweise verändern und verbessern. Sie sorgen auch dafür, dass wir leistungsfähig bleiben. Tracking-Systeme zählen nicht nur Schritte, sie verwalten unsere Leistung bald auch im Arbeitsalltag. So können etwa Sensoren, die in unsere Kleidung eingearbeitet sind, Rückmeldungen über unser Befinden geben. Dank biometrischer Daten erkennt ein Gerät, wann unsere Gesichtszüge ermüden und ermuntert uns, wieder mal Pause zu machen. Unsere Umgebung wird also in Zukunft unsere Bedürfnisse womöglich vor uns erkennen und sich vorausschauend daran anpassen. Schiffer bringt es auf den Punkt: «In Zukunft sorgen wir uns nicht mehr um Geräte und Technologien, sondern diese um uns.»
Digitale Transformation
Die Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende, die digitale Transformation nicht aufzuhalten: «Alles, was sich digitalisieren lässt, wird es auch in der digitalen Variante geben», sagt Schiffer. Das wirkt sich auf die Struktur der Beschäftigten und ihre Aufgaben aus. Immer mehr Arbeitsprozesse wird der Computer übernehmen. Studien zufolge wird die Hälfte der heutigen Berufe aussterben, darunter viele aus der Mittelschicht wie Steuerberaterin oder Kaufmann im stationären Einzelhandel. Das mag erschrecken, ist der Trend doch für viele Mitarbeitende mit der Sorge verbunden, durch eine Maschine ersetzt zu werden.