Forschung & Entwicklung

Studie: Berufliche Vorsorge

Die Wahlfreiheit auf dem Prüfstand

Kleine und mittelgrosse Unternehmen wählen ihre Vorsorgelösung bewusst und schätzen die Wahlfreiheit bezüglich Angebot und Anbieter. Das zeigt eine Umfrage der Hochschule Luzern bei rund 570 Unternehmen in der Schweiz.
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Unternehmen sind von Gesetzes wegen verpflichtet, für ihre Mitarbeitenden eine berufliche Vorsorgelösung abzuschlies­sen. Dabei können zwischen drei Vorsorgemodellen «autonom», «teilautonom» und «vollversichert» wählen. Je nach Modell stehen den Unternehmen folgende Vorsorgelösungen zur Auswahl: Vollversicherte Sammelstiftungen eines Lebensversicherers (Vollversicherungen), autonome oder teilautonome Sammelstiftungen, firmeneigene Vorsorgeeinrichtungen, Vorsorgeeinrichtungen eines Branchenverbandes oder Auffangeinrichtungen.

Fragestellungen

Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen haben Unternehmen somit Wahlfreiheit bezüglich der Vorsorgelösung. Doch wie wird diese Wahlfreiheit von den Unternehmungen empfunden? Wird sie geschätzt oder aufgrund der Komplexität des Themas gar als Last gewertet? Und haben die Betriebe in der Praxis überhaupt eine freie Wahl bezüglich des Vorsorgemodells, oder wird dieses nicht eher bestimmt durch die personellen und finanziellen Mittel, welche zur Verfügung stehen? Sind nicht gerade die kleinen Unternehmen gezwungen, eine Vollversicherung abzuschliessen, und somit abhängiger von den Anbietern dieser Versicherungen? Und wie wichtig ist es für diese zwischen verschiedenen Anbietern von Vorsorgelösungen wählen zu können?

Wahlfreiheit erfordert zudem Transparenz, was in der Öffentlichkeit in Zusammenhang mit der beruflichen Vorsorge immer wieder debattiert wird, so auch im Rahmen der Altersreform 2020. Doch wie verhält es sich dabei aus Sicht der Unternehmungen? Haben Unternehmen genügend Informationen, um sich ein Bild über das Angebot der Vorsorgelösungen zu machen? Um diese Fragen zu klären und die Sichtweise der Unternehmen bezüglich der beruflichen Vorsorge aufzuzeigen, führte das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern eine breit angelegte Umfrage bei Unternehmungen durch (siehe Kasten). Die Studie wurde unterstützt vom Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) und dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV).

Vollversicherung bevorzugt

Wie die Umfrageergebnisse zeigen, haben die meisten KMU erwartungsgemäss eine Vollversicherung (44 Prozent) oder eine Vorsorgelösung bei einer Sammelstiftung (33 Prozent), während die meisten Grossunternehmen im Gegensatz dazu eine firmen­eigene Vorsorgeeinrichtung betreiben (52 Prozent).

Die Wahlfreiheit bezüglich der Vorsorgelösung ist für die Mehrheit der befragten Unternehmungen – und zwar unabhängig von der Grösse – wichtig oder eher wichtig (67 Prozent). Unterschiede gibt es allerdings zwischen jenen Firmen mit unterschiedlichen Vorsorgelösungen. Die Betriebe, die eine Vorsorgelösung bei einer Sammelstiftung haben, also teilautonom versichert sind, schätzen die Wahlfreiheit am meisten (72 Prozent), gefolgt von jenen, die eine Vollversicherung haben (70 Prozent).

Im Gegensatz dazu ist dieser Anteil bei Unternehmungen mit einer firmeneigenen Vorsorgelösung mit 55 Prozent deutlich tiefer. Naturgemäss ist für sie auch die Wahlfreiheit bezüglich der Anbieter von Vorsorgelösungen deutlich weniger zentral, nur 42 Prozent bewerten diese als eher wichtig oder wichtig. Dieser Anteil ist bei Unternehmen mit Vollversicherung mit 81 Prozent am höchsten, gefolgt von jenen mit einer Vorsorgelösung bei einer Sammelstiftung mit 77 Prozent.

Die Umfrage zeigt damit, dass die Wahlfreiheit vor allem für KMU wichtig ist. Insbesondere für Mikrounternehmungen und kleine Unternehmen ist es von besonderer Bedeutung, dass sie zwischen verschiedenen Anbietern aussuchen können. Der Grund ist darin zu sehen, dass Mikrounternehmungen und kleine Firmen oft aus finanziellen Gründen an ein bestimmtes Vorsorgemodell – meist an eine Vollversicherung – gebunden sind.

Dies wird durch die Umfrageergebnisse gestützt. So geben 67 Prozent der Mikrounternehmungen an, einen Sanierungsfall finanziell nicht oder eher nicht tragen zu können. Bei den kleinen Unternehmungen könnten etwas mehr als die Hälfte einen Sanierungsfall finanziell nicht tragen. Unternehmen, die nicht in der Lage sind, das Sanierungsrisiko zu übernehmen, sind in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt. Für sie kommt nur eine Vollversicherung infrage.

Interessant ist aber, dass die finanzielle ­Sicherheit nicht nur für diese Firmen wichtig ist, sondern für sämtliche Befragten. Die Mehrheit, nämlich 67 Prozent, ist bereit, für zusätzliche Sicherheit einen Preis zu bezahlen. 57 Prozent der Unternehmen bevorzugen einen garantierten Zins ohne Unterdeckung unter Inkaufnahme des Risikos tieferer Renten einer höheren erwarteten Rendite mit Potenzial für höhere Renten unter Inkaufnahme einer möglichen Unterdeckung von (25 Prozent).

Wahlfreiheit wird genutzt

Die Studie zeigt weiter, dass für die Mehrheit der befragten Unternehmungen (89 Prozent) die gewählte Vorsorgelösung die Bedürfnisse nach ­finanzieller Sicherheit vollumfänglich oder eher vollumfänglich deckt. Gleichzeitig beurteilen die Firmen insbesondere das Preis-/ Leistungsverhältnis als gut. Trotz der Zufriedenheit mit der eigenen Vorsorgelösung wird die Wahlfreiheit im Rahmen der beruflichen Vorsorge nicht nur geschätzt, sondern in der Praxis auch genutzt. So geben 78 Prozent der Unternehmungen an, Alternativen gegenüber der gewählten Vorsorge­lösung regelmäs­sig oder sporadisch zu prüfen. Sogar bei den Mikrounternehmungen liegt dieser Anteil bei 72 Prozent.

Und obwohl 74 Prozent der Befragten das berufliche Vorsorgesystem der Schweiz als komplex oder eher komplex beurteilen, geben 73 Prozent an, über die verschiedenen Angebote gut informiert zu sein, und 78 Prozent verstehen diese auch gut oder eher gut.

Unternehmungen nutzen für die Wahl ­ihrer Vorsorgelösungen verschiedene ­Informationsquellen. Dabei spielen gerade für KMU Versicherungsberater (22 Prozent) und Broker (21 Prozent) eine wichtige Rolle, wobei die eigene Recherche einen damit vergleichbaren Stellenwert (21 Prozent) hat. Interessant ist, dass mehr Mikrounternehmungen eigene Recherchen durchführen (24 Prozent) als kleine Firmen (19 Prozent) und mittlere ­Betriebe (17 Prozent). Dagegen verlassen sich nur sehr wenig Befragte auf Tipps von Verwandten und Bekannten. Der Anteil ist mit 9 Prozent bei den Mikrounternehmungen erwartungsgemäss am höchsten.

Auf die Frage, wie einfach es für die Unternehmung gewesen ist, aus dem breiten Angebot an verschiedenen Vorsorgemodellen zu wählen, gibt die Mehrheit an (63 Prozent), dass dies für sie einfach oder eher einfach gewesen sei. Die Umfrageergebnisse lassen somit die Schlussfolgerung zu, dass die Wahlfreiheit nicht als Last empfunden und auch davon Gebrauch gemacht wird.

Obwohl in der Öffentlichkeit immer wieder die Forderung nach mehr Transparenz von Seiten der Anbieter von Vorsorgelösungen gefordert wird, zeigt die Studie der Hochschule Luzern, dass die Mehrheit der Befragten diesbezüglich keinen besonderen Handlungsbedarf erkennt: 83 Prozent beurteilen ihren Anbieter als transparent oder eher transparent. Die Unternehmungen sind ebenso mit dem Umfang der Informationen in der überwiegenden Mehrheit zufrieden oder eher zufrieden (91 Prozent). Bei den Mikrounternehmungen ist dieser Anteil mit 87 Prozent am tiefsten. Verbesserungspotenzial sehen Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitenden bei der Verständlichkeit der Unterlagen, welche die Anbieter der Vorsorgelösung zur Verfügung stellen.

Anbieterauswahl wichtig

Die Umfrage macht deutlich, dass die Wahlfreiheit im Rahmen der beruflichen Vorsorge wichtig ist und in der Praxis auch genutzt wird. Obwohl die Unternehmungen das schweizerische Vorsorgesystem als eher komplex wahrnehmen, ist für sie die Wahlfreiheit keine Last: Die für sie passende Vorsorgelösung zu finden, ist für die überwiegende Mehrheit der befragten Firmen nicht schwierig. Die Betriebe sind gut informiert und verstehen die verschiedenen Angebote.

Wichtig ist für KMU allerdings nicht nur die Wahlfreiheit bezüglich der Vorsorgemodelle, sondern auch bezüglich der Anbieter. Gerade Mikrounternehmungen sind oft an ein Vorsorgemodell gebunden – meist eine Vollversicherung. Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Anbietern wählen zu können, ist für sie wichtig, um nicht zuletzt in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Anbieter zu geraten. Zudem fördert mehr Konkurrenz unter den Anbietern das Preis-/Leistungsverhältnis. Reformen sollten also nicht dazu führen, dass Anbieter aufgrund von schärferen ­regulatorischen Bestimmungen aus dem Markt gedrängt werden.

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