Die Schweiz kann stolz sein. Das Land ist international exzellent aufgestellt und macht seit Jahrzenten ganz hervorragende Geschäfte mit dem Ausland. Mehr als jeder zweite Franken wird im internationalen Austausch verdient, die Handels- und Leistungsbilanz sind mehr oder weniger gegenüber allen Handelspartnern deutlich positiv. Kurz gesagt, die Schweizer Wirtschaft ist – auch wegen ihrer innovativen KMU – international sehr wettbewerbsfähig.
Kein Wunder also, dass die durchschnittlichen Vermögen der Schweizer gesamthaft gesehen seit Jahren zunehmen. Auch der Staat zeigt sich von seiner besten Seite: Schuldenbremse sowie Sparpakete machen eine solide Schweiz noch solider. Die Nationalbank ihrerseits tut ihr Bestes, um den Schweizer Franken nicht zu stark werden zu lassen, und interveniert zugunsten der Währungen unserer wichtigsten Handelspartner. Kurz gesagt, die SNB kauft Euro und Dollar in Milliarden-Tranchen. Und natürlich nutzt die SNB diese Devisen und kauft «Assets», also Wertschriften verschiedenster Art. Notenbank-Chef Thomas Jordan sah sich schon bemüssigt zu vermelden: «Wir kaufen nicht die halbe Welt auf.»
Die Überschüsse der einen sind die Schulden der anderen
Alles in Butter, könnte man meinen. Das Problem dabei ist, dass die Länder, die all unsere «Überschüsse» konsumieren, anfangen aufzubegehren. Es dämmert unseren Handelspartnern, die Überschüsse der einen sind die Verschuldung der anderen. Und klar ist auch, wir, also die Kreditgeber, gehen fest davon aus, dass die Schulden irgendwann beglichen werden. Schuldenbremse und schwarze Nullen in den Überschussländern verschärfen die Situation noch. Die Anleger (also Herr und Frau Schweizer über den Transmissionsriemen Banken, Versicherungen und Pensionskassen) legen die Überschüsse mangels Alternativen im Inland in diversen Schuldnerländern, also im Ausland an. Anders ausgedrückt: Da sich Staaten wie die Schweiz und Deutschland tendenziell immer weniger verschulden, wird den Handelspartnern ein immer grösserer Teil der Sparüberschüsse zu immer günstigeren Konditionen angeboten. Unsere Überschüsse gehen einher mit einem entsprechenden Kapitalexport.
Fast macht es den Anschein, dass sich Länder, die sich nicht lautstark über die Überschüsse ihrer Partner beschweren, mit ihrem Schicksal arrangiert haben und zugreifen. Es ist wie bei einem privaten Haushalt, der bereits alle seine Kreditkarten überzogen hat. Das Angebot für eine weitere Kreditkarte zu sogar noch günstigeren Konditionen wird nicht ausgeschlagen.
Das Prinzip des Sparens
Wieso «sparen» wir eigentlich? Unsere Grosseltern haben es uns auf den Weg gegeben: «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.» Man stelle sich eine Familie vor, die zu wenig Nachkommen hat. Vielleicht weil diese Familie so beschäftigt ist, mit Arbeiten und Sparen. Zum Glück ist da eine andere Familie, die reichlich Kinder hat und sehr froh ist, die Überschüsse der anderen Familie nutzen zu können, und dafür die Versorgung der «alternden» Familie in der fernen Zukunft verspricht. Das Ganze hat seine Ordnung und so bilanziert die «Schaffer»-Familie die Schuldscheine feinsäuberlich in einer Soll- und Habenbilanz und wähnt sich gut gesichert im Rahmen eines allfälligen Entsparvorgangs in der Zukunft.
Zugegeben, das Beispiel ist sehr vereinfachend und bildet kaum die internationale Wirklichkeit ab. Trotzdem sei das Gedankenspiel erlaubt. Ohne jeden Zweifel ist «sparen» sowohl auf individueller als auch auf volkswirtschaftlicher Ebene kein Selbstzweck. Die Erwartung ist, dass der Schuldner zum Zeitpunkt X – der klassischerweise in der Zukunft liegt – die Schulden begleicht. Aber mehr noch, die Gläubiger gehen davon aus, dass die Schulden in einer Art und Weise beglichen werden, dass die in Zukunft benötigten Güter und Dienstleistungen damit eingekauft werden können. Oder anders ausgedrückt, für den Güterüberschuss zugunsten der Schuldner «heute» soll ein passender Güterüberschuss in die andere Richtung «morgen» erfolgen.