Forschung & Entwicklung

Wissenstransfer in Kooperationen

Die Kommunikationskanäle haben erheblichen Anteil am Projekterfolg

Produkte, die in Kooperationen entwickelt werden, sind deutlich innovativer als solche, die ein Spezialist im Alleingang entwickelt. Unternehmen versuchen daher verstärkt, über Entwicklungskooperationen mit anderen Firmen auf die Herausforderungen durch radikal geänderte Wettbewerbsbedingungen der vergangenen Jahre zu reagieren.
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Ein wesentlicher Hauptvorteil firmenübergreifender Entwicklungsprojekte ist das zusätzliche Wissen des Partners, das mit in die Produktentwicklung einfliessen kann. So gaben in der ETH-Studie «Kooperationen zum Erfolg führen» 87 Prozent aller Befragten an, dass hauptsächlich das Fachwissen des Partners ausschlaggebend für das Eingehen einer Entwicklungspartnerschaft war. Der erfolgreiche Transfer von komplementärem Wissen galt daher in den untersuchten Projekten als wesentlicher Erfolgsfaktor für die Zusammenarbeit.

Wissen übertragen

Ein erfolgreicher Wissenstransfer ist nicht trivial: Zunächst müssen die Unternehmen jenes Wissen identifizieren, das projektrelevant ist. Anschliessend gilt es, dieses Wissen möglichst effizient zu übertragen. Hier spielen neben persönlichen Fähigkeiten die Kommunikationskanäle eine entscheidende Rolle: Heute kann der Wissensgeber zwischen einer Vielzahl von Kommunikationskanälen für die Weitergabe seines Wissens wählen. Jeder Kommunikationskanal hat bestimmte Vorteile (z. B. Schnelligkeit), aber auch Nachteile (z. B. ist kein Direktfeedback möglich). Dieser Fachartikel zeigt auf, wie mittels gezielter Auswahl eines Kommunikationskanals die Güte des Wissenstransfers und somit der Erfolg der Kooperation unterstützt werden kann. Die Art bzw. die Komplexität des zu übertragenen Wissens gilt als ein wichtiges Auswahlkriterium.

Die Wissensarten

Die Zusammenarbeit in einem Entwicklungsprojekt erfordert regelmässigen Austausch von Wissen zwischen den Kooperationspartnern. Dieses Wissen, so vielseitig es auch ist, lässt sich in Kategorien einteilen:

Know-who

Know-who beinhaltet Wissen über Fach- und Entscheidungskompetenzen von wichtigen Personen, deren Verantwortungsbereiche sowie deren Beziehungen mit anderen Personen. Besonders bei firmenübergreifenden Projekten ist die Übertragung dieser Wissensart notwendig, da die passende Wahl von Personen über den Projekterfolg entscheidet.

Know-what

Ohne Faktenwissen geht es nicht. Es handelt sich um sachliche Informationen wie beispielsweise Materialeigenschaften, Datentabellen usw. Dieses Wissen muss von Fachexperten den Projektmitgliedern regelmässig auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.

Know-why

Mitarbeitende wollen einen Sinn sehen, verstehen, warum man etwas macht: Werte und Normen sowie ethische Grundsätze der Partner können helfen, Barrieren zu überwinden. Jedes Unternehmen hat eine eigene traditionsbedingte Unternehmenskultur, aus der Wertesysteme und Verhaltensregeln hervorgehen. Für eine reibungslose und verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen ist die Übertragung dieser Wissensart zwischen den Partnern unverzichtbar.

Know-how

Projekte brauchen ein Verständnis dafür, wie bestimmte Abläufe durchzuführen sind: Projektmitarbeitende müssen die Zusammenhänge verstehen.

Erkenntnisse aus der Studie

Welcher Kommunikationskanal eignet sich für welches Wissen? In den untersuchten firmenübergreifenden Entwicklungsprojekten wurden für die Wissensübertragung auf die Partnerfirma bestimmte Kommunikationskanäle verwendet. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, wie relevant die adäquate Auswahl von Kommunikationskanälen ist. Um verzerrungsfrei Erkenntnisse ableiten zu können, wurden zehn erfolgreiche Projekte zehn erfolglosen Projekten gegenübergestellt, wobei «Zufriedenheit mit dem Ablauf der Wissensübertragung» als Erfolgsgrösse herangezogen wurde. Es zeigt sich, dass die komplexitätsgesteuerte Auswahl der Kommunikationskanäle teilweise stark variiert.

Dokumente

Sorgfältig und durchdacht aufbereitete Dokumente eignen sich gut für die Übertragung von komplexem Wissen, da sie die Informationen in strukturierter und nachvollziehbarer Form darstellen. Der Wissensempfänger kann sich den Zeitpunkt der Wissensübertragung gezielt auswählen. Dokumente sind gute Wissensspeicher, die die Informationen jederzeit und konsistent wiedergeben können. Da bei der Wissensweitergabe über Dokumente jedoch kein Direktkontakt mit dem Dokumentersteller vorliegt, fallen die Signale wie Mimik, Gestik und Intonation weg. Auch können auftretende Unklarheiten nicht direkt geklärt und Missverständnisse aufgedeckt werden. Eine Wissensübertragung von sehr komplexem Wissen nur über diesen Kommunikationskanal allein ist daher nicht sinnvoll. Dokumente mit hochkomplexem Wissen gelten als mühsam und werden vom Wissensempfänger häufig nicht angenommen oder aber ignoriert.

Telefon

Das Telefon hat gegenüber den Kommunikationskanälen Dokumente und E-Mail den Vorteil, dass es ein umgehendes Feedback durch den Wissensempfänger ermöglicht. Auftretende Fragen können somit direkt gestellt und geklärt werden. Zudem kann der Empfänger zusätzliche Informationen aus der Intonation des Gesagten ziehen. Da der Sender allerdings nicht gesehen wird, gehen Signale der Körpersprache, Softinformationen, verloren. Ist das Telefonat nicht gesondert vereinbart worden, ist ausserdem nicht sichergestellt, dass beide Parteien ungestört sind und ihre Aufmerksamkeit ungeteilt auf das zu übertragene Wissen konzentrieren. Informationen, die durch das Telefon übertragen werden, gehen auch leichter verloren, da sie vom Wissensempfänger im Regelfall lediglich im Kopf abgespeichert werden. Ein späteres Abrufen der Informationen kann Fehler beinhalten, die nicht sofort bemerkt werden. Dieser Kommunikationskanal ist somit nicht für die Übertragung von sehr komplexem Wissen geeignet. In den Banken kennt man diese Problematik seit langem und archiviert deshalb alle Gespräche mit Kunden.

Videokonferenz

Die Videokonferenz ist ein formeller und direkter Kommunikationskanal. Er vereint die Vorteile des Telefons und hebelt gleichzeitig den Nachteil des Verlusts von Körpersignalen zum Teil aus, da die Teilnehmer sich sehen können. Bei einer guten Verbindung kann der Wissensempfänger Variationen der Intonation und Körpersprache wahrnehmen und verarbeiten. Durch die Wahl dieses Kommunikationskanals können kostenintensive Anreisekosten sowie Raummieten vermieden werden. Dies ist insbesondere interessant, wenn Wissen zwischen Firmen auf grössere Distanz ausgetauscht werden soll. Interessanterweise wird dieser Kanal von den Studienteilnehmern nur sehr zögerlich verwendet. So bedienten sich weder die zehn erfolgreichsten noch die zehn erfolglosesten Projekte dieses Kanals. Videokonferenzen haben grosse Akzeptanzprobleme.

Face-to-Face-Kommunikation

Durch den Direktkontakt der Gesprächspartner bei der Face-to-Face-Kommunikation ist es dem Wissensempfänger möglich, zusätzlich zu den gesprochen Worten auch Signale aus der Mimik und Gestik des Gegenübers zu empfangen, die dazu beitragen können, das Wissen besser einzuordnen. Zudem besteht die Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen, um eventuelle Unsicherheiten und Missverständnisse auszuräumen. Durch dieses Feedback ist der Sender in der Lage, seine Erklärungen anzupassen, zum Teil ohne Fragen des Empfängers. Face-to-Face-Kommunikation eignet sich daher gut, um komplexes bis sehr komplexes Wissen zu vermitteln und hat gegenüber der Videokonferenz den Vorteil, dass auch ein informeller Direktkontakt möglich ist. So kann die Wissensübertragung auch während der Kaffeepause, gemeinsamen Freizeitaktivitäten oder dem gemeinsamen Mittagessen erfolgen. Studien haben gezeigt, dass eine Face-to-Face-Kommunikation eher einheitliche Standpunkte bei den Teilnehmern erzeugt als elektronische Kommunikationskanäle. Dies wiederum erleichtert das Treffen einvernehmlicher Entscheidungen. Da dieser Kommunikationskanal im Vergleich zu den anderen teurer ist (Personalkosten, Zeit, Reisekosten, Raumkosten usw.), empfiehlt es sich, Face-to-Face-Kommunikation speziell für die Übertragung von komplexem bis extrem komplexem Wissen zu verwenden. Man weiss aber auch, dass nach direkten Meetings alle anderen Kommunikationskanäle an Effizienz gewinnen.

Expertenpräsentation

Der Kommunikationskanal Expertenpräsentation hat einen besonderen Vorteil gegenüber allen anderen Kommunikationskanälen: Während die Präsentation durch Experten alle Vorteile der Face-to-Face-Kommunikation beinhaltet, besitzt dieser Kanal den «Expertenvorteil»: Das Verstehen sehr bis extrem komplexen Wissens fordert vom Empfänger einen hohen Konzentrations- und Zeitaufwand. Die Bereitschaft, Lernaufwand aufzubringen, steigt nachweislich durch das Vertrauen in die Experten, relevante Informationen weiterzugeben. Zudem haben Studien gezeigt, dass Experten eher in der Lage sind, über diverse Fallbeispiele, Zusammenhangserläuterungen und Randinformationen Wissen ihres Faches zu vermitteln. Wird die sorgfältig strukturierte Präsentation zusätzlich als Dokument an die Wissensempfänger verteilt, kommen ausserdem die Vorteile des Kommunikationskanals Dokumente zum Tragen. Bei all seinen Vorteilen zählt dieser Kanal zu den teuersten. Zusätzlich zu den Kosten der Face-to-Face-Kommunikation fallen auch die Kosten für Experten (Vorbereitung, eventuelle Anreise, Vortragszeit) an. Expertenpräsentationen sollten nicht nur aus Kostengründen selektiv herangezogen werden, denn die Teilnehmer an einer Expertenpräsentation erwarten besondere, schwer erfassbare Erkenntnisse, die es rechtfertigen, Zeit und Interesse zu investieren. Wird diese Erwartung nicht erfüllt, so konnte in der Praxis beobachtet werden, nimmt die Aufmerksamkeit der Teilnehmer spürbar ab.

Fazit

Für die Übertragung von Wissen in unternehmensübergreifenden Projekten ist es ratsam, den Kommunikationskanal anhand der Komplexität des zu übertragenden Wissens auszuwählen: E-Mails, Dokumente und das Telefon eignen sich besonders für einfache Sachverhalte. Videokonferenzen setzt man nach wie vor zu wenig ein. Sie sind zwar teuer, bringen ihren Nutzen aber wie Face-to-Face-Kontakte und Expertenpräsentationen für die Vermittlung von komplexen Zusammenhängen. Die Studie zeigt aber auch, dass Mitarbeiter in erfolglosen Projekten die Leistungsfähigkeit der «billigen» Medien überschätzen.