Forschung & Entwicklung

Human Resources Management (Teil 2 von 2)

Die Digitalisierung des Personalmanagements

Im ersten Teil dieser Serie (7–8/2016) wurde die Rollenvielfalt des Human Resources Management (HRM) beleuchtet. Die digitale Transformation stellt das HRM nun vor neue Herausforderungen. Dieser Beitrag geht auf die Entwicklung von E-HRM-Lösungen ein und zeigt auf, wie die Digitalisierung längst im HRM angekommen ist.
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HR – hier begrifflich für die betriebliche Funktion des Personalmanagements verwendet – bedarf eines vielfältigeren Rollenverständnisses. Neue Formen der Organisation von Wertschöpfungsprozessen ziehen eine andere Verteilung von HRM- bezogenen Aufgaben nach sich. Ein modernes, zukunftsgerichtetes HR positioniert sich – wie schon im ersten Teil (Ausgabe 7–8/2016) dargelegt – als Business Partner, indem es in Übereinstimmung mit Geschäfts- und technologiebezogener Strategie die strategischen Handlungsfelder der HR-Strategie definiert und die Akteure des Managements entsprechend steuert.

Rollen neu erfinden

In den Rollen des Change-Management-Experten, des Führungskräfteentwicklers sowie des Personal- und Organisationsentwicklers muss das HR die Belegschaftsgruppen auf die Digitalisierung vorbereiten. Als kreativer Gestalter, Treiber und Befähiger muss sich das HR zu diesem Zweck zunächst selbst neu erfinden, um die mit der Digitalisierung verbundenen Chancen für das Unternehmen aus Perspektive humaner und sozialer Kapitalien zu erkennen sowie für die Weiterentwicklung und Optimierung der eigenen Prozesse und Instrumente zu nutzen. Was die Rolle des administrativen Profis und das «Digital Employee Management» anbetrifft, so wird unter anderem erwartet, dass durch die Digitalisierung und eine geeignete Nutzung der technischen Möglichkeiten sowohl eine gezieltere und damit kostengünstigere als auch effektivere Personalarbeit möglich sein wird (Tansley et al. 2014).

Auch das Personalcontrolling ist so weiter zu entwickeln, dass es in der Lage ist, passend zur Strategie Entscheidungen über die Aufrechterhaltung bzw. zum Aufbau von humanen und sozialen Kapitalien vorzubereiten (dazu auch Gora et al. 2014). Vermehrt entwickeln Unternehmen ihr klassisches HR-Controlling zu einem umfassenden HC-Reporting weiter.

Eine ergänzende Anforderung ist, dass die Effizienz sowie Effektivität der dazu notwendigen Aktivitäten eines operativen Personalmanagements dort zu evaluieren sind, wo sie erbracht werden. Neben einer angestrebten Übernahme von Aufgaben durch Führungskräfte selbst werden HRM-Aktivitäten zunehmend über IT-Systeme realisiert (Bruns & König 2011).

Digitalisierung im HRM

Es liegt auf der Hand, dass Unternehmen, die sich mehr und mehr in Richtung Industrie 4.0 und Arbeitswelt 4.0 bewegen, nicht durch ein «HRM 2.0» gesteuert werden können. Mittlerweile ist deutlich erkennbar, dass sich das HR-Leben immer mehr in der digitalen Welt abspielt und dort kontinuierlich Boden gut macht.

Wenn von der Digitalisierung im HRM die Rede ist, so wird meist die «elektronische beziehungsweise IT-gestützte Variante» der operativen Personalmanagement-Aktivitäten – auch «Electronic Human Resources Management» (E-HRM) genannt – bezeichnet. Längst hat die Digitalisierung das operative HRM auch als Teil der strategischen Prozesse, wie zum Beispiel des Personalmarketings, des Performance-Managements und des Kompetenzmanagements, durchdrungen. Ob Big Data, E-Recruiting oder suchmaschinenoptimierte Stellenanzeigen – die Digitalisierung im HRM ist vielerorts Realität.

Viele HR-Aktivitäten lassen sich, wie bereits erwähnt, heute schon mit Hilfe von HR-IT realisieren, das heisst mit Hilfe von Systemen, die innerhalb einer Organisation zum Sammeln, Speichern, Erhalten, Abrufen, Verifizieren oder zur reinen Kommunikation HR-spezifischer Daten verwendet werden. Mitarbeitende werden ihre Arbeit künftig vermehrt orts- und zeitunabhängig mit und an smarten Geräten verrichten. Diese smarten Geräte werden dabei eine Flut von Daten über Arbeitsmenge, Arbeitsqualität etc. produzieren (Sensorisierung der Personalarbeit). Anwendungspotenziale bieten sich bei smarten Werkzeugen zunächst im kompetenzorientierten Mitarbeitertraining. Auch werden smarte Arbeitshilfen es erlauben, Mitarbeitende vermehrt gesundheits- und altersgerecht einzusetzen. Durch die erweiterten Möglichkeiten der Gewinnung und Verwertung von Daten wird eine Grundlage dafür geschaffen, dass operatives und strategisch orientiertes, auf die Zukunft gerichtetes Handeln besser integriert werden kann (Lawler et al. 2004).

Doch auch Vorgehensweisen in der Bearbeitung lassen sich verfolgen und die hinterlassenen Daten grundsätzlich nutzen. So ist es heute schon vielerorts selbstverständlich, dass Unternehmen zur Steigerung ihrer Humankapital-Effizienz und -Effektivität «Big Data» nutzen (Datafizierung der Personalarbeit).

HR-Intelligence und -Analytics

Vor diesem Hintergrund gewinnt das Thema «HR-Intelligence und -Analytics» zusehends an Bedeutung, sowohl aus praktischer als auch aus wissenschaftlicher Sicht. Angebotsseitig ist zunächst das bereits erwähnte kontinuierliche Wachstum an qualitativen und quantitativen Datenbeständen (Big Data) erwäh-nenswert. Waren früher schlichte Abfragen strukturierter HR-Datenbestände und deren Ausgabe als HR-Reports das Standardanalyseinstrumentarium, so erweiterte sich mit den immer grösser werdenden Datenmengen und dank intelligenter Algorithmen das Methoden­angebot für strukturierte bzw. unstrukturierte HR-Daten.

Inzwischen ist die systematische Auswertung der eigenen, im Unternehmen gesammelten Daten (Data Mining) auch im HR-Bereich zum Standard geworden. HR-Entscheidungen und -Massnahmen lassen sich ergänzt um neue, bedeutsame Information systematischer treffen. Dies erlaubt es, HR-Strategien, -Konzepte und -Prozesse zu implementieren, die sich nachweislich an den effektiven Erfordernissen ausrichten und die auch einen belegbaren Beitrag zur Wertschöpfung erbringen (Strohmeier & Piazza 2015).

Unterdessen existiert ein wachsender Markt an HR-spezifischen Intelligence- und Analytics-Anwendungen. Nachfrageseitig stehen HR-Bereiche verstärkt unter Druck, einen belegbaren Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten, was dazu führt, dass HR-Strategien, -Konzepte und -Prozesse so zu gestalten sind, dass sie tatsächlich unternehmerische Wertschöpfungsbeiträge erzielen und diese auch belegt werden.

Sinnvoll umgesetzt kann durch die neuen Möglichkeiten im HR-Bereich «Intuition» vermehrt mit «Wissen» in Form von Information gekoppelt werden. Die Kombination von beidem kann einerseits unter Nutzung neuer, sinnvoller Daten zu fundierteren HR-Entscheidungen führen, ohne sich andererseits beim Versuch,
alles mit «scharfen» Daten belegen zu wollen, in Big Data zu verlieren.

Die Softwarelösungen der grossen ERP-Anbieter sind in puncto HR-Intelligence und HR-Analytics auf vielerlei Themenbereiche ausgerichtet, die von Personaladministration bis hin zum Kompetenzmanagement (Kapoor 2010) reichen. Was die bestehenden Formen des HR-Controlling in vielen Unternehmen betrifft, ist es zwar oft mit den bestehenden ERP-Lösungen möglich, Datenreihen zu erzeugen, aber meist nur als Darstellung von Input- oder Outputgrössen, während Aussagen zu ihrem humankapitalbezo-genen Entstehungshintergrund und den Wirkungszusammenhängen fehlen. Es ist zu erwarten, dass sich gerade darin nützliche Hinweise für die Gestaltung von Massnahmen des Personalmanagements finden liessen.

Die unternehmensspezifische Darstellung komplexer Wirkungszusammenhänge kann aber von den bisherigen kommerziellen Lösungen nach wie vor nicht geleistet werden und es bleibt fraglich, ob die Vorstösse grosser Software-Unternehmen für den Unternehmensalltag mit seiner spezifischen Situation passend sein können. Ansätze, die sich so weit wie möglich am Datenmaterial orientieren, das im jeweiligen Unternehmen verfügbar ist, scheinen hier erfolgversprechender.

HRM der Zukunft

Welche Unterstützung die E-HRM-Tools schon bieten und zu welchen Zwecken
E-HRM-Lösungen schon eingesetzt werden, zeigt die Aufstellung im Überblick (siehe Box «Funktionen von E-HRM»).

Ziel sollte es sein, mit der zunehmend digitalisierten Ausrichtung administrative HR-Tätigkeiten automatisiert zu gestalten, um den HR-Partnern mehr Zeit für die wertschöpfenden, strategisch ausgerichteten Tätigkeiten zu überlassen. Weitere Beweggründe, die zukünftig für den verstärkten Einsatz von E-HRM-Lösungen sprechen, sind:

  • die bereits erwähnte Optimierung der Entscheidungsgrundlage betreffend Menschen, Arbeit und Kosten,
  • die Unterstützung in der Evaluation des tatsächlichen Handelns in der Personalführung und seine konsequentere Orientierung an einer gewollten, formulierten HR-strategischen und -politischen Ausrichtung,
  • die Erkennbarkeit der tatsächlichen Wirkungen von auf Mitarbeitende bezogenen Leistungen und HR-Entscheidungen sowie
  • die Transparenz von Ungleichheiten zwischen Massnahmen des HRM, die Mitarbeitende und Führungskräfte tatsächlich wünschen, und denen, die angeboten werden.

Befugnis und Befähigung

Des Weiteren ermöglicht der Einsatz von HR-IT-Lösungen die Kürzung von Bearbeitungszeiten, die Reduktion der Fehlerquote und die Erhöhung der Qualität erbrachter HR-Leistungen. So werden Kosten gesenkt und Ressourcen für mehrwertschaffende Aktivitäten freigestellt. Eine solide technologische Basis kann dazu beitragen, dass sich HR-Prozesse modern und umfassender ausrichten und gestalten lassen, wozu die verschiedenen Beteiligten zu integrieren sind, ohne dass sie zwangsläufig auf Dauer teurer und zeitaufwändiger werden.

Moderne Workflow-Management-Systeme ermöglichen eine effiziente und weniger fehleranfällige Zusammenarbeit zwischen Linie und HR. Beim Management der Humanressourcen bleibt der Einsatz von technischen Systemen oftmals hinter den Möglichkeiten zurück. Eine mögliche Ursache dafür ist der notwendige Klärungsbedarf, welche auf die Belegschaft bezogenen Informationen zur Verfügung gestellt werden sollen und wie dabei die Datensicherheit und die Privatsphäre der Mitarbeitenden dauerhaft geschützt werden können.

Es ist aber wenig sinnvoll, sich deshalb noch nicht mit den Lösungen auseinanderzusetzen oder gar mit Ablehnung und Abwehr zu reagieren. Zahlreiche Anwendungen, die der technologische Fortschritt für das Personalmanagement und die bestehenden Herausforderungen aufgrund gesellschaftlich-wirtschaftlicher Entwicklungen mit sich bringt, bergen enormes Potenzial.

Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Digitalisierung auch Risiken für den Erhalt humaner und sozialer Kapitalien mit sich bringt. Opportunitäten und Chancen lassen sich erst dann erkennen, wenn man sich mit modernen Technologien zunächst – weder überhöht positiv, noch überhöht negativ – befasst.

Es sollte selbstverständlich sein, dass ein «Business Partner» befugt und befähigt ist, sich mit den Veränderungen, die auf die Gesamtorganisation zukommen, auseinanderzusetzen und zu erkennen, welcher Bedarf an Unterstützung von «Change» und Gestaltung der Unternehmenskultur daraus entsteht und wie technologische Lösungen selbst dazu beitragen können, die Beteiligten in der Bewältigung künftiger Herausforderungen zu unterstützen.

Neben einer guten internen Einbindung trägt der ausgewogene Austausch zwischen HRM-Verantwortlichen dazu bei, vom digitalen Wandel zu profitieren. Wie eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, haben Personaler die Digitalisierung noch nicht vollständig als relevante Entwicklung erkannt und sind eher weniger in der Lage, den Anforderungen der bevorstehenden Transformation gerecht zu werden (Strohmeier et al. 2016). Hier ergibt sich also unmittelbarer und prioritärer Handlungsbedarf.

Die digitale Transformation fordert vom HRM, sich neu zu positionieren, und bietet HR-Abteilungen gerade auch eine Chance hierzu. Dabei ist es notwendig, sich unvoreingenommen mit den verschiedenen Rollen des HRM und ihrem Zuschnitt im Zeitalter der Digitalisierung auseinanderzusetzen, sich zu fragen, welche «Haltungen» bestehen und entwickelt werden müssen. Es sollte ein eigener Anspruch sein, zwischen ihnen navigieren zu können, und es ist zu klären, welche Aktivitäten mit ihnen verbunden sind und von wem sie unter finanziellen und qualitätsbezogenen Aspekten am besten ausgeübt werden können – dem HR, den Führungskräften, den Mitarbeitenden, völlig automatisiert durch IT-Systeme usw.

Im Gegenzug erübrigen sich Analysen der Daseinsberechtigung des HR, wobei zum Beispiel die Leistung der HR-Abteilung daran festgemacht wird, ob diese für Mitarbeitende spürbar in Erscheinung tritt. Ein HRM, das in der Rolle des kreativen, innovativen Mitgestalters vor allem im Hintergrund strategische Weichenstellungen vornimmt und als Garant «guter Personalführung» die Entwicklung von Human- und Sozialkapital überwacht wird zu diesem Zweck lediglich mittelbar Einfluss auf die Personalführung und die Gestaltung von IT-Prozessen nehmen und für den Mitarbeitenden kaum mehr sichtbar in Erscheinung treten.

Porträt