Forschung & Entwicklung

Unternehmenssteuerung (Teil 2 von 2)

Die Bedeutung und Umsetzung einer Familienstrategie

Nach der Betrachtung der Rolle des Verwaltungsrates in familiengeführten Unternehmen geht es im zweiten Teil darum, dass auch die Familie eines professionellen Managements bedarf, so wie das Unternehmen haben. Eine Familienstrategie hilft, längerfristig Strukturen zu schaffen, die sowohl die Firma als auch die Familie selber weiterbringen.
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Im Laufe der Zeit wächst und wandelt sich nicht nur das familiengeführte Unternehmen, sondern auch die Familie selber. Diese Entwicklung macht die ziel- und zukunftsorientierte Führung der Familiengemeinschaft und die aktive Gestaltung der Beziehungen zwischen Familienmitgliedern und Familienstämmen unabdingbar. Die Autoren erläutern deshalb die zentralen Elemente einer Familienstrategie und zeigen auf, welchen Beitrag dieses Managementinstrument für Unternehmerfamilie und Familienunternehmen leisten kann.

Der Begriff Familienstrategie

Sowohl in der Beratungspraxis wie auch in der Wissenschaft werden diverse Definitionen und Begriffe für das Regelwerk, das der Steuerung der Unternehmerfamilie dient, verwendet: Familienverfas­sung, Familiencharta, Familienkonstitution oder eben Familienstrategie. Unseres Erachtens macht es Sinn, zwischen einer Familienstrategie im weiteren und im engeren Sinn zu unterscheiden.

Die Familienstrategie im weiteren Sinn beleuchtet die Interaktion zwischen Familie und Unternehmen. Hier werden beispielsweise die Beschäftigung von Familienmitgliedern im Unternehmen (u. a. Einstellungskriterien, Höhe der Entlohnung) oder die Art, Frequenz und Höhe von Dividendenzahlungen an die Eigentümer festgelegt.

Die Familienstrategie im engeren Sinn betrifft ausschliesslich die Eigentümerfamilie. Denn damit eine Familie in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, die ihre Mitglieder und das Unternehmen gleichermassen betreffen, muss sie sich erst einmal darüber im Klaren sein, was die Familie langfristig zusammenhält: Ist es die Liebe zueinander oder aber das Familienvermögen? Die gemeinsame Geschichte oder eine Zukunftsvision, die über Generationen verbindet? Weiter müssen die zentralen Werte und die langfristige Mission, die unabhängig vom Unternehmen ist, in die Familienstrategie einfliessen. Denn exzellente Familien haben Gründe, als Familie zusammenzubleiben, die weit über das gemeinsame Eigentum am Unternehmen hinausgehen. Dies kann beispielsweise der Wunsch der Familie sein, mit- hilfe des im Unternehmen erwirtschafteten Vermögens phi­lanthropisch tätig zu sein, aufgrund der Rolle als Unternehmerfamilie eine politische Aufgabe wahrzunehmen oder ganz einfach eine harmonische Familie zu sein.

Grundsätzlich gilt: Wenn das Eigentum am Unternehmen nicht zur Befriedigung der Familienbedürfnisse (finanziell oder emotional etc.) beiträgt, gedeiht weder die Familie noch das Unternehmen. Entweder verändert sich also das Unternehmen, um die Bedürfnisse der Familie zu erfüllen, notfalls mittels Verkauf, oder aber die Familie passt ihre Bedürfnisse an, damit das Unternehmen diesen entsprechen kann.

Elemente der Familienstrategie

Im Rahmen der Erarbeitung einer Familienstrategie einigt sich die Familie in einem ersten Schritt über den Familienzweck inklusive Familienmission (family mission), legt dann Grundsätze oder Richtlinien (policies) fest, welche die Werte der Familie in Verbindung mit Führung und Kontrolle des Unternehmens setzen, und definiert schliesslich familieninterne Gremien (family committees). Diese Gremien dienen der Wahrung der Interessen der Familie – ohne die Interessen des Unternehmens zu gefährden – und gewährleisten den Informationsfluss zwischen Familie und Unternehmen.

Der Familienzweck

Bevor die Familie damit beginnen kann, Richtlinien zu erlassen und Gremien aufzustellen, muss sie sich über den Zweck im Klaren sein, den die Familie als Ganzes verfolgt und der über den Besitz am Unternehmen hinausgeht. Hat die Fa­milie nebst dem Unternehmen keinen Grund, als Familie zusammenzubleiben, dann sind die finanziellen Interessen oftmals das Einzige, das die Familie zusammenhält. Familien ohne tiefere Verbundenheit neigen jedoch dazu, zu streiten, was sich meist sehr negativ auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Bleibt der finanzielle Erfolg aus, werden schnell Rufe laut, man solle das Unternehmen verkaufen.

Bei der Entwicklung einer Familienmission, welche die Familie über Generationen und Familienzweige hinweg einen soll, geht es darum, zu identifizieren, was die einzelnen Familienmitglieder mit dem und durch das Unternehmen erreichen wollen. In anderen Worten geht es darum, eine Antwort auf die Frage «why are we in business together» zu finden. Die Familienmission muss in erster Linie überzeugend sein, denn die Familie sollte geeint hinter der Mission stehen. Dabei muss diese nicht zwingend nobel sein («Als Familie wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern zu reduzieren»), sondern darf durchaus eigennützig sein («Wir wollen langfristig eine geeinte Familie bleiben»). Oftmals sind diese Ziele konsistent mit der Geschichte des Unternehmens oder des Gründers, weil sie auf den Kernwerten der Familie basieren.

In einem nächsten Schritt geht es darum, festzulegen, wie die definierten Ziele erreicht werden sollen. Eine Möglichkeit besteht darin, langfristig gemeinsam ein Unternehmen zu führen und einen Teil des Gewinns zur Erreichung dieser Ziele einzusetzen. Kann eine Familie die gesetzten Ziele dank ihres Unternehmens und die damit verbundenen Vorzüge erreichen, stärkt dies massgeblich die Verbundenheit zum Betrieb und den Wunsch, dessen nachhaltigen Erfolg und Bestehen sicherzustellen.

Richtlinien

Jede Familie sollte, sobald die Familie bereit ist, sprich harmoniert, Richtlinien und Grundsätze, sogenannte Policies, festlegen. Bei der Erarbeitung dieser Grundsätze ist es zentral, dass sich die Familie über die zugrunde liegenden Vorstellungen und Bedürfnisse austauscht und einigt. Die Mitglieder sollten sich darüber im Klaren sein, wofür die Familie stehen will und was der Familie wichtig ist. So entstehen beispielsweise Konflikte, wenn gewisse Teile der Familie erwarten, dass jedes Familienmitglied – unabhängig von Alter, beruflichem Werdegang oder Ausbildungsniveau – die Möglichkeit haben soll, im Unternehmen zu arbeiten, andere Teile aber strikte Richtlinien zur Beschäftigung fordern. Die Policies müssen zudem mit dem herrschenden Gesetz in Einklang stehen, den Familienbedürfnissen und dem Marktumfeld gerecht werden, die Kultur des Unternehmens miteinbeziehen sowie die Grösse von Unternehmen und Familie berücksichtigen.

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen drei Arten von Richtlinien:

  • Family-Business-Policies: Zum Beispiel Beschäftigung von Familienmitgliedern im Unternehmen; Auswahl und Rolle von Familienmitgliedern im Verwaltungsrat; Frequenz, Art und Kanäle der Kommunikation zwischen Familie und Unternehmen
  • Family-Family-Policies: Beispielsweise, inwieweit Ehepartner in das Unternehmen eingebunden werden; wie oft sich die Familie trifft; wie rasch man Telefonanrufe retourniert, sowie generelle Richtlinien dazu, wie Familienmitglieder miteinander umgehen sollen.
  • Family-Outside-World-Policies: Beispielsweise, wie die Familie mit der Presse kommuniziert; wie öffentlich die Familie sein will, sowie wie und wo sich die Familie gemeinnützig engagiert.

Die verschiedenen Gremien

Eine Familie kann zudem je nach Grad von Komplexität und Kohäsion diverse Gremien einsetzen.

Die Familienversammlung

Familienversammlungen finden vier bis sechs Mal jährlich statt. Ziel ist es, Vertrauen zwischen den Familienmitgliedern aufzubauen und die Kommunikationsfähigkeit der Familie zu stärken. Zur Sprache kommen in der Versammlung ausschliesslich Themen, welche die Familie betreffen und nicht das Unternehmen; beispielsweise die Koordination von Familienaktivitäten (zum Beispiel gemeinsame Ferien), Entscheide zu gemeinnützigen Engagements oder die Vergabe von Geldern für neue Geschäftsvorhaben diverser Familienmitglieder.

Die Besetzung, Grösse und Zusammensetzung der Familienversammlung hängen stark von der Harmonie in der jeweiligen Familie ab. Je harmonischer die Familie, desto mehr Personen und Generationen können involviert sein. Familien, die vielleicht noch nicht ganz harmonisch sind, beginnen besser mit weniger Personen aus derselben Generation und erweitern den Kreis im Laufe der Zeit sukzessive. Wichtig ist hier insbesondere, dass sich alle Familienzweige und Generationen von den Teilnehmern der Familienversammlung vertreten fühlen. Es dürfen deshalb durchaus auch Personen teilnehmen, die nicht im Unternehmen tätig sind.

Der Familienrat

Der Familienrat ist als Gremium formaler als die Familienversammlung und vor allem für Familienunternehmen geeignet, die sich mindestens in der dritten Generation befinden. Er besteht idealerweise aus sieben bis zirka 15 Personen und sollte vor allem dann eingesetzt werden, wenn das Eigentum über mehrere Familienzweige verteilt ist. Der Familienrat ist das koor­­­dinative Gremium, das zwischen den Eigentümergruppen vermittelt und koordiniert. Vorzugsweise sitzt ein Repräsentant pro Familienzweig im Rat. Der Familienrat ermöglicht der Familie, mit einer Stimme zu sprechen und geeint gegenüber dem Unternehmen respektive dem Verwaltungsrat aufzutreten.

Ausserdem dient der Familienrat dazu, die bestehenden Richtlinien laufend zu überprüfen, den Informationsfluss zwischen Familie und Unternehmen sicherzustellen, in Konfliktfällen zu vermitteln und sicherzustellen, dass die nächste Generation die Ausbildung erhält, die im Sinne von Familie und Unternehmen ist. Der Rat trifft sich vier bis zwölf Mal jährlich, je nach Bedarf und Verfügbarkeit der Familienräte. Der Vorsitz sollte demjenigen Familienmitglied zugesprochen werden, das am meisten Vertrauen in der Familie geniesst.

Kommissionen

Nebst der Familienversammlung und dem Familienrat setzen viele Familien diverse Kommissionen ein. Die Familie entscheidet, welche Entscheidungskompetenz jede Kommission haben soll. Am häufigsten ist die Bildung einer Kommission, die sich ausschliesslich der Mitarbeit von Familienmitgliedern im Unternehmen widmet (z. B. Selektionskriterien, Einstellungsverfahren, Weiterbildung, Entlohnung, Beförderung). Gewisse Familienunternehmen setzen auch temporäre Kommissionen ein, die sich beispielsweise nur der Wahrung der Familienwerte im Unternehmen oder der Geschichte der Unternehmerfamilie widmen, oftmals im Kontext eines Jubiläums.

Vorteile der Familienstrategie

Eine Familienstrategie im weiteren Sinn hilft, Erwartungen zwischen der Eigentümerfamilie und dem Unternehmen abzugleichen. Widersprüchliche Erwartungen, mangelnde Kommunikation und die daraus resultierende Verwirrung führen zu Groll und Zerwürfnissen innerhalb der Familie und des Unternehmens.

Eine Familienstrategie im engeren Sinne hilft der Unternehmerfamilie dabei, langfristig geeint und harmonisch zu bleiben und den Kräften zu trotzen, die eine Familie im Zeitverlauf – während sie beispielsweise wächst, und sich die Familienmitglieder geografisch und teilweise auch emotional distanzieren – auseinanderzureissen drohen.

Eine Familienstrategie bietet Vorteile für die Familie und das Unternehmen. Wenn das Unternehmen hilft, die Ziele der Familienstrategie zu erfüllen, dann führt eine Familienstrategie zu einem dynamischeren und erfolgreicheren Unternehmen, was sich positiv auswirkt auf die Mitarbeitenden, weitere Stakeholder und deren Familien sowie auf die Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes.

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