Forschung & Entwicklung

Geschäftsmodell und Social Media

Der Weg zur strategischen Anwendung

Erfolg in Social Media hängt von einer guten medialen Umsetzung ab, so die weit verbreitete Ansicht. Vielen KMU ist jedoch nicht klar, warum sie sich engagieren sollen. Wenn Social-Media-Aktivitäten von einem «symbolischen» zu einem strategischen Engagement entwickelt werden sollen, müssen diese eng an die Geschäftslogik des KMU gekoppelt werden.
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Social Media gelten heute als Allheilmittel für Unternehmen. Sie sind günstig, einfach zu bedienen und die Zielgruppen werden direkt erreicht. Private Nutzer, Vertreter von Unternehmen und anderen Organisationen können in den jeweiligen Plattformen Inhalte erstellen und sich austauschen. Mit diesen Möglichkei­ten stehen jedoch gerade KMU auch vor gros­sen Herausforderungen. Die Ergebnisse unserer KMU-Befragung in der Ostschweiz zeigen, dass lediglich 35 Prozent der KMU in irgendeiner Form Social Media für Zwecke des Unternehmens (z. B. Marketing, Recruiting, Kontaktanbahnung, Werbung) nutzen (Beier et al. 2013). Facebook stellt dabei die am meisten genutzte Plattform dar.

Outbound – intern – Inbound

Die Zwecke, die mit dem Einsatz von Online-Kanälen verfolgt werden, sind sehr vielfältig. In erster Linie wird Social Media in vielen Unternehmen für die Kommunikation von innen nach aussen für Marketing, PR und Vertrieb eingesetzt (Outbound). Zudem kann sich die Nutzung auf die unternehmensinternen Prozesse und auf die Kommunikation von aussen in das Unternehmen hinein (Inbound) beziehen. Gerade im Inbound-Bereich liegt eine Stärke von Social Media, da Unternehmen Wissen von verschiedenen externen Stakeholdern für sich erschliessen können. Relevante Informationen können bei Kunden oder anderen Ideengebern zur Verbesserung der eigenen Leistungserbringung abgefragt werden (Kietzmann et al. 2011).

Über alle Social-Media-Kanäle hinweg haben wir für insgesamt 16 Zwecke die Einschätzungen der Unternehmen hinsichtlich der Erwartungen bei den verfolgten Zielen und dem Ausmass der erreichten Wirkungen gegenübergestellt. In der Abbildung wurden die Durchschnittswerte für die verfolgten Ziele (schwarz) mit denen der erreichten Wirkungen (grau) abgeglichen. Die Einschätzungen erfolgten von «gar nicht» (1) bis «sehr stark» (4). Entsprechend liegt die Mitte zwischen niedrigen und hohen Bewertungen bei 2,5. Übersteigen die verfolgten Ziele die erreichten Wirkungen, so wurde dieser «Minus-Saldo» mit einem roten Balken dargestellt.

Symbolisches Engagement

Es zeigt sich, dass die Erwartungen insgesamt niedrig sind, wenn auch im Outbound-Bereich deutlich höher als in den anderen beiden Bereichen. Die gesteckten Erwartungen werden bei keinem einzigen Zweck erfüllt. Würde man nur die niedrigen Werte bei den erreichten Wirkungen anschauen, könnte man zu dem Schluss kommen, dass alles nur eine Frage der besseren Umsetzung wäre. Erfolg wäre dann vornehmlich durch Verbesserungen in der medialen Umsetzung zu erzielen. Dies ist eine weitverbreitete Ansicht. Bezieht man allerdings auch die niedrigen Werte für die verfolgten Ziele mit in die Analyse ein, so wird ersichtlich, dass viele KMU sich mit weit grundlegenderen Herausforderungen im Umgang mit sozialen Medien konfrontiert sehen. Letztendlich ist vielen nicht klar, warum sie sich überhaupt engagieren bzw. engagieren sollten.

Bezeichnenderweise liegt lediglich bei genau einer Zieldimension, dem «Zeitgerechten Umgang mit Kommunikation und Technik signalisieren», der Wert sowohl für das verfolgte Ziel als auch für die erreichte Wirkung im tendenziell hohen Bereich grösser 2,5 (wenn auch nur knapp). Zu diesem Zweck reicht es bereits aus, einen Account in einem Kanal anzulegen, und das Signal, dass man auch «dabei» ist, ist somit gesetzt bzw. das Ziel schon erreicht. Eine Anbindung der Social-Media-Aktivitäten an die Geschäftslogik des Unternehmens ist gar nicht notwendig und die Zielgruppen der Aktivitäten sind quasi irrelevant. Diese Form der Anwendung von Social Media bezeichnen wir als «symbolisch», da sie vollkommen entkoppelt von jeglichen weiterführenden Zwecken ist.

Für viele Unternehmen ist es allerdings durchaus nachvollziehbar, so zu agieren. Das ist dann der Fall, wenn die Nichtteilnahme an Social Media bei den Zielgruppen als Signal für mangelnde Innovationsfähigkeit oder mangelnden Fortschritt verstanden wird. Wenn noch dazu die echten, weiterführenden Mehrwerte nicht klar sind, erscheint es nur logisch, den finanziellen und zeitlichen Aufwand tief zu halten. Diese symbolische Teilnahme erzielt aber eben auch kaum einen Effekt auf das tatsächliche Geschäft des Unternehmens. So stellt sich nun die Frage, wie eine Alternative zur rein symbolischen Anwendung von Social Media aussehen könnte. Diese muss eine «strategische» Anwendung sein (Beier / Wagner 2013).

Strategisches Engagement

Für ein strategisches Engagement müssen die Aktivitäten in sozialen Medien eng an die Geschäftslogik des Unternehmens gekoppelt werden. Social Media ist kein Selbstzweck. Entsprechend muss strategisch geplant werden, wie SocialMedia-Aktivitäten schlussendlich betriebswirtschaftliche Ziele (mehr Umsatz, tiefere Kosten, schnellere Prozesse oder geringere Risiken) erreichen sollen. Dazu reicht es nicht, alle Unternehmensbeteiligten frei agieren zu lassen, in der Hoffnung, dass am Ende positive Effekte für das Unternehmen eintreten werden. Vielmehr muss ein Unternehmen anhand seines Geschäftsmodells klären, an welchen Stellen Social-Media-Aktivitäten Mehrwerte bringen können. Dies muss im Einzelfall konkret erarbeitet werden. In jedem Fall ist es erforderlich, Antworten auf die folgenden vier Fragen zu finden. Die Antworten auf diese Fragen müssen allen Beteiligten im Unternehmen klar sein.

Fragen für den Einstieg

Auf dem Weg zur strategischen Einbindung der Social-Media-Aktivitäten in das Geschäftsmodell sollten sich KMU folgende Fragen stellen:

1. Wer sind unsere Zielgruppen?

Bei der Frage nach der Zielgruppe von Social-Media-Aktivitäten – insbesondere im B2C-Bereich – sind KMU zunächst einmal geneigt, mit «alle» oder «jeder» zu antworten. Die Vorstellung erscheint verlockend, man könnte über die reichweitenstarken Kanäle (wie z. B. Facebook oder YouTube) kostengünstig eine hohe Zahl an Nutzern erreichen. Der Vielzahl an möglichen Adressaten steht aber auch die Konkurrenz der anderen Anbieter von Inhalten gegenüber, die alle um die Aufmerksamkeit der Nutzer kämpfen. Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass Zielgruppen sehr konkret angesprochen werden können und ihnen aufgezeigt wird, was genau für sie die Mehrwerte einer Social-Media-Beziehung mit dem Unternehmen sind.

Daher ist es erforderlich, dass genau definiert wird, wer die Zielgruppe ist bzw. die Zielgruppen sind. Dabei gilt: Zielgruppen sollten dann ausdifferenziert werden, wenn sie sich auf unterschiedlichen Plattformen aufhalten oder sich die Inhalte, über die sie motiviert werden sollen, stark unterscheiden. Gleichzeitig sollten die Kundensegmente auch nicht zu kleinteilig sein: Es steht nur eine begrenzte Anzahl an Kanälen zur Verfügung, über die unterschiedlich kommuniziert werden kann. Und der Aufwand lohnt sich nur, wenn immer noch eine hinreichend grosse Menge an potenziellen Nutzern vorhanden ist.

2. Welche Zwecke möchten wir mit diesen Zielgruppen verfolgen?

Nachdem die Zielgruppen definiert sind, ist festzulegen, welche Zwecke mit diesen jeweils verfolgt werden sollen. Bei den unternehmensexternen Zielgruppen gibt es zwei Arten von betriebswirtschaftlichen Zwecken. Die eine ist, Informationen zu generieren, die dazu dienen, Produkte und Leistungen zu verbessern oder Marktforschung und Marktbeobachtung zu betreiben (Inbound), die andere dient dazu, mit der Kommunikation nach aus­sen Zwecke zu erzielen (Outbound). Letztere ist insgesamt näher an umsatzrelevanten Zielen, wenn es z. B. um die Gewinnung von Neukunden geht oder die Verbesserung der Kundenbindung.

Insgesamt gilt, dass es in jedem Kanal um mehrere Arten von Zwecken geht, die ineinandergreifen. So müssen die Nutzer überhaupt zum Eintritt in den eigenen Kanal und zu Aktivitäten motiviert werden. Dann sollten diese die Inhalte und den Kanal des Unternehmens selbst zu weiteren Nutzern im Netzwerk verbreiten. Und schliesslich geht es letzten Endes darum, die eigentlich geschäftsrelevanten Effekte hervorzurufen.

3. Wie gelingt es, diese Zwecke zu erreichen?

Je genauer die Zielgruppen und die Zwecke benannt sind, desto konkreter kann auch daran gearbeitet werden, die Zielgruppen zu diesen zu motivieren. KMU sollten sich nicht nur darauf konzentrieren, ihre eigenen Absichten als Botschaften zu kommunizieren. Zunächst geht es erst mal darum, den Usern etwas zu geben, was diesen einen direkten Nutzen bringt. Daher ist es sehr wichtig, die Zielgruppen klar abzugrenzen, damit eine konkrete Vorstellung entwickelt werden kann, was diese mögen und nachfragen. Nützliche Inhalte können z.B. aus Unterhaltung oder relevanten Informationen bestehen.

Werden die User gut mit relevanten In­halten bedient, dürfen dann auch Botschaften mit eigenen Zielen eingebracht werden. Trotzdem sind plumpe Werbebotschaften (im Outbound-Bereich) in den meisten Fällen zu vermeiden, ausser die Kanäle versprechen dies explizit (z. B. Sonderangebote, Aktionen). Im Inbound-Bereich geht es eher darum, Meinungen und Informationen von der Zielgruppe abzufragen. Es erscheint grundsätzlich ratsam, die eigenen Absichten nach dem «Foot-in-the-Door»-Prinzip langsam zu steigern, und stets darauf zu achten, wie die Community darauf reagiert.

4. Wo sind die Zielgruppen zu erreichen und die Beziehung zu etablieren?

Die vierte Frage bezieht sich darauf, wo die jeweiligen Zielgruppen überhaupt zu erreichen sind. Nur mit einer klaren Definition der Zielgruppe und der Zwecke lässt sich ableiten, in welchen sozialen Medien die jeweiligen Beziehungen zu etablieren sind. Über alle Social-Media-Plattformen existieren Statistiken zu demografischen Merkmalen, in denen erkennbar ist, inwieweit welche User-Gruppen dort vertreten sind. Zudem kann das Unternehmen selbst recherchieren, in welcher Zahl und inwieweit bereits User in bestimmten Plattformen zu relevanten Themen und Inhalten kommunizieren. Die einzelnen SocialMedia-Plattformen unterscheiden sich zudem auch darin, welche Inhalte in welchen Interaktionsformen kommuniziert werden. Es gibt Plattformen, die eher auf bestimmte Content-Formate ausgerichtet sind (z. B. YouTube für Videos oder Pinterest für Fotos), andere, die eher auf kundenspezifische Profile und deren Vernetzung fokussieren (z. B. Xing und LinkedIn im B2B-Bereich) oder jene, auf denen Inhalte frei kursieren (z. B. Twitter). In den letzten Jahren ist eine zunehmende Konsolidierung zwischen den Plattformen zu beobachten, so dass mittlerweile die meisten Plattformen die üblichen Funktionalitäten in irgendeiner Form anbieten. Letzten Endes geht es darum, die Plattformen zu identifizieren, in der eine der eigenen Zielgruppen hinreichend vertreten ist und in der auf eine Art und Weise kommuniziert wird, die zum Unternehmen und dessen Absichten passt.

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