Eine neue Studie von Deloitte zeigt, dass bereits heute 28 Prozent der Arbeitnehmer mindestens einen halben Tag pro Woche von zu Hause aus arbeiten. Dieser Anteil dürfte gemäss der repräsentativen Umfrage unter Tausend Schweizern im erwerbsfähigen Alter in den nächsten Jahren weiter zunehmen – insgesamt könnte etwa die Hälfte der 4,9 Millionen Beschäftigten in der Schweiz mobil oder von zu Hause aus arbeiten. Hinzu kommt, dass dies von den Arbeitnehmern ebenfalls gewünscht wird. Von den 72 Prozent der Befragten, die noch kein Home-Office machen, möchten 29 Prozent dies gerne tun. Von den restlichen 28 Prozent, die bereits mindestens einen halben Tag pro Woche von zu Hause arbeiten, möchten 85 Prozent daran festhalten oder die Home-Office-Tage sogar noch ausbauen.
Flexible Arbeitsplätze
Neben dem Home-Office ist dank der Sharing Economy in den letzten Jahren eine weitere Alternative zum konventionellen Büro des Arbeitgebers entstanden: sogenannte Third Places. Onlineplattformen führen hier Anbieter und Nachfrager von Büroräumlichkeiten und Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt rasch zusammen – ganz nach dem Modell des Community-Marktplatzes «Airbnb». Wer kurzfristig einen Arbeitsplatz benötigt, findet ihn per Mausklick. Das flexible Mieten und Vermieten von Büros boomt – Betreiber solcher Plattformen wie «Liquid Space» oder «Share Desk» gehören zu den aufstrebenden Sharing Economy Start-ups aus dem Silicon Valley.
Boom durch Freelancer
Der Boom kommt nicht überraschend, da die treibende Nachfragekraft von flexiblen Büroräumen Freelancer sind, welche durch die Sharing Economy in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben. In der Schweiz gehen heute schon 25 Prozent Arbeiten als Freelancer nach, sei es haupt- oder nebenberuflich.
Die Anbieter flexibler Arbeitsplätze sind häufig sogenannte Coworking Spaces, also Bürogemeinschaften, die Büroplätze und Meetingräume auf Stundenbasis anbieten. Eine der Marktführerinnen ist die US-Firma «We Work», die Büroflächen mietet und diese an Freelancer und Jungunternehmen flexibel weitervermietet. Die Firma wurde 2010 gegründet und hat heute einen geschätzten Unternehmenswert von 10 Milliarden US-Dollar. Das Erfolgsrezept liegt darin, dass das Unternehmen nicht nur Büroplätze, sondern auch ein Gemeinschaftsgefühl und Zugang zu einem Netzwerk von Tüftlern und Gleichgesinnten bietet.
Coworking in der Schweiz
In der Schweiz ist die flexible Vermietung von Arbeitsplätzen ebenfalls auf dem Vormarsch, auch wenn sie eine noch vergleichsweise geringe Rolle spielt. 2014 gab es 30 Coworking Spaces, heute sind es 50. Sie bieten gemeinsam etwas mehr als 1000 Arbeitsplätze an. Daneben existieren auch Grossunternehmen wie zum Beispiel die SBB oder die Swisscom, die Arbeitsplätze an Externe vermieten.
Eine von Deloitte in Zusammenarbeit mit Coworking Switzerland durchgeführte Umfrage, an welcher 38 der 50 Schweizer Coworking Spaces teilgenommen haben, zeigt, dass sich die Nachfrage nach flexiblen Arbeitsplätzen verglichen mit vor zwölf Monaten deutlich erhöht hat: Bei 64 Prozent der Coworking-Anbieter hat die Nachfrage zugenommen. Nur bei sechs Prozent abgenommen. 74 Prozent der Befragten gehen zudem davon aus, dass die Nachfrage weiter steigen wird. Fast die Hälfte der heute bestehenden Anbieter plant deshalb, das Angebot in den nächsten 24 Monaten zu erweitern, und 27 Prozent werden die Arbeitsplätze sogar um mehr als 40 Prozent ausbauen.
Auch in der Schweiz sind Freelancer die treibende Nachfragekraft von Arbeitsplätzen in Coworking Spaces: 79 Prozent der befragten Anbieter zählen sie zu ihren Kunden. Auf dem zweiten Platz folgen die Jungunternehmen, und in jedem vierten Coworking Space sind Angestellte anzutreffen. Dies zeigt, dass es Schweizer Unternehmen gibt – KMU wie auch Grossunternehmen – deren Angestellte dieses Angebot bereits nutzen.
61 Prozent der Coworking-Anbieter glauben, dass der Kundenzuwachs unter Freelancern mittelfristig am grössten sein wird. Potenzial gibt es allerdings auch bei den Angestellten. 32 Prozent beziehungsweise 26 Prozent der Anbieter geben an, dass der Kundenzuwachs bei den Angestellten von KMU beziehungsweise Grossunternehmen am grössten sein wird.
Unterschiedliche Umsetzungen
Flexible Arbeitsplatzmodelle bleiben in der Schweiz nicht nur Theorie; der Trend hin zum ortsunabhängigen Arbeiten wird im Gegenteil von zahlreichen Unternehmen aktiv gefördert. Im Juni 2015 riefen Microsoft Schweiz, Mobiliar, Schweizerische Post, SBB, Swisscom, Witzig The Office Company und SRG SSR die «Work Smart»-Initiative ins Leben. Im Zentrum steht eine Charta, die die Unterzeichner verpflichtet, flexibles und ortsunabhängiges Arbeiten zu fördern. Bis heute haben über 63 Unternehmen die Charta unterschrieben.
Die Umsetzung flexibler Arbeitsplatzmodelle ist je nach Unternehmen verschieden. Relativ weit fortgeschritten ist beispielsweise Microsoft Schweiz. Das Unternehmen hat keine fixen Arbeitsplätze mehr. Home-Office ist allen Mitarbeitern erlaubt, und am Firmenstandort existieren pro zehn Mitarbeiter nur noch sechs physische Arbeitsplätze. Bei den Bundesbetrieben SBB, Swisscom und Schweizerische Post gilt, dass jeder grundsätzlich eine bestimmte Anzahl Tage von zu Hause aus arbeiten darf, sofern der Vorgesetzte damit einverstanden ist. Dieselbe Regelung gilt bei den Basler Versicherungen. Diese Unternehmen haben im Durchschnitt pro zehn Mitarbeiter acht physische Arbeitsplätze. Grundsätzlich hat fast jedes Unternehmen ein Potenzial an Mitarbeitenden, die mobil arbeiten könnten. Im Gegensatz zu Microsoft haben aber etwa die Schweizerische Post oder die SBB viele Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Arbeit standortgebunden sind, weshalb das Potenzial für flexible Arbeitsplatzmodelle begrenzt ist.
Die AXA Winterthur erlaubt ihren Mitarbeitern nicht nur Home-Office, sondern auch das Arbeiten in Coworking Spaces. Aus diesem Grund ist sie eine Partnerschaft mit «Popup Office» eingegangen – einem Schweizer Start-up, das seinen Mitgliedern Arbeitsplätze an 50 verschiedenen Standorten bietet, die flexibel gemietet werden können. Weitere Firmen dürften diesem Beispiel bald folgen. Einzelne Firmen vermieten bereits selbst flexible Arbeitsplätze an Externe. Bestes Beispiel hierfür ist das Büro Züri der Zürcher Kantonalbank an der Bahnhofstrasse, das externe Arbeitsplätze sogar kostenlos zur Verfügung stellt. Ein ähnliches Konzept verfolgt die SBB mit ihren Business Points, die allerdings kostenpflichtig sind. In Zukunft dürfte sich dieser Trend verstärken – neben den gängigen Coworking Spaces werden auch vermehrt Grossunternehmen flexible Arbeitsplätze für Jungunternehmer, Freelancer oder Mitarbeiter anderer Firmen anbieten.