Forschung & Entwicklung

Crowdfunding

Das richtige Timing ist erfolgsentscheidend

Crowdfunding wird mittlerweile auch von KMU zur Finanzierung von innovativen Projekten in den verschiedensten Bereichen genutzt. Oftmals fehlt jedoch bei den Initianten das notwendige Know-how, um die Kampagne auch zum Erfolg zu führen. Das richtige Timing und eine strategische Planung sind dabei entscheidend.
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Die Beschaffung von Kapital ist für Unternehmen und insbesondere für KMU oftmals die grosse Hürde, um innovative Ideen voranzutreiben und am Markt umzusetzen. In jüngster Zeit nutzen KMU vermehrt die Möglichkeit, online Geld zu akquirieren. Diese neue Form der Kapitalbeschaffung nennt sich «Crowdfunding» und erlaubt es Unternehmen, einen direkten Aufruf über das Internet an die Öffentlichkeit, die «Crowd», zu starten, um Geld für ihre innovativen Vorhaben zu beschaffen.

Aufwendige Planung

Projektinitiatoren beschreiben dabei auf einer Crowdfunding-Plattform ihr Projektvorhaben, erfragen dazu die notwendigen Geldmittel und bieten Gegenleistungen an. Die finanziellen Beiträge werden online durch die Projektinitiatoren bei einer Vielzahl von potenziellen Geldgebern eingeworben. Dabei können die Gegenleistungen, die den Geldgebern angeboten werden, nicht-monetäre Belohnungen wie kleinere Geschenke oder das zu entwickelnde Produkt bzw. die Dienstleistung selbst sein (es geht hier explizit nicht um Unternehmensbeteiligungen wie im «Crowdinvesting»). Zudem ist es Geldgebern möglich, ein Projekt über reine Spenden ohne jegliche Gegen­leistung zu unterstützen. Auch in der Schweiz haben sich mit den beiden dominierenden Plattformen «100-days.net» und «wemakeit.ch» Crowdfunding-Modelle etabliert, die auf Spenden, nicht-monetäre Gegenleistungen oder Vor-Verkauf der Produkte setzen.

Mit dem Start einer Kampagne versuchen die Projektinitiatoren, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit auf ihr Projekt zu lenken und Interessenten als Geldgeber zu gewinnen. Dies deutet bereits an, dass sowohl die Planung als auch die Durchführung einer erfolgreichen Kampagne für ein KMU im Normalfall recht aufwendig sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie man die Startbedingungen bestmöglich gestalten kann, um mit den vorhandenen Ressourcen möglichst effizient die anvisierte Zielsumme zu erreichen.

Die ersten Tage entscheidend

Die Daten zeigen (siehe dazu Box «Die Daten»), dass sehr viele «Donations» (jenes Geld, das gegeben wird) in den ersten Tagen fliessen (siehe Abb. 1). Daraus wird klar ersichtlich, wie viel Anteil die ersten Tage am Erfolg einer Crowdfunding-Kampagne haben.

Zudem zeigen sich bereits im sehr frühen Verlauf der Kampagnen (oft sogar bereits nach einem Tag) erhebliche Unterschie­de zwischen den erfolgreichen und den nicht-erfolgreichen Projekten. Projekt­initiatoren erfolgreicher Kampagnen gelingt es bereits am ersten Tag, eine Vielzahl an Geldgebern zu mobilisieren und im Durchschnitt bereits knapp zehn Prozent der Zielsumme einzusammeln (siehe Abb. 2). Die nicht-erfolgreichen Projekte hingegen erhalten durchschnittlich nicht mehr als zwei Prozent der Zielsumme am ersten Tag. Die Werte steigen bei den nicht-erfolgreichen Projekten in den ersten zehn Tagen auch nur unbedeutend an und übersteigen im Durchschnitt nicht mal vier Prozent der Zielsumme

Gründe für Misserfolg

Diese starke Zweiteilung der erfolgreichen und der nicht-erfolgreichen Projekte verstärkt sich über die gesamte Laufzeit von 100 Tagen. Am Ende der Kampagne haben 62 Prozent der nicht-erfolgreichen Projekte immer noch we­niger als fünf Prozent der Zielsumme eingesammelt. Nur gerade zwei Prozent der nicht-erfolgreichen Crowdfunding-Projekte erreichen mehr als 50 Prozent der Zielsumme. Dies kann an drei unterschiedlichen Effekten liegen:

  • Die Projektinitiatoren betreiben insgesamt ein unzureichendes Online-Marketing für die Crowdfunding-Kampagne und es werden über die gesamte Kampagnenlaufzeit relativ wenige potenzielle Geldgeber auf das Projekt aufmerksam beziehungsweise besuchen die Projektseite auf der Crowdfunding-Plattform.
  • Das Projekt an sich wirkt aufgrund der auf der Projektseite gebotenen Informationen über das Projekt selbst oder die Projektinitiatoren «unattraktiv» auf potenzielle Geldgeber und dieser Eindruck ist relativ allgemein gültig. Dies führt dazu, dass unabhängig davon, wie viele Leute die Projektseite auf der Crowdfunding-Plattform besuchen, nur sehr wenige eine Donation tätigen.
  • Das Projekt an sich erscheint zwar durchaus attraktiv, allerdings sinkt das Vertrauen der potenziellen Geldgeber in das Projekt oder die Initiatoren, je schlechter das Verhältnis von eingenommenen Beträgen zu bereits ver­strichenen Tagen der Projektlaufzeit ist. Dieser Effekt nennt sich «Social Proof». Selbst wenn das Projekt eigentlich als gut wahrgenommen wird, neigen potenzielle Geldgeber zu Zweifeln, wenn nach einer gewissen Laufzeit der Kampagne nur wenige andere bereits Geld gegeben haben.

Unsere Analysen zeigen zudem, dass der Wochentag die Startbedingungen so verändern kann, dass ein Start an einem günstigen Wochentag den Projekten bereits einen «Vorsprung» auf der Zeitachse verschaffen kann. Hier zeigt der «Social Proof» Effekte, in dem weitere potenzielle Geldgeber beeinflusst durch die angezeigten vorherigen Zahlungen ihre Entscheidungen treffen. Projekte, die frühzeitig bereits relativ hohe Beträge erhalten haben, signalisieren auf diese Weise eben auch, dass sie von besonderer Güte sind.

Schub zum Wochenstart

Projektkampagnen, die an einem Montag und Dienstag gestartet wurden, erhalten direkt in den ersten 24 Stunden im Durchschnitt wesentlich mehr Geld. Die zweite Abbildung zeigt die im Durchschnitt erreichten Anteile der Zielsumme zum jeweiligen Tag der Kampagne nach dem gestarteten Wochentag.

Kampagnen, die an einem Montag starten, erreichen bereits innerhalb der ersten 24 Stunden mehr als 15 Prozent der Zielsumme. Ähnlich sieht der Verlauf aus, wenn das Projekt an einem Dienstag gestartet wird. Dementsprechend sind diese Projekte nach den ersten zehn Tagen auch bereits dem Ziel näher: Projekte, welche an einem Dienstag gestartet werden, haben im Durchschnitt nach zehn Tagen bereits 45 Prozent der Zielsumme von den Geldgebern mobilisiert. Für Kampagnen hingegen, die an weniger starken Start-Tagen beginnen – wie beispielsweise am Freitag – wird in den ersten Tagen deutlich weniger Geld gegeben. Nichtsdestotrotz zeigt sich ge­-rade bei den nicht-erfolgreichen Projekten, dass es absolut unbedeutend ist, an welchem Tag diese Projekte gestartet werden. Alle nicht-erfolgreichen Projekte erreichen durchschnittlich nicht mehr als fünf Prozent in den ersten zehn Tagen. Trotzdem bleibt das Timing sehr wichtig. Es betrifft aber nicht nur die Wahl eines günstigen Wochentags, sondern beinhaltet vor allem auch die Vorbereitungen bevor die eigentliche Kampagne in der Crowdfunding-Plattform startet. Diese sind von immenser Bedeutung, weil bereits in den ersten Tagen sehr wichtige Weichen gestellt werden, was das Erreichen der Zielsumme und den Erfolg der Kampagne angeht.

Die strategische Planung

Über das Timing hinaus gilt es, weitere Aspekte bei der Planung und Umsetzung von Crowdfunding-Kampagnen zu beachten. Projektinitiatoren müssen einige erfolgsrelevante Entscheidungen für ihre Kampagne treffen. Eine strategische Planung im Vorfeld ist dafür Grundvoraussetzung. Dazu gehören insbesondere die folgenden Überlegungen, die in der strategischen Planung der Kampagne berücksichtigt werden sollten.

Die Personen hinter dem Projekt zeigen

Der Aufruf an die Crowd folgt mehr den Regeln sozialer Interaktion als denen klassischer Markttransaktionen. Entsprechend ist der ehrliche und nachvollziehbare Appell eines (oder mehrerer) Menschen eine wichtige Ergänzung zur reinen Präsentation des Projekts. Es gilt daher bei der Ansprache der potenziellen Geldgeber entweder auf die bestehenden Beziehungen aufzubauen oder kurzfristig eine soziale Bindung zu diesen herzustellen.

Zielgruppe kennen und «abholen»

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Projektinitiatoren ihre verschiedenen Zielgruppen klar definieren, die (möglicherweise aus unterschiedlichen Gründen) ein Projekt unterstützen würden, aber auch gegebenenfalls an unterschiedlichen Orten (online und offline) abgeholt und auf unterschiedliche Weise angesprochen werden müssen.

Das Vertrauen in das Projekt-Team herstellen

Im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne muss das Vertrauen der potenziellen Geldgeber aufgebaut werden. Die Initiatoren sollten deshalb genau darüber in­formieren, was mit der Crowdfunding-Kampagne bezweckt wird und wie das Ganze schliesslich ablaufen wird. Die eigenen Leistungen, die schon zuvor erbracht worden sind, sollten aufgezeigt werden (Eigenanteil). Ebenso sollte auch die Verwendung des einzuwerbenden Betrages transparent und hinreichend detailliert dargelegt werden.

Family, Friends and Fools First

Bereits vor der Crowdfunding-Kampagne sollten möglichst viele potenzielle Geldgeber aus dem Bekannten-, Freundes- und Familienkreis informiert und mobilisiert werden, so dass diese direkt in den ersten Tagen als Geldgeber aktiv werden. Denn je früher und umfangreicher diese besondere Gruppe unter den potenziellen Unterstützern aktiviert werden kann, desto stärker wird sich dies als Signal auf weitere potenzielle Geldgeber auswirken.

Frühzeitig mit der Kommunika­tionsarbeit beginnen

Schon im Vorfeld muss definiert werden, was und an welchem Tag (insbesondere in den ersten Tagen der Kampagne) wie und über welche Kanäle (online und offline) kommuniziert werden soll. Ein Redaktionsplan stellt sicher, dass alle Zielgruppen an der für sie passenden Stelle abgeholt werden. Dazu gehört auch, die wichtigen Multiplikatoren frühzeitig zu mobilisieren und mit geeignetem Material zu versorgen.

Crowdfunding ist ein attraktives neues Instrument für KMU, um innovative Projekte über eine breite Öffentlichkeit zu
finanzieren. Allerdings sind Crowdfunding-Kampagnen keine Selbstläufer. So sollte auf keinen Fall der Aufwand un­terschätzt werden, der zur erfolgreichen Mobilisierung der notwendigen Unterstützer erforderlich ist. Timing und strategische Planung sind dabei von immenser Bedeutung. Bevor also kleine und mittelgrosse Unternehmen ein Projekt nur halbherzig lancieren, sollten sie es lieber gleich lassen.

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