Tiefer gehend sind aber Fragestellungen der künftigen Arbeitsteilung zwischen einer Stamm- und verschiedenen Satellitenbelegschaften sowie rechtliche und sozialversicherungsrechtliche Klärungsbedarfe. Angesichts der Geschwindigkeit der Einführung von neuen Praktiken hinkt die Rechtsprechung oft hinterher, wie das Beispiel Uber zurzeit vor Augen führt. In Konsequenz werden die Personaler zu strategischen Partnern, deren Zuständigkeit sich zunehmend über die Stamm- auf die Satellitenbelegschaften ausdehnt sowie die Schnittstelle zu globalen virtuellen Arbeitsmärkten gestaltet (Stark 2015).
Gerade mit dem Empowerment der Mitarbeitenden, also mehr Kompetenz sowie mehr Verantwortung, sowie auch der zunehmenden orts- und zeitunabhängigen Arbeitsverrichtung und damit der Vermischung von Arbeit und Privatleben, steigt für die Mitarbeitenden das Risiko der Selbstausbeutung. Weitsichtige Unternehmen und Führungskräfte werden die verschiedenen Ressourcen pflegen, Investitionen in ihre Arbeitsfähigkeit, in die Aufrechterhaltung und in der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen sowie in die körperliche und psychische Gesundheit leisten. Da ausserdem die Forderung jüngerer Generationen nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit besteht, kann sich dies sich in Zeiten von Fachkräftemangel als zusätzlicher Attraktivitätsfaktor erweisen.
Treiber der Transformation
Zu wenig adressiert wird bisher die Bedeutung des HRM als möglicher Treiber der digitalen Transformation. So zählen zu den wesentlichen Gründen für eine gravierende Underperformance der IT-Projekte selbst (dazu Bloch et al. 2012) sowie von Digitalisierungsprojekten ein bereits in seinem Ansatz ungeeignetes Change Management. So werden Beteiligte nicht ausreichend «ins Boot geholt» und Umsetzungen vorangetrieben, ohne sich tatsächlich den Fragen der Nutzer zu stellen (Preuss 2016).
Beziehungen, Zusammenarbeit, Kommunikation und Arbeitskultur – das sind Themen, mit denen sich Personaler im Sinne der langfristigen Entwicklung von humanen sowie sozialen Ressourcen des Unternehmens schon lange auseinandersetzen. Sie können dafür sorgen, dass auch auf sie gerichtete Anforderungen im Zeitalter der Digitalisierung ausreichend berücksichtigt werden. Trotz der für das Human Resources Management definierten Rollen wird von der Expertise des HRM im Rahmen der Digitalisierung zu wenig Gebrauch gemacht.
Es scheint nur wenig eine bisweilen monierte fehlende Business- oder Technikkompetenz des HRM zu sein, die dazu führt, dass es kaum als Impulsgeber für die digitale Transformation und als Vorbereiter der für die Arbeitswelt 4.0 notwendigen Veränderungsschritte im Unternehmen Einfluss nehmen kann. Wenn man die derzeitigen Treiber der Debatte näher betrachtet, so gewinnt man bereits mit Blick auf die ureigenen Prozesse des HRM den Eindruck, dass es die IT-Strategen sind, die ihre Gestaltung definieren und weniger die HR-Strategen (siehe auch Bruns/König 2011).
Mit Blick auf die künftigen Anforderungen der Digitalisierung stehen IT sowie HRM letztlich in einem interessanten Spannungsverhältnis. So tritt die IT einerseits recht dominant auf, was die Gestaltung des HRM anbetrifft. Mit Blick auf die digitale Transformation könnte sie aber geradezu auf die Expertise des HRM angewiesen sein.
Aufgaben des HRM
Aus Unternehmenssicht sollte das HRM im Zuge der Digitalisierung eine umfassendere Gestalterrolle einnehmen und unternehmensspezifische und fachliche Expertise einbringen, als dies von externen Beratern oder der IT geleistet werden kann. Die neuen Möglichkeiten, die sich Unternehmen durch die Digitalisierung bieten, werden insbesondere dann den erhofften Erfolg bringen, wenn es gelingt, dass verschiedene Experten interdisziplinär zusammenarbeiten und sich gleichberechtigt in Entscheidungen einbringen können.
HR-Abteilungen können in der Rolle des Change-Management-Experten, der Führungskräfteentwickler sowie der Personal- und Organisationsentwickler die Belegschaftsgruppen auf die Digitalisierung vorbereiten und sind ein wichtiger Player für die nachhaltige Umsetzung technischer und organisatorischer Neuerungen. Gerade aus einer verbesserten, interdisziplinären Kooperation des HRM und der IT auf Augenhöhe können Wettbewerbsvorteile für eine digitale Unternehmensreform entstehen. Dazu notwendig ist es, die Geschäftsstrategie des Unternehmens mit der technikbezogenen Strategie und der des HRM in enger Abstimmung zu entwickeln.
Dazu erforderlich ist ein Bewusstsein der Bedeutung dieses Dreiklangs für die künftige Entwicklung und die Wertschätzung der komplementären Fähigkeiten aller an der Strategiebildung Beteiligten. Die Vorstellung des Business-Partner-Modells erreicht vor diesem Hintergrund eine neue Dimension, nämlich die echter Partnerschaft, im Sinne eines «Shared Leaderships».
Als kreativer Gestalter muss die Personalführung des Weiteren die Digitalisierung konsequent für die Weiterentwicklung und Optimierung der eigenen Prozesse und Instrumente nutzen, denn die Digitalisierung bedingt neue Formen des Managements und eröffnet somit neue Möglichkeiten. Wie sich dies in ein schlüssiges HR-Konzept für eine digitalisierte Welt kombinieren wird und was bereits jetzt Gegenstand der Diskussion ist, steht im Fokus des zweiten Teils dieser Reihe in der Folgeausgabe.