Forschung & Entwicklung

Human Resources Management (Teil 1 von 2)

Das neue Rollenverständnis des Personalmanagements

Das Human Resources Management (HRM) hat in den vergangenen Dekaden einen Rollenwechsel hin zu einem wichtigen Standbein der strategischen Unternehmensführung durchlaufen. Die digitale Transformation stellt HRM nun vor neue Herausforderungen. Worauf sich die Personalführung einstellen muss, zeigt dieser Beitrag.
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Die Personalabteilung ist längst nicht mehr nur für die Suche und Auswahl potenzieller Kandidaten oder für die administrative Verwaltung von bestehenden Mitarbeitenden zuständig. Fachkräftemangel auf der einen Seite und drohende Arbeitsplatzverluste durch die zunehmende Digitalisierung und Produktionsverlagerungen ins Ausland andererseits stellen Human-Resources-Management-Abteilungen (HRM) vor Herausforderungen. Zudem steht das HRM selbst im Zentrum von Veränderungen. Es ist davon auszugehen, dass sich sowohl Rollen und Aufgaben als auch HRM-Lösungen verändern werden.

Dem Human Resources Management kommt verstärkt eine strategische Rolle im Unternehmen zu. Phänomene der Digitalisierung wie Cloud-Working, Big Data und Social Media sind längst nicht mehr nur theoretische Begriffe. Vielmehr konfrontieren sie Unternehmen und HR-Abteilungen frontal: Wie soll künftig das HRM in Unternehmen positioniert sein, um Mitgestalter in der Begegnung digitaler Herausforderungen zu sein? Was genau bedeutet Digitalisierung, die derzeit in aller Munde ist, für das eigene Unternehmen und im Besonderen für das Human Resources Management?

In diesem zweiteiligen Artikel wird zuerst auf die – nicht erst im Zeitalter der Digitalisierung – veränderte Rolle des Human Resources Managements eingegangen. Der zweite Artikel thematisiert die Entwicklung von E-HRM-Lösungen.

Der Rollenwechsel

Spätestens seit Beginn der Humanisierung des Personalmanagements in den 1950er-Jahren hat sich mit der zunehmenden strategischen Bedeutung des Personals für den Unternehmenserfolg das HRM zu einem wichtigen Standbein der strategischen Unternehmensführung gemausert. In den 1990er-Jahren entwarf Dave Ulrich ein Modell, das für viele Unternehmen wegweisend wurde. Die Funktion des HRM wird darin in seiner Rolle als Business-Partner konzipiert, die das Management humaner Ressourcen mit der Unternehmensstrategie abstimmen soll (siehe Abbildung 1).

Hintergrund ist unter anderem, den Ressourcen «Mensch» und «Soziale Beziehungen» als schwer imitierbarem Wettbewerbsvorteil gerecht zu werden und sie strategiekongruent zu entwickeln. Weitere Rollen des HRM definiert Ulrich einerseits in der Erwartung einer effizienten Abwicklung personaladministrativer Tätigkeiten, als Ansprechperson der Mitarbeitenden für eine Steigerung der Performance zu sorgen sowie als «Change Agent» Veränderungen mitzugestalten und zu managen.

Die Rolle des HR-Business-Partners besteht vor allem in der strategieorientierten, partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der Unternehmensführung und den Linienvorgesetzten. Das bedeutet, dass das HRM für die Ausgestaltung des Personalmanagements im Rahmen der Gesamtstrategie oder die Lancierung von strategierelevanten Fragestellungen verantwortlich ist. Auch wenn sich viele Unternehmen mit der umfassenden Umsetzung und insbesondere der Rolle des «Business-Partners» weiterhin schwer tun, gilt gerade die strategische Kopplung als zentral für ein zeitgemässes HRM.

Aufgaben aus Sicht der Linie

Aus einer PWC-Studie (Lohmann/Görtz 2011, Seite 20) geht hervor, dass die HR-Business-Partner nach eigener Einschätzung den höchsten Wertbeitrag im Bereich des Talent- und Vergütungsmanagements, der Organisationsentwicklung und im Change Management erbringen. Die Führungskräfte ihrerseits sehen den höchsten Nutzen der HR-Business-Partner in der Rekrutierung und im Performance-Management. Die Erwartung der Linienführungskräfte an HR scheint eher im Erhalt und Ausbau der Leistungsfähigkeit als im Verfolgen strategischer Themen zugrunde zu liegen. Dies bestätigt auch der Hays HR-Report 2015/2016. Betrachtet man die auf die Zukunft gerichteten Themen aus dem Hays HR-Report 2015/16, so sind die Entwicklung der Führung, der Organisation und des Einzelnen in geeigneten Situationen zentral.

Nachhaltig führen

Personalführung ist nicht nur ein zentraler Aspekt, wenn es um die unmittelbare Leistungserstellung geht. Ihre Bedeutung für Motivation, Zufriedenheit sowie Bindung von Mitarbeitenden ist unbestritten. Betrachtet man die mit der digitalen Transformation einhergehende Entwicklung, wird deutlich, dass Unternehmen aktiv neue Geschäftschancen sowie neue Geschäftsmodelle erschliessen müssen, wenn sie zukünftige Potenziale zu nutzen beabsichtigen. Weitsichtige Führungskräfte tragen dazu bei, dass ihren Unternehmen die digitale Transformation erfolgreich gelingt, indem sie agil bleiben sowie Organisationen so gestalten, dass sie der technologischen Veränderung auch soziokulturell standhalten.

Anspruchsvollere Arbeitssituationen, gekennzeichnet durch das Erfordernis hoher Expertise und Flexibilität, bringen andere Anforderungen an die Führung mit sich. Durch die zunehmende Automatisierung von Geschäftsprozessen werden die (noch) nicht zu digitalisierenden Aspekte der Arbeitskraft «Mensch» bedeutungsvoller. Die Bedeutung von Human- und Sozialkapital nimmt stetig zu. Eine Umkehrung dieses Trends ist nicht zu erwarten. Damit diese Kapitalien gera­de vor dem Hintergrund des demografischen Wandels dauerhaft zur Verfügung stehen, müssen Führungskräfte nachhaltig führen.

Gute, nachhaltige Führung wird immer häufiger mit den Zielsetzungen jenseits der finanziellen Ziele oder der reinen Gewinnmaximierung in Verbindung gebracht. Es wird gefordert, dass das Management so ausgerichtet wird, dass Handlungen heute nicht unnötig auf Kosten der Potenziale für morgen gehen. Schlagworte wie Kompetenz-, Gesundheitsmanagement sowie Work-Life-Balance machen die Runde. Eine der zentralen Herausforderungen ist es, vor der Dringlichkeit des jeweiligen Tagesgeschäfts die Langfristigkeit nicht aus den Augen zu verlieren.

Vor diesem Hintergrund kann nicht nur die Eignung von Führungskräften zu einem Engpass werden, sondern auch die Bereitschaft geeigneter Personen, Führung zu übernehmen. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die Mitglieder der «Generation Y» weniger an einer Führungskarriere interessiert sind als noch ihre Vorgängergeneration. HR sollte auf die Schaffung von Rahmenbedingungen Einfluss nehmen, die geeigneten Führungskräften die Ausübung ihrer Funktion auf eine Art und Weise ermöglichen, die sie selbst als sinnstiftend erleben. Dazu gehören unter anderem Entscheidungen zwischen technisch Machbarem und sozial Sinnvollem sowie die Entwicklung eines Gleichgewichts zwischen Management- und Führungskultur.

Im Fokus: Flexibilisierung

Flexibilisierung in Zeiten volatiler Wirtschaftslagen wird wohl eines der zentralen Themen für Unternehmen als auch im Speziellen für HR werden. Flexibilität wird mehr und mehr zu einer entscheidenden Kompetenz für Unternehmen. Hierzu gehört die Fähigkeit, auf wechselnde Auftragslagen mit einer verän­derten Zusammensetzung der gesamten Belegschaft zu reagieren. Ein flexiblerer Personalbestand, flexible Gestaltung von Arbeitsort und -zeit des Einzelnen, aber auch von Gruppen und als Selbstständige, die im Crowd working für verschiedene Arbeitgeber tätig sind sind weitere Kennzeichen von Arbeitsformen im Zeitalter der Digitalisierung. Die zunehmende Digitalisierung wird diese Entwicklung künftig begünstigen. Dies bedeutet zunächst, dass klassisch starre hierarchische Strukturen werden weiter abgeflacht und flachere Hierarchien geschaffen.

Tiefer gehend sind aber Fragestellungen der künftigen Arbeitsteilung zwischen einer Stamm- und verschiedenen Satellitenbelegschaften sowie rechtliche und sozialversicherungsrechtliche Klärungsbedarfe. Angesichts der Geschwindig­keit der Einführung von neuen Praktiken hinkt die Rechtsprechung oft hinterher, wie das Beispiel Uber zurzeit vor Augen führt. In Konsequenz werden die Personaler zu strategischen Partnern, deren Zuständigkeit sich zunehmend über die Stamm- auf die Satellitenbelegschaften ausdehnt sowie die Schnittstelle zu glo­balen virtuellen Arbeitsmärkten gestaltet (Stark 2015).

Gerade mit dem Empowerment der Mitarbeitenden, also mehr Kompetenz sowie mehr Verantwortung, sowie auch der zu­nehmenden orts- und zeitunabhängigen Arbeitsverrichtung und damit der Vermischung von Arbeit und Privatleben, steigt für die Mitarbeitenden das Risiko der Selbstausbeutung. Weitsichtige Unternehmen und Führungskräfte werden die verschiedenen Ressourcen pflegen, Investitionen in ihre Arbeitsfähigkeit, in die Aufrechterhaltung und in der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen sowie in die körperliche und psychische Gesundheit leisten. Da ausserdem die Forderung jüngerer Generationen nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit besteht, kann sich dies sich in Zeiten von Fachkräftemangel als zusätzlicher Attraktivitätsfaktor erweisen.

Treiber der Transformation

Zu wenig adressiert wird bisher die Bedeutung des HRM als möglicher Treiber der digitalen Transformation. So zählen zu den wesentlichen Gründen für eine gravierende Underperformance der IT-Projekte selbst (dazu Bloch et al. 2012) sowie von Digitalisierungsprojekten ein bereits in seinem Ansatz ungeeignetes Change Management. So werden Beteiligte nicht ausreichend «ins Boot geholt» und Umsetzungen vorangetrieben, ohne sich tatsächlich den Fragen der Nutzer zu stellen (Preuss 2016).

Beziehungen, Zusammenarbeit, Kommunikation und Arbeitskultur – das sind Themen, mit denen sich Personaler im Sinne der langfristigen Entwicklung von humanen sowie sozialen Ressourcen des Unternehmens schon lange auseinandersetzen. Sie können dafür sorgen, dass auch auf sie gerichtete Anforderungen im Zeitalter der Digitalisierung ausreichend berücksichtigt werden. Trotz der für das Human Resources Management definierten Rollen wird von der Expertise des HRM im Rahmen der Di­gitalisierung zu wenig Gebrauch gemacht.

Es scheint nur wenig eine bisweilen monierte fehlende Business- oder Technikkompetenz des HRM zu sein, die dazu führt, dass es kaum als Impulsgeber für die digitale Transformation und als Vorbereiter der für die Arbeitswelt 4.0 notwendigen Veränderungsschritte im Unternehmen Einfluss nehmen kann. Wenn man die derzeitigen Treiber der Debatte näher betrachtet, so gewinnt man bereits mit Blick auf die ureigenen Prozesse des HRM den Eindruck, dass es die IT-Stra­tegen sind, die ihre Gestaltung definie­ren und weniger die HR-Strategen (siehe auch Bruns/König 2011).

Mit Blick auf die künftigen Anforderungen der Digitalisierung stehen IT sowie HRM letztlich in einem interessanten Spannungsverhältnis. So tritt die IT einerseits recht dominant auf, was die Gestaltung des HRM anbetrifft. Mit Blick auf die digitale Transformation könnte sie aber geradezu auf die Expertise des HRM angewiesen sein.

Aufgaben des HRM

Aus Unternehmenssicht sollte das HRM im Zuge der Digitalisierung eine umfassendere Gestalterrolle einnehmen und unternehmensspezifische und fachliche Expertise einbringen, als dies von externen Beratern oder der IT geleistet werden kann. Die neuen Möglichkeiten, die sich Unternehmen durch die Digitalisierung bieten, werden insbesondere dann den erhofften Erfolg bringen, wenn es gelingt, dass verschiedene Experten interdisziplinär zusammenarbeiten und sich gleichberechtigt in Entscheidungen einbringen können.

HR-Abteilungen können in der Rolle des Change-Management-Experten, der Führungskräfteentwickler sowie der Personal- und Organisationsentwickler die Belegschaftsgruppen auf die Digitalisierung vorbereiten und sind ein wichtiger Player für die nachhaltige Umsetzung technischer und organisatorischer Neuerungen. Gerade aus einer verbesserten, interdisziplinären Kooperation des HRM und der IT auf Augenhöhe können Wettbewerbsvorteile für eine digitale Unternehmensreform entstehen. Dazu notwendig ist es, die Geschäftsstrategie des Unternehmens mit der technikbezogenen Strategie und der des HRM in enger Abstimmung zu entwickeln.

Dazu erforderlich ist ein Bewusstsein der Bedeutung dieses Dreiklangs für die künftige Entwicklung und die Wertschätzung der komplementären Fähigkeiten aller an der Strategiebildung Beteiligten. Die Vorstellung des Business-Partner-Modells erreicht vor diesem Hintergrund eine neue Dimension, nämlich die echter Partnerschaft, im Sinne eines «Shared Leaderships».

Als kreativer Gestalter muss die Personalführung des Weiteren die Digitalisierung konsequent für die Weiterentwicklung und Optimierung der eigenen Prozesse und Instrumente nutzen, denn die Digitalisierung bedingt neue Formen des Managements und eröffnet somit neue Möglichkeiten. Wie sich dies in ein schlüssiges HR-Konzept für eine digitalisierte Welt kombinieren wird und was bereits jetzt Gegenstand der Diskussion ist, steht im Fokus des zweiten Teils dieser Reihe in der Folgeausgabe.

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