Suchte man im Sommer 2013 über die Suchmaschine Google nach dem Begriff «Nachhaltigkeit», so erhielt man Links zu deutlich mehr als 14 Millionen Websites, auf welchen der Begriff genannt wurde. Bei der Suche nach der englischen Version des Begriffs, also «Sustainability», waren es sogar mehr als 114 Millionen Websites. Ein Jahr später hat sich die Anzahl Ergebnisse jeweils auf etwa die Hälfte reduziert. Hat Nachhaltigkeit also an Bedeutung verloren?
Diffuses Verständnis
Generell hängt die Stärke der öffentlichen Diskussion von Nachhaltigkeit in hohem Masse von der Medienpräsenz weltweiter aktueller Grossereignisse ab. Diese führen uns ihre Dringlichkeit und Bedeutsamkeit plakativ vor Augen, wie etwa im Jahr 2010 durch die Ölkatastrophe vor Mexiko, 2011 durch die Katastrophe um Fukushima oder seit 2008 die andauernde Finanz- und Eurokrise, die uns in Wellenbewegungen immer wieder aufs Neue herausfordert. Neue tagesaktuelle Geschehnisse verdrängen diese Präsenz in den Medien dann aber auch schnell wieder, was beispielsweise auch anhand der durch Google generierten Ergebnisse deutlich wird.
Es zeigt sich gleichzeitig aber auch, dass Nachhaltigkeit selbstverständlicher und in allen gesellschaftlichen Bereichen fest verankert wird. Dabei findet eine Diffusion des Verständnisses für das Phänomen und eine Sensibilisierung für Nachhaltigkeit statt, welche eine «kritische Masse» in der Gesellschaft braucht, um als «normal» betrachtet zu werden, akzeptiert zu werden und als legitim zu gelten. Als Richtwert spricht man dabei von etwa 30 bis 35 Prozent der Unternehmen oder Personen in der Gesellschaft, die das Thema als relevant betrachten und aufgreifen (Rogers, 1962 / 2003, sowie, 2013). Das ist generell ein gutes Zeichen, aber es genügt noch nicht.
Druck der Stakeholder wächst
Viele Unternehmen möchten oder müssen aufgrund des steigenden Drucks durch verschiedene Gruppen von Stakeholdern heute als nachhaltig gelten und handeln, aber ihre konkrete Umsetzung erweist sich oft als schwierig. Dies belegen verschiedene Studien in der Schweiz, aber auch im internationalen Kontext: So bewerten in einer Studie der Boston Consulting Group zirka zwei Drittel der befragten Unternehmen die Bedeutung von Nachhaltigkeit als «signifikant» oder «sehr signifikant». Nur 40 Prozent der Unternehmen kümmern sich aber um das Thema, nur zehn Prozent tun dies intensiv (Kiron et al., 2013). Eine Ursache dafür ist in den besonderen Charakteristika zu suchen, die mit nachhaltigem Handeln zwingend verknüpft sind. Insbesondere Dilemmata spielen dabei eine zentrale Rolle. Das sind Situationen, in welchen verschiedene, oft aber nicht alle, Ziele und Lösungen einerseits miteinander verglichen werden können. Zu ihrer Lösung gibt es andererseits aber kein eindeutiges Ergebnis mehr, sondern eine unüberschaubare Anzahl an kaum vergleichbaren Möglichkeiten. Klare rationale Entscheidungen sind dann schwierig, wir wissen nicht, was richtig und was falsch ist. Dies beginnt bereits beim Verständnis von «Nachhaltigkeit».
Unklare Begrifflichkeit
Zwar wird der Begriff «Nachhaltigkeit» im Alltag heute selbstverständlich genutzt, aber die Menschen verbinden ganz unterschiedliche, oft unkonkrete Dinge mit ihr (Kugler & Olbert-Bock, 2012). Dies ist nicht zuletzt auf die gängigen Definitionen der Nachhaltigkeit zurückzuführen. Nachhaltigkeit wird heute allgemein verstanden als «…[Handeln, durch das] die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt […] ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können» (Hauff / Brundtland-Kommission, 1987), sowie «…[den] Zustand eines Systems, das sich so verhält, dass es über unbeschränkte Zeiträume […] existenzfähig bleibt […]» (Meadows et. al., 1992).
So einsichtig diese Leitsätze auf den ersten Blick erscheinen, so wenig handlungsleitend sind sie aber auch für Unternehmen. Ihr Geltungsbereich und das Verständnis von Nachhaltigkeit sind generell zu breit, um direkt in konkrete Handlungen umgewandelt werden zu können. Nachhaltigkeit bleibt also hochkomplex, diffus und wenig greifbar. Gerade für KMU mit knappen Ressourcen aller Art stellt ihre Konkretisierung daher oft eine Hürde dar.
Unternehmen orientieren sich dann häufig an der sogenannten «Triple-Bottom Line», die seit der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 1992 Gültigkeit besitzt. Unternehmen verpflichten sich dann, soziale und ökologische Interessen gleichwertig zu den bisher schon relevanten ökonomischen Zielen zu verfolgen. Aber auch der Charakter ökonomischer Ziele ist nicht auf einen bedingungslosen kurzfristigen Gewinn ausgelegt, sondern dient dem längerfristigen Erhalt oder dem Überleben der Organisation. Es ist also möglich, dass es dazu einen kurzfristigen Verzicht auf Gewinn braucht (siehe hierzu auch der zweite Artikel dieser Serie, «KMU-Magazin» 6 /14, Seite 86 ff.).