Forschung & Entwicklung

Studie: Unternehmensentwicklung

Business Development zwischen Theorie und Praxis

Das theoretische Verständnis für die Funktion Business Development ist in KMU zwar vorhanden, doch mit der praktischen Anwendung hapert es noch. Eine Forschungsarbeit zeigt die Kluft zwischen Theorie und Praxis und leitet die besonderen Herausforderungen ab.
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Megatrends und globale Risiken wie die aktuelle Pandemie fordern die Schweizer Klein- und Mittelunternehmen (KMU) stark heraus. Wer in ruhigen Zeiten keine Zeit und Ressourcen für die Analyse von Trends und Risiken und die daraus folgende Strategieentwicklung investiert hat, wird es schwer haben, eine mittel- bis langfristige Sicht über die Zeit nach der Pandemie zu entwickeln. Dieser Aufgabe widmet sich die Funktion Business Development, die vor allem in Grossunternehmen eine Vielzahl von Mitarbeitenden beschäftigt. 

Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurde der aktuelle Stand des Business Development in Schweizer KMU untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass eine Kluft zwischen dem theoretischen Verständnis und der effektiven KMU-Praxis besteht. 

Die theoretische Basis

Die Funktion Business Development (BD) verbindet das Unternehmen und seine strategische Bedürfnisse einerseits mit dem Geschäftsumfeld und dem Trendmanagement andererseits. In der Theorie werden die Ziele des Business Development fragmentiert definiert: 

  • Bestehende, aber unerfüllte Marktbe­dürfnisse befriedigen, 
  • neue Technologien, neue Produkte oder  auch Dienstleistungen auf den Markt bringen, 
  • einen bestehenden Markt mit einem neuen Geschäftsmodell verbessern, aufbrechen oder auch verändern sowie 
  • einen neuen Markt schaffen. 

Daraus werden vier Gruppen von abteilungsübergreifenden Aufgaben abgeleitet: 

  • Trends und Marktchancen identifizieren, erfassen und bewerten, um daraus Szenarien für Strategie, Innovation und neue Geschäftsbeziehungen zu generieren, 
  • strategische Analyse und Planung auf verschiedenen Ebenen (Kunde, Angebot, Markt) und Reporting an die entsprechenden Hierarchiestufen, 
  • Innovationsideen generieren, den Innovationsprozess starten und Innovationsmassnahmen bewerten,
  • Geschäftsbeziehungen aufbauen und pflegen. 

Angesichts der Ziele und Aufgaben sowie des spezifischen Unternehmenskontexts kann die Funktion unterschiedlich organisiert werden: 

  • als Rolle einer Person, sogenannter BD Manager,
  • als eine Organisationseinheit, die in den bestehenden Unternehmensstrukturen eingebettet ist, 
  • als Prozess, der die Aufgaben strukturiert. 

Die Theorie und die Stelleninserate von Grossunternehmen prägen die Vorstellungen über das Stellenprofil im Business Development. Häufig erwähnte allgemeine Qualifikationen sind:

  • wirtschaftswissenschaftliches Studium mit Schwerpunkt Marketing, Business Development, Informatik, allgemeine Betriebswirtschaftslehre oder vergleichbar;
  • mindestens drei bis fünf Jahre relevante Berufspraxis in der Zielbranche;
  • fundiertes analytisches und strategisches Denkvermögen;
  • Fähigkeit, neue Geschäftsopportunitäten zu identifizieren;
  • Fähigkeit, komplexe Aufgabenstellungen professionell zu strukturieren.

In einer optimalen Besetzung des BD-Teams werden in Grossunternehmen erfahrene interne Mitarbeiter mit Know-how über die Firma mit Experten (z. B. mit Berater-Hintergrund) gemischt.  Für kleinere Unternehmen wird ein erfahrener Mitarbeiter mit vertrieblichem und technischem Hintergrund für die Funktion empfohlen. Dieser soll ein «All­round»-Talent sein, das zusätzlich zu den oben erwähnten Qualifikationen Projekte leitet, herausragend intern und extern kommuniziert, Ergebnisverantwortung übernimmt, Teamplayer mit hoher Reisebereitschaft ist, vertriebliche, «leane» und zugleich agile Arbeitsweise hat, Auslandserfahrung hat und mehrere Fremdsprachen beherrscht. Bei den begrenzten Ressourcen kann angenommen werden, dass ein KMU Schwierigkeiten haben wird, eine solche Position zu besetzen. 

Die KMU-Praxis

Mittels Umfrage und Experteninterviews wurde die aktuelle Situation bei KMU aus verschiedenen Branchen mit Schwerpunkt Industrie, Maschinen- und Anlagebau und mit einem Sitz in der Deutschschweiz ermittelt. Dabei nahmen mehr als 35 Prozent unabhängige KMU teil sowie KMU, die als Teil einer ausländischen (50%) oder Schweizer (15%) Unternehmensgruppe geführt werden.

Zusammenfassung der Ergebnisse:  

  • Das wichtigste Ziel des BD ist, bestehende Märkte mit neuen Angeboten zu verbessern und aufzubrechen. Die Innovation in der Form neuer Angebote und neuer Märkte ist eher zweit- und drittrangig (Abbildung 1).
  • Die Aufgaben des BD konzentrieren sich darauf, neue Trends und Marktchancen zu identifizieren, um daraus Szenarien zu definieren, gefolgt von der strategischen Analyse und dem Reporting an die unterschiedlichen Hierarchiestufen. Die Teilnahme am Innovationsmanagement ist die Ausnahme (Abbildung 2). In den Interviews wird der Kontakt zur Funktion BD am häufigsten im Zusammenhang mit Datenerhebung und Reporting erwähnt. 
  • Die Verfolgung von Trends und Marktentwicklungen ist verteilt zwischen dem CEO und den Fachabteilungen Vertrieb, Marketing und Produkt-Management. Eine Stabsstelle BD ist nur in 13 Prozent der Fälle damit beschäftigt. Die Analyse der Trends und Markt­entwicklungen sowie die strategische Entscheidung über Geschäftsverände­rungen sind beim CEO angesiedelt. Weitere oben erwähnte Abteilungen unterstützen diesen Prozess. Die Stabsstelle BD ist auch hier eher als Ausnahme involviert (Abbildung 3). 
  • BD wird mehrheitlich als Team aus Mitarbeitern unterschiedlicher Abteilungen ausgeführt. Häufig wird dieses je nach Thema neu zusammengesetzt. In seltenen Fällen handelt es sich um einen einzelnen BD Manager oder einen Prozess mit fix zugewiesenen Mitarbeitern (Abbildung 4). 
  • Gemäss den Experteninterviews wird BD bei einer Linienfunktion angesiedelt: CEO, Leiter Vertrieb oder Leiter Marketing. 
  • Das Pensum für die Funktion BD, unabhängig davon, ob als Team, Einzelmitarbeiter oder Prozess, ist am häufigsten 100 Prozent, gefolgt von 50 Prozent oder weniger (Abbildung 5). Das bedeutet, mehrere Mitarbeiter nehmen das BD als Nebenaufgabe wahr – gemäss den Interviews sind dies vor allem der CEO, Leiter Vertrieb, Leiter Marketing oder Leiter Produkt-Management. 

Die Studienergebnisse widersprechen teilweise dem Wunschprofil, propagiert in der Theorie. Diese komplexe Aufgabe erfordert in erster Linie analytisches und strategisches Denkvermögen und die Fähigkeit, neue Geschäftsopportunitäten rechtzeitig zu erkennen. In zweiter Linie ist es eine wichtige Koordinationsaufgabe, die gute Kenntnisse des Unternehmens und der Branche voraussetzt. 

Um dies zu erreichen, ist die Position durch Kandidaten mit Berufserfahrung in der Zielbranche oder durch lang­jährige Mitarbeiter zu besetzten. Branchen- oder Unternehmenskenntnisse sowie starke Kommunikations- und Koordinations­fähigkeiten werden höher gewichtet als der akademische Abschluss. Dieser Aspekt ermöglicht es KMU, auch mit geringeren Mitteln die Funktion des BD Managers zu besetzen. Auch bestehende Mitarbeiter können durch gezielte Weiterbildung weiterentwickelt werden. 

Herausforderungen  

Als häufige Herausforderungen für den BD im KMU erwähnen die befragten Experten:

  • Die Koordination und Analyse der verschiedenen internen Interessen.
  • Die Funktion muss stets eine 360-Grad-Perspektive nach innen und nach aus­sen behalten. Sie soll den «Branchenhut» tragen und die Lücke zur internen Strategie und ihrer Umsetzung schliessen. 
  • Die Akzeptanz für einen erfahrenen Mitarbeiter mit Branchenkenntnissen im mittleren Kader ist hoch, aber nicht im oberen Kader.
  • Aus Ressourcengründen ist die Funktion gegenwärtig häufig im Vertrieb oder Produkt-Management angesiedelt, die aber eine kurzfristige und mittelfristige Denkweise haben. 
  • Gewünscht wird eine Verankerung als eigenständige Stabsstelle bei der Geschäftsleitung oder einem Bereich mit Langzeitorientierung, wie zum Beispiel Marketing. «BD muss ausserhalb der Linie sein, damit neutrale Analysen möglich sind, losgelöst vom Tagesgeschäft» (Zitat Experte). Am besten koordiniert der BD Manager eine Matrixorganisation mit Kontaktpersonen in allen re­levanten Fachabteilungen. 

Denkanstösse

Inhalte und Ausgestaltung der Funktion Business Development hängen stark von der Unternehmensgrösse und der Komplexität der Branche ab. Aus diesem Grund sind verschiedene Modelle des Business Development möglich, jedoch lassen sich infolge der Studienergebnisse folgende Voraussetzungen ableiten: 

Erstens, es braucht im Unternehmen Klarheit, was unter Business Development verstanden wird und welche Erwartungen an die Funktion gestellt werden: Datensammlung, Stra­tegieentwicklung oder Innovationsmanagement. Angesichts der begrenzten Ressourcen sind die Aufgaben, wie sie in der Theorie definiert sind, kritisch zu hinterfragen und die zu erhebenden Informationen laufend zu diskutieren. 

Zweitens, ein objektives BD braucht eine 360-Grad-Perspektive, eine abteilungsübergreifende und langfristige Denkweise, die für eine Position ohne Linienverantwortung und mit klarem Auftrag seitens der Geschäftsleitung spricht. 

Drittens, der BD Manager übernimmt eine zentrale Koordinationsaufgabe, die durch die Fachabteilungen gesammelten Informationen betreffend Trends, Markt- und Vertriebschancen zu erfassen und zu bewerten sowie daraus Ideen und Sze­narien zu generieren. Ein faktenbasiertes BD kann durch den Einsatz der Infor­mationstechnologie unterstützt werden (Stichworte: Managementinformationssystem, Balanced Scorecard). 

Business Development wird für die KMU immer wichtiger, um sich dem stetig ver­änderlichen Umfeld zielgerichtet anzupassen. Die aktuelle Studie zeigt: Es gibt Unterschiede bei den Erwartungen und dem Verständnis für die Funktion sowie keinen eindeutigen Prozess, der für die verschiedenen Unternehmensstrukturen und -grössen einsetzbar ist. Diese Studie macht einen ersten Schritt in die genauere Definition und schlägt Anhaltspunkte für die Umsetzung in KMU vor.

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