Forschung & Entwicklung

Studie: Crowdfunding

Alternative Finanzierungsmethode mit hohem Aufwand

Als alternative Finanzierungsmethode hat Crowdfunding in den letzten Jahren an Bekanntheit gewonnen. Eine qualitative Studie der Berner Fachhochschule beleuchtet die Chancen und Grenzen dieser Finanzierungsmethode.
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Crowdfunding wird in den Medien seit einigen Jahren als neue Finanzierungsform mit Zukunftspotenzial gepriesen. Für Privatpersonen wie auch für Unternehmen eröffne sich eine kostengünstige Mö­glichkeit der Kapitalbeschaffung, die ohne klassische Kreditgeber oder staat­liche Förderstellen auskommt. Als Geldgeber stünden potenziell Millionen von In­ternetnutzern zur Verfügung. Zudem könnten weitere Ressourcen der Crowd genutzt werden, beispielsweise zur Kommunikation über persönliche Netzwerke oder in Form eines freiwilligen Arbeitseinsatzes. Die Interaktion ermögliche zudem eine Annäherung an die Bedürfnisse der Kunden, was die Produktentwicklung positiv beeinflusse.

Diese angepriesenen Vorteile bildeten die Ausgangslage für eine detaillierte Untersuchung von Crowdfunding-Projekten, wobei 18 Filmschaffende anhand eines strukturierten Interviewleitfadens befragt und ergänzende Dokumente ausgewertet wurden. Bei den Betroffenen handelte es sich um Akteure der Kreativszene sowie um Mitarbeitende von Filmproduktionsunternehmen. Erhoben wurden die Motive für den Entscheid, eine Crowdfunding-Kampagne durchzuführen sowie das Vorgehen bei deren Vorbereitung und Durchführung. Die systematisch ausgewerteten Antworten wurden in ein Kategoriensystem überführt, um die Faktoren zu eruieren, welche ein erfolgreiches Crowdfunding begünstigen.

Sammelbegriff: Crowdfunding

Crowdfunding steht als Sammelbegriff für eine Reihe von Finanzierungsmethoden, bei denen internetbasierte Plattformen als Intermediäre fungieren und bei denen die benötigten Mittel von einer grösseren Personengruppe, der Crowd, zur Verfügung gestellt werden. Unterschieden werden gemeinhin vier verschiedene Typen von Crowdfunding:

  • spendenbasiertes Crowdfunding,
  • Crowdfunding mit (nicht monetärer) Gegenleistung,
  • darlehensbasiertes Crowdfunding und
  • beteiligungsbasiertes Crowdfunding, bei dem die Gegenleistung in der Akquisition von Unternehmensanteilen besteht (siehe Tabelle).

Der Crowdfunding-Prozess kann in drei Phasen gegliedert werden: Vorbereitung, Kampagne und Projektdurchführung. In der Vorbereitungsphase werden Webseiten gestaltet, die das zu finanzierende Vorhaben vorstellen. Weiter müssen das Finanzierungsziel, die Crowdfunding-Form, allfällige Gegenleistungen sowie die Laufzeit der Kampagne definiert werden. Während der Kampagnenlaufzeit können die Geldgeber Zahlungszusagen machen und eine entsprechende Gegenleistung wählen. Die Geldsumme der gemachten Zahlungszusagen wird bei den meisten Crowdfunding-Plattformen nur bei Erreichung des Finanzierungsziels ausbezahlt. Kommt die Finanzierung zustande, kann das Projekt durchgeführt werden und die vereinbarte Gegenleistung wird erbracht.

Motive der Projektinitiatoren

Die durchgeführte Studie fokussierte auf Crowdfunding mit nicht monetärer Gegenleistung, da sich Projektinitiatoren aus dem Kreativbereich häufig für die­se Crowdfunding-Form entscheiden. Die Analyse der Beweggründe Crowdfunding einzusetzen, ergab ein durchmischtes Bild: Viele Projektinitiatoren entschieden sich aus Interesse und Neugierde dafür, obwohl andere Finanzierungsquellen zur Verfügung gestanden hätten. Sie beabsichtigten aufgrund dieser Erfahrung zu entscheiden, ob diese Finanzierungsmethode bei zukünftigen Projekten wie­derum angewandt werden soll. Andere Projektinitiatoren hatten ihr Projekt vorgängig erfolglos via Filmförderstellen, Sponsoren oder Banken zu finanzieren versucht. Da erwies sich Crowdfunding als letzter Ausweg, um doch noch an die benötigten Mittel zu gelangen. Nur ein kleiner Teil der Befragten hatte bereits eine klare Vorstellung von Crowdfunding und wollte gezielt von dessen Vorteilen profitieren, wie der Interaktion und der Zusammenarbeit mit der Crowd oder dem Werbeeffekt.

Vor der Kampagne

Es liessen sich grosse Unterschiede bei der Vorbereitung und der Durchführung der untersuchten Crowdfunding-Kampagnen feststellen: Bei einigen Befragten zog sich die Vorbereitungsphase über mehrere Monate hin, weil beispielsweise Beziehungen zu potenziellen Unterstützern geknüpft oder qualitativ hochstehende Videoclips für die Präsentation des Projektes erstellt wurden. Andere Crowdfunding-Projektverantwortliche betrieben hingegen nur einen minimalen Aufwand, was aber nicht zwangsläufig zu einem Misserfolg führte.

Nichtsdestotrotz empfiehlt sich der Aufbau oder die Erweiterung des Beziehungsnetzwerkes bereits vor der Durchführung der Crowdfunding-Kampagne. Insbesondere sollten Kontakte zu möglichen Interessengruppen, wie beispielsweise Vereinen oder Fanclubs, hergestellt werden. Während der Kampagnenlaufzeit fehlen dafür oft die zeitlichen und personellen Ressourcen.

Crowdfunding ist eine relativ neue Finanzierungsmethode, die vielen Personen noch kaum bekannt ist. Auch variiert die Akzeptanz je nach Zielgruppe. Die Ini­tiatoren sollten sich daher erst erkundigen, inwieweit ihre Zielgruppe bereits mit Crowdfunding vertraut ist. Gegebenenfalls muss die Funktionsweise erklärt und Vertrauen in die gewählte Crowd­funding-Plattform und die dort verwendete Zahlungsmethode aufgebaut werden. Wird diese Sensibilisierungsarbeit im Vorfeld vernachlässigt, besteht die Gefahr eines Misserfolgs, auch wenn die angesprochenen Personen grundsätzlich bereit wären, das Projekt finanziell zu unterstützen.

Des Weiteren ist in der Vorbereitungsphase die Festsetzung der Höhe des Finanzierungsziels von Bedeutung. Da das zugesicherte Geld bei der untersuchten Crowdfunding-Plattform nur bei Erreichen des Finanzierungsziels an das Projekt ausbezahlt wird, besteht bei einem zu hoch gesteckten Ziel das Risiko, dass trotz einiger Zusagen keine Mittel eingeworben werden können.

Es fällt auf, dass bei den untersuchten Projekten ausschliesslich die kleineren die effektiv zu deckenden Kosten als Finanzierungsziel wählten. Dabei handelte es sich vorwiegend um Filme, bei denen die Beteiligten ohne Entschädigung mitarbeiteten und daher nur Material- und Transportkosten gedeckt werden mussten. Bei grösseren Filmprojekten vermag der Crowdfunding-Beitrag in der Regel nur einen Teil der Gesamtkosten abzu­decken. Daher strebten die grösseren Projekte einen Finanzierungsmix aus verschiedenen Quellen an.

Grundsätzlich ist bei der Festlegung des Finanzierungsbetrages daher vor allem die Grösse des bereits bestehenden sozialen Netzwerks und dessen Zahlungsbereitschaft zu berücksichtigen. Eine Orientierung an den anfallenden Kosten scheint nicht zweckmässig.

Zusätzlich zum Finanzierungsziel müssen auch die Prämien für die Geldgeber festgelegt werden. Der Einfluss der Prämien auf die Geldzusagen wurde von den befragten Personen sehr unterschiedlich bewertet. Während die einen der gebotenen Gegenleistung kaum eine Bedeutung beimassen, gestalteten andere Befragte die Prämien sehr bewusst, um ein stimmiges Preis-Leistungsverhältnis zu erzielen und Anreize für höhere Geldzusagen zu setzen.

Und schliesslich kommt der Gestaltung des Webauftritts eine sehr wichtige Rolle zu. Dabei sind Text- und Bildelemente sowie ein kurzes Präsentationsvideo von Bedeutung. In diesem Kontext unterschieden sich die untersuchten Projekte hauptsächlich hinsichtlich der Art und der Qualität des Videos. Während manche Projekte einen hohen Aufwand für die Anfertigung des Präsentationsvideos betrieben, indem sie beispielsweise einen qualitativ hochstehenden Trailer drehten, um einen Vorgeschmack auf den zu finanzierenden Film zu geben, war die Konzeption anderer Videos eher einfach. Sie zeigten meist die Initiatoren, die für ihre Kampagne warben. Trotz der simplen Machart kann ein humoristisches oder emotionales Video zukünftige Unterstützer ansprechen und überzeugen. Der wichtigste Faktor bei der Präsentation ist die direkte Ansprache potenzieller Unterstützer, um Sympathien für das Projekt und dessen Initiatoren zu wecken. Da das Produkt noch nicht existiert, muss Vertrauen in das Team hinter dem Projekt hergestellt werden. Die Erstellung eines Trailers rückt demgegenüber etwas in den Hintergrund, auch wenn mit einem Trailer die Qualität des Filmprojekts demonstriert werden kann.

Während der Kampagne

Während die einen ihre Crowdfunding-Kampagne im Internet, an Veranstal­tungen oder auf Plakaten sehr intensiv be­war­ben, betrieben andere überhaupt keinen aktiven Werbeaufwand. Sie hofften lediglich, dass zufällige Besucher der Crowdfunding-Plattform ihr Projekt entdecken und mitmachen würden. Sie setzten auch auf die automatischen Verbreitungseffekte via Internet. Keines dieser Projekte konnte vollständig finanziert werden.

Die Mehrheit der erfolgreichen Projekte wurde während der Kampagne aktiv beworben. Entsprechende Botschaften wurden via E-Mail und Social-Media-Plattformen verbreitet. Dabei zeigte sich, dass eine einmalige Kommunikation nicht ausreichte, sondern regelmässige Postings nötig waren, um im Gespräch zu bleiben. Dabei war besonders die Grösse des sozialen Netzwerks der Initiatoren bedeutsam. Die Anzahl verwendbarer E-Mail-Adressen und Facebook-Freunde bestimmte die initiale Reichweite der Kommunikation. Die Befragten hofften aber, dass durch das Weiterleiten der E-Mails und der Facebook-Posts Unterstützer auch ausserhalb ihres persönlichen Netzwerks angesprochen werden, was in einigen Fällen gelungen ist, wie die folgende Ausführung belegt: «Meine Statusmeldung, die an mindestens 800 Leute ging, wurde dann so oft wieder geteilt, dass eine einzige Statusmeldung Tausende von Leuten erreicht hat. So bin ich in einen Multiplikationskreis gekommen, über mein eigenes Netzwerk hinaus.»

Über einige wenige Projekte berichteten auch die lokal verankerten Medien (Lokalradio- oder die regionale Zeitung), was ihnen zu grösserer Bekanntheit verhalf. Nichtsdestotrotz stammte die Mehrheit der Geldgeber aus dem persönlichen Netzwerk der befragten Initiatoren. Die Hälfte aller Befragten verfügte gar ausschliesslich über Unterstützer aus dem Bekanntenkreis. Eine anonyme Menge von Menschen spielt in der vorliegenden Studie (der Kreativwirtschaft) demnach eine weit geringere Rolle, als es der Begriff des Crowdfundings suggerieren würde. Folglich ist für ein erfolgreiches Crowdfunding die Grösse und Mobilisierung des persönlichen Netzwerks, zumindest zum Anschub und als Multiplikatoreffekt im Netzwerk, ausschlaggebend. Berücksichtigen Projektinitiatoren dieses Netzwerk nicht, sind die Erfolgschancen eher klein.

Zukünftigen Projektinitiatoren wird empfohlen, während der kurzen Kampagnenlaufzeit intensiv via Internetkanäle und wenn möglich auch über traditionelle Kanäle zu werben. Die Kommunikationsmassnahmen und die dafür notwendigen Ressourcen sollten bereits im Vorfeld geplant werden.

Lohnt sich Crowdfunding?

Die Vorbereitung und Durchführung einer Crowdfunding-Kampagne ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Erwartungsgemäss gaben alle Projektinitiatoren, die leer ausgegangen waren, an, dass sich der Aufwand für das Crowdfunding für sie nicht gelohnt habe. Manche der befragten Personen wiesen allerdings darauf hin, dass sie von anderen Nutzenaspekten, wie zum Beispiel der Werbung für ihren Film, einer Marktstudie oder der Erweiterung ihres sozialen Netzwerks, profitiert hätten. Auch die erfolgreichen Projektinitiatoren beurteilten die Effizienz dieser Finanzierungsmethode eher kritisch. Und einige schätzten die Methode des Crowdfunding eindeutig als ineffizient ein: Um einen verhältnismäs­sig kleinen Anteil an den Gesamtkosten des Projektes zu decken, müsse zu viel Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung der Crowdfunding-Kampagne betrieben werden. In den meisten Fällen sei eine Finanzierung über traditionelle Quellen wie Filmfördermittel oder Sponsoren mit gleichem oder weniger Aufwand möglich.

Die Finanzierung über traditionelle Fördermittel beansprucht aber in der Regel eine längere Zeitdauer. Einige befragte Personen wollten ihr Filmprojekt möglichst schnell umsetzen, da beispielsweise Anmeldefristen bei den Filmfestivals nahten: «Ich brauchte innert 30 Tagen rund 25 000 Franken. Crowdfunding schien mir die letzte Möglichkeit zu sein, mein Ziel termingerecht zu erreichen.» Zwar betrieben diese Projektverantwortlichen für die Durchführung des Crowdfundings einen höheren Aufwand, die Beschaffung der finanziellen Mittel gelang ihnen hingegen in kürzerer Zeit.

Wenn aber Filmemacher Crowdfunding als mögliche Finanzierungsmethode in Betracht ziehen, sollten sie sich des notwendigen Aufwands bewusst sein. Dies ist vor allem dann zu berücksichtigen, wenn mit dieser Methode nur ein Teil des Zielbetrags finanziert werden kann. Gegebenenfalls bietet sich hierfür eine Finanzierung über andere, altbewährte Kanäle an. Bei Projekten mit zeitlich engen Rahmenbedingungen hingegen kann Crowdfunding eine zeitnahe Finanzierung ermöglichen.

Fazit

Die in der Studie untersuchten Crowdfunding-Projekte weisen eine grosse Bandbreite von Beweggründen und Vorgehensweisen auf. Es hat sich gezeigt, dass die Grösse des persönlichen Netzwerks einen wichtigen Erfolgsfaktor darstellt. Das Netzwerk sollte daher im Vorfeld erweitert und gepflegt werden, damit während der Kampagne effizient darauf zurückgegriffen werden kann. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Kapitalbeschaffung mittels Crowdfunding mit erheblichem Aufwand verbunden ist, der von Projektinitiatoren oftmals unterschätzt wird. Crowdfunding erscheint vor allem dann sinnvoll, wenn die Kapitalbeschaffung kurzfristig erfolgen soll.

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