Finanzen & Vorsorge

Krankenversicherungen: Anspruch und Leistung (Teil 5 von 5)

Wie Gesundheitsmanagement Kosten spart

Der Wirtschaft entstehen durch erkrankte Arbeitnehmer jährlich Kosten in Milliardenhöhe. Mit einer strukturierten Präventionsarbeit seitens der Arbeitgeber können diese Abflüsse deutlich gesenkt werden.
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Einer kürzlich erschienenen Studie von Booz & Company im Auftrag der Felix Burda Stiftung zur Folge verliert die deutsche Volkswirtschaft jährlich rund 225 Milliarden Euro durch kranke Arbeitnehmer. In der Schweiz ermittelt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle durch Arbeitsunfähigkeit. Bei einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 15,2 Tagen pro Arbeitnehmenden ergaben sich 2015 insgesamt 587,4 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage. Davon ausgehend, schätzt das Baua die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle für das Jahr 2015 auf insgesamt 64 Milliarden Euro beziehungsweise den Ausfall der Bruttowertschöpfung auf 113 Milliarden Euro.

Steigende Gesundheitskosten

Diese Zahlen dürften künftig weiter steigen, denn vor allem im Bereich der psychischen Erkrankung verzeichnet die Statistik steigende Ausfallzahlen von erkrankten Arbeitnehmenden. Diese spiegeln sich auch in den anhaltend steigenden Gesundheitskosten: Gemäss einer aktuel­len Erhebung von Willis Towers Watson steigen die Gesundheitskosten im internationalen Durchschnitt um 7,3 Prozent. Für die Schweiz geht die Studie von einem Kostenschub von 5,4 Prozent respektive 5,0 Prozent für die kommenden zwei Jahre aus. Als Grund für die anhaltende Kostensteigerung gaben die 231 befragten Krankenkassen aus 79 Ländern vor allem die übermässige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen an. Einen Weg zur spürbaren Entlastung sehen die Versicherer vor allem darin, der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) einen höheren Stellenwert beizumessen.

Nun könnte man das aus Sicht der Unternehmen durchaus als eine Überwälzung der Verantwortung für die Volksgesundheit auf die Arbeitgeberseite abtun. So ist es aber nicht gemeint, im Gegenteil: Der Arbeitsplatz ist eine gute Umgebung, um Menschen dazu zu bewegen, sich mit dem Thema der eigenen Gesundheit ausei­nanderzusetzen. Denn grundsätzlich ist es schwierig, breite Bevölkerungsschichten für das Thema Gesundheitsvorsorge zu sensibilisieren. Viele, noch gesunde Menschen wollen häufig von Krankheiten nichts hören – bis es vielleicht eines Tages zu spät ist und sie an Krebs, Diabetes oder einer Störung des Herz-Kreislauf-Systems erkranken.

Diese sogenannten nicht übertragbaren Krankheiten (NCD) verursachen bereits heute rund 80 Prozent der direkten nationalen Gesundheitskosten. Mehr als zwei Millionen Menschen in der Schweiz sind von mindestens einem andauernden körperlichen oder psychischen Leiden betroffen. Diese Zahl wird aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Laut Einschätzung der Schweizerischen Konferenz der Gesundheitsdirektoren liesse sich jedoch rund die Hälfte dieser Erkrankungen mit präventiven Massnahmen vermeiden. Da sie helfen, Krankheiten vorzubeugen oder bei bestehenden Krankheiten in einem frühen Stadium zu intervenieren und Verschlimmerungen und Folgeerkrankungen vorzubeugen.

Vorsorge zahlt sich aus

Der Arbeitsplatz ist ein geeigneter Ort, um Menschen innerhalb des dortigen sozialen Gefüges für das Thema Gesundheitsvorsorge zu sensibilisieren – vor allem wenn der Arbeitgeber das Thema puscht und gesamthaft als Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in der Strategie des Unternehmens verankert. Es soll nicht zum Schaden des Betriebs sein, denn gemäss der eingangs erwähnten Studie von Booz & Company zahlt sich jeder in die betriebliche Gesundheitsvorsorge investierte Euro mit fünf bis 16 Euro wieder aus.

Denn eine aktiv forcierte Präventions­arbeit hilft dem Unternehmen langfristig gesehen dabei, den Krankenstand – und damit die Kosten – zu senken und zudem begehrte Mitarbeitende länger zufrieden und arbeitsfähig an das Unternehmen zu binden. Gerade in Zeiten des immer deutlicher spürbaren Fachkräftemangels sollte ein gutes BGM daher als valabler Erfolgsfaktor für das Unternehmen im Kampf um Talente keinesfalls unterschätzt werden.

Dabei reicht es aber nicht, zu sagen, man betreibe ein BGM, indem man die Mitarbeitenden gratis mit Obst versorgt oder deren Besuche im Fitnesscenter subventioniert. Es geht vielmehr darum, einerseits das Verhalten aller Mitarbeitenden auf allen Hierarchieebenen und andererseits die Arbeitsbedingungen bewusst so zu gestalten, dass insgesamt eine höhere physische und psychische Zufriedenheit aller Mitarbeitenden resultiert.

BGM in vier Schritten

Der erste Schritt ist es daher, das BGM in der Strategie des Unternehmens zu verankern und die Förderung der Gesundheit aller Mitarbeitenden als eigenständiges, gleichwertiges Unternehmensziel bei allen strategischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Ist dieser Schritt vollzogen, können konkrete betriebliche Ziele und Massnahmen zu deren Erreichung festgelegt werden. Darüber hinaus sollte jeder Betrieb evaluieren, in welchen Bereichen das grösste Verbesserungspotenzial vorhanden ist. Das kann die Führungskultur eines Unternehmens ebenso betreffen wie die Gestaltung der Arbeitsplätze und der konkreten Arbeitsbedingungen.

Dabei gilt der Grundsatz, dass die Unternehmenskultur bei der Führung ansetzt: Vorgesetzte sollten bereit sein, sich und ihren Führungsstil konstruktiv dahingehend zu hinterfragen, wie sie einerseits als Vorbild mit der eigenen Gesundheit umgehen und andererseits, ob die Art und Weise wie sie ihre Mitarbeitenden behandeln, deren körperliches und physisches Wohlbefinden ermöglichen – und wenn nicht, entsprechende Veränderungen einleiten.

In einem dritten Schritt sollten dann konkrete, auf die jeweiligen Bedürfnisse und Arbeitsbedingungen innerhalb des Unternehmens zugeschnittene Massnahmen im Sinne einer Betrieblichen Gesundheitsfürsorge (BGF) lanciert werden. Je nach Branche und Betrieb kann das Angebot beispielsweise Führungstrainings, Ernährungskurse, Bewegungs- und Haltungstrainings, Entspannungskurse, Gesundheitschecks, Impfungen oder spezielle Sportangebote umfassen.

Das eindeutig erklärte Ziel aller dieser Massnahmen ist es, die Mitarbeitenden für die Erhaltung ihrer eigenen Gesundheit zu sensibilisieren und auf diesem Wege häufige auftretende Krankheiten wie Burn-out, Herz-Kreislauf-Probleme oder Bandscheibenleiden zu vermeiden. Da vor allem die psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben, gilt es im Rahmen der BGF auch, für ein offenes und soziales Betriebsklima zu sorgen.

Der letzte Schritt eines erfolgreichen BGM ist die regelmässige Überprüfung der Zielerreichung und gegebenenfalls eine Anpassung oder Erweiterung der bisher durchgeführten Massnahmen. Dazu dienen konkrete Zahlen wie die Entwicklung des Krankenstandes ebenso wie in regelmässigen Zeitabschnitten durchgeführte schriftliche und anonymisierte Mitarbeiterbefragungen, die unter anderem einen Aufschluss über die Entwicklung der Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz geben. Die Unternehmensleitung hat und kann mit einem betrieblichen Gesundheitsmanagement einen Einfluss auf das Verhalten seiner Mitarbeitenden nehmen – aber letztlich ist die bewusste Präventionsarbeit keine einseitige Aufgabe. Der Arbeitgeber kann sich zwar um eine gesunde Lebensweise seiner Arbeitnehmenden bemühen und sie dazu motivieren, aber entsprechend handeln müssen die Mitarbeitenden letztlich selbst.

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