Finanzen & Vorsorge

Finanzierungsinstrumente

Welche Mehrwerte Crowdfunding für KMU hat

Auf den ersten Blick scheint Crowdfunding vor allem ein Finanzierungsinstrument für soziale und kreative Projekte. Bei genauerer Betrachtung ist Crowdfunding jedoch eine neue Möglichkeit, die sich sehr gut zur Finanzierung für innovative Projektvorhaben von KMU eignet. Es ist risikoarm und die Mehrwerte sind vielfältig.
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Eine grosse Hürde zur Innovationsfähigkeit von Unternehmen – und insbesondere von KMU – ist die Verfügbarkeit von Kapital, um innovative Ideen und Projekte zur Marktreife voranzutreiben und diese dann zu kommerzialisieren. In jüngster Zeit nutzen KMU und Start-ups neben den herkömmlichen Finanzierungsmöglichkeiten wie Banken, privaten Investoren oder Venture-Capital-Firmen vermehrt auch die Möglichkeit, über Online-Communities Geld zu akquirieren. Diese neue Form der Kapitalbeschaffung nennt sich «Crowdfunding» und erlaubt es Unternehmen, einen direkten Aufruf über das Internet an die Öffentlichkeit, die «Crowd», zu starten, um so genügend Geld für ihre innovativen Vorhaben zu beschaffen (Schwienbacher / Larralde 2012).

Der Crowdfunding-Markt

Weltweit existieren derzeit zirka 500 Crowdfunding-Plattformen, davon etwa 300 in Europa. Die Plattformen stellen einen standardisierten Ablauf für die Projektinitiatoren sicher und sind ein Informations-, Kommunikations- und Abwick­lungsportal für interessierte Geldgeber. International bekannte Beispiele von derartigen Plattformen sind «kickstarter.com» (USA) und «startnext.de» (D). In der Schweiz gehören «100days.net», «wemakeit.ch» («we make it») und «c-crowd.com» zu den bedeutendsten Plattformen. Die Form der Belohnung bzw. Gegenleistung der Geldgeber hängt von der Ausgestaltung der Plattform ab. So kann diese zum Beispiel ohne Gegenleistung (reine Spenden), nichtmonetäre Belohnungen wie kleinere Geschenke oder das Produkt selbst, bis hin zu Zinszahlungen (Darlehen) oder der Überschreibung von Anteilen am Projekt oder gar am Unternehmen (Eigenkapital) erfolgen. So basiert der Austausch bei «100days.net», «wemakeit.ch» und «startnext.de» beispielsweise auf nichtmonetären Gegenleistungen an die Geldgeber, wohinge­-gen die Plattformen «c-crowd.com» und «companisto.de» explizit Finanzierungen durch den Verkauf von Anteilen realisieren (Crowdinvesting).

Das Vorgehen und Konzept ist bei den meisten Crowdfunding-Plattformen sehr ähnlich. Die Unternehmen beschreiben ihr Vorhaben mit Texten, Bildern und einem Video, legen die benötigte Finanzierungssumme fest und überlegen sich mögliche Gegenleistungen, die Geldgeber ab einer jeweils definierten Höhe an Projektbeitrag erhalten. All dies veröffentlichen sie auf einer eigenen Projektseite in einer Crowdfunding-Plattform, in der sie sich zu diesem Zweck registriert haben. Im Anschluss daran nutzen sie aktiv Instrumente zur Onlinekommunikation und versuchen, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit auf ihr Projekt zu lenken und Interessenten als Geldgeber zu gewinnen.

Wenn das Projekt die Finanzierungssumme erreicht, bekommen die Unternehmen das Geld ausgezahlt und können ihr Projekt realisieren. Wird die Finanzierungssumme überschritten, bekommen sie entsprechend mehr ausgezahlt. Sollte die vorab definierte Summe allerdings nicht erreicht werden, bekommen die Unternehmen nichts ausgezahlt und die Geldgeber, die bereits gezahlt haben, erhalten ihr Geld wieder zurück (Alles-oder-Nichts-Prinzip).

Die Chancen

Eine Crowdfunding-Erfolgsgeschichte ist beispielsweise die E-Paper-Uhr Pebble, die eingehende Anrufe, Termine, E-Mails und andere Neuigkeiten aus Apps direkt auf dem Display anzeigt. Auf der Plattform Kickstarter ist es dem Projektinitiator gelungen, für das (noch zu entwickelnde) Produkt innerhalb von sechs Wochen 10,2 Mio. US-Dollar von 68 900 Geldgebern einzusammeln (www.kickstarter.com). Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, dass sich durch Crowdfunding-Aktivitäten für Unternehmen über die reine Kapitalbeschaffung hinaus auch Mehrwerte in den Bereichen Marketing und Werbung, Onlinekommunikation und Innovationsmanagement (Pre-Market-Checks) realisieren lassen. Unternehmen erhalten Informationen über ihr Produkt und die Bedürfnisse potenzieller Kunden, die bereits das Produkt vorbestellen können. Gleichzeitig gehen Unternehmen kaum Risiken ein, da sie noch nicht mit der Herstellung in Vorleistung gehen. Gelingt es den Unternehmen, andere Onlinekanäle wie Facebook, Twitter oder die eigene Homepage in die Finanzierungskampagne einzubinden, ist Crowdfunding ein effektives und kostengünstiges Onlinemarketing-Instrument für KMU.

Werbung und Kundenfeedback

Gerade KMU können dieses Instrument nutzen, um ein neues, innovatives Projektvorhaben in Form eines Produkts oder einer Dienstleistung, für die es auf den klassischen Kapitalmärkten kein Geld akquirieren konnte (oder wollte), erfolgreich auf einer Crowdfunding-Plattform zu platzieren. Zu einer erfolgreichen Crowd­funding-Kampagne sind neben der Prä­sentation des Projektes in einer Crowd­funding-Plattform weitere Aktivitäten von zentraler Bedeutung. So ist es auch wichtig mit den Instrumenten zur Onlinekommunikation eine hohe Reichweite zu erzeugen, Informationen über das neue Produkt oder die Dienstleistung von potenziellen Kunden einzuholen und Werbung zu betreiben, um die Chancen auf eine erfolgreiche Finanzierung zu erhöhen.

KMU haben generell zu wenige Informationen darüber, dass Crowdfunding eine echte Finanzierungsalternative für neue Geschäftsfelder und innovative Projektvorhaben darstellt und dass sich weitere Mehrwerte durch diese Aktivitäten ergeben. Letztendlich besteht auch zu wenig Wissen darüber, wie Unternehmen auf diese Weise im Bereich der Onlinekommunikation geschickt ihre Potenziale in Wert setzen und zur Kundengewinnung, -bindung und zum Markenaufbau nutzen können. Dabei zeigen erste Erkenntnisse, dass KMU insbesondere bei folgenden Aspekten bedeutend von Crowdfunding profitieren können:

  • Aufbau einer Online-Community: Fans und Folger interessieren sich für das zu entwickelnde Produkt beziehungsweise die Dienstleistung und sind als potenzielle Kunden bereits gebunden.
  • Markenaufbau: Mit dem «Aufhänger», Kapital für das Projekt zu beschaffen, kann gleichzeitig eine Marke aufgebaut bzw. weiter entwickelt werden.
  • Vorverkauf von Produkten und Dienstleistungen: Die Geldgeber können bereits mit der Überweisung ein Produkt vorbestellen und kommen so in den Genuss, als einer der Ersten davon zu profitieren.
  • Kundenbindung und -support: Es ist anzunehmen, dass die Geldgeber auch später treue Kunden des Produkts beziehungsweise der Dienstleistung sein werden.
  • Innovationsmanagement: Neue Ideen, die ein Produkt oder eine Dienstleistung im Kern verbessern, können von aussen generiert werden. Eigene Ideen können vorab auf Marktpotenzial getestet werden (Pre-Market-Checks).

Die Erfolgsfaktoren

Gut aufgesetzte Projekte, die im Rahmen einer ganzheitlichen Onlinekommunikation eingebunden sind, haben gute Chancen, ihr innovatives Projektvorhaben erfolgreich zu finanzieren. Folgende Aspekte erhöhen dabei die Chancen (Mollick 2014; Kuppuswamy / Bayus 2014; Beier / Wagner 2014):

  • Die geeignete Finanzierungssumme zu wählen, die auf der einen Seite signalisiert, dass das Geld ausreicht, um ein Projekt zu realisieren und gleichermas­sen nicht zu hoch ist, um unrealistisch oder unfair zu erscheinen.
  • Vertrauen zu Investoren beziehungsweise Geldgebern aufzubauen, so dass diese das Projekt unterstützen.
  • Anreize beziehungsweise Gegenleistungen anzubieten, die das Projekt für die Geldgeber noch attraktiver machen, aber auch nicht vom Wesentlichen ablenken.
  • Direkt in den ersten Tagen der Crowdfunding-Kampagne möglichst viele Geldgeber für das Projekt aus dem Freundes- und Familienkreis zu gewinnen, um positive Signale an weitere Geldgeber zu senden.
  • Regelmässig Neuigkeiten über den aktuellen Stand des Projektes auf der Crowdfunding-Plattform zu publizieren, die weitere Informationen bereitstellen und Fortschritte aufzeigen.
  • Diese Neuigkeiten über ausgewählte Onlinekanäle zu verbreiten und auch weiter verbreiten zu lassen («word of mouth»).
  • Ein ansprechendes Video zu erstellen, das die ganz persönlichen Motivationsgründe des Projektinitiators erläutert und das Produkt erklärt.

Auf den ersten Blick scheint Crowdfunding mit seiner Positionierung in der Öffentlichkeit nur wenig attraktiv für KMU. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch, dass sich gerade für dieses Unternehmenssegment neue Chancen bieten, um neue innovative Projektvorhaben erfolgreich am Markt zu platzieren.

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