Der jeweils gewählte Rechnungslegungsstandard soll die Unternehmensleitung in der Führung unterstützen und den Erfolg des Unternehmens messen. So haben die verschiedenen Anspruchsgruppen eine objektiv vergleichbare Grundlage, um ihre Entscheidungen treffen zu können. Die Anspruchsgruppen bilden die Aktionäre, die Gläubiger, die Mitarbeitenden, die Analysten, die Börsenaufsicht sowie die Regierungsbehörden.
Swiss GAAP kompakter
In der Schweiz sind börsenkotierte Unternehmen grundsätzlich verpflichtet, die IFRS anzuwenden. In einzelnen Segmenten der SIX Swiss Exchange können die Unternehmen alternativ nach den amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätzen US GAAP sowie Swiss GAAP FER offenlegen. Der Begriff «GAAP» steht für allgemein anerkannte Grundsätze der Rechnungslegung (generally accepted accounting principles). IFRS und US GAAP stellen umfassende Standards dar, die auf Prinzipen basieren, aber zudem etliche Detailregeln enthalten. Dies ist auch am Umfang der Standards ersichtlich, der für die IFRS mehr als 3600 Seiten und für die US GAAP ein Mehrfaches davon umfasst. Demgegenüber sind die rein auf Prinzipien beruhenden Swiss GAAP FER mit etwas über 200 Seiten viel kompakter. Die Unternehmen müssen daher Anwendungsfragen innerhalb des vorgegebenen Rahmens selber beantworten. Als Grundlage dafür sollten unter anderem folgende Themen berücksichtigt werden: Der Informationsbedarf der verschiedenen Anspruchsgruppen, die festgelegte Strategie, das organische beziehungsweise aquisitionsbedingte Wachstum, der zukünftige Kapitalbedarf und die jeweilige Form der Finanzierung sowie die Branchenvergleichbarkeit.
Die Unterschiede
Einer der Gründe für einen Wechsel zu Swiss GAAP FER ist die höhere Komplexität der IFRS. Aufgrund der vielen Detailregeln ist der Änderungsbedarf hoch. Verschärft wird die Situation zudem, weil die Anforderungen durch regelmässig neu erscheinende Standards zunehmen. Swiss GAAP FER fokussiert sich dagegen auf kleine und mittelgrosse Unternehmen, deren Rechnungslegung weniger Themenbereiche umfasst als jene grosser Unternehmen.
Unterschiedlich regeln die IFRS und die Swiss GAAP FER vor allem folgende Fragestellungen: die Behandlung des Goodwills, der Vorsorgeverpflichtungen, der Gemeinschaftsunternehmen und die Segmentberichterstattung.
Goodwill
Nach den IFRS wird angestrebt, möglichst wenig Goodwill auszuweisen. Der Goodwill wird nicht abgeschrieben, sondern ist bei Vorliegen von Anzeichen sowie jährlich zum selben Zeitpunkt auf Werthaltigkeit zu testen. Nach den Swiss GAAP FER weisen die Unternehmen Goodwill entweder als Vermögenswert aus und schreiben ihn erfolgswirksam ab oder verrechnen ihn zum Erwerbszeitpunkt erfolgsneutral mit dem Eigenkapital. Zudem müssen Unternehmen bei beiden Methoden den Goodwill auf Werthaltigkeit testen, wenn Anzeichen vorliegen. In der Regel wählen Unternehmen, die den Standard wechseln, die zweite Methode.
Mit der Verrechnung des Goodwills im Eigenkapital wird die nach Swiss GAAP FER erzielbare Eigenkapitalrendite (Jahresergebnis dividiert durch das Eigenkapital) im Vergleich zum Ausweis nach den IFRS höher ausfallen. Bei einer Veräusserung eines zu einem früheren Zeitpunkt erworbenen Unternehmens wird der mit dem Eigenkapital verrechnete Goodwill im Ergebnis aus der Veräusserung berücksichtigt und erst dann über die Erfolgsrechnung abgeschrieben.
Vorsorgeverpflichtungen
Nach den IFRS müssen die Unternehmen bei Vorsorgeverpflichtungen, bei denen ein Teil des Risikos beim Arbeitgeberunternehmen verbleibt, eine spezielle Berechnung der Verpflichtung, der Aufwendungen, der ausgesonderten Vermögenswerte und der Bilanzposten vornehmen. Falls die zugrunde liegenden Annahmen ändern sollten, entstehen im «sonstigen Ergebnis» Schätzdifferenzen, die zu erfassen sind.