Finanzen & Vorsorge

Rechnungslegung

Was bringt der Wechsel von IFRS zu Swiss GAAP?

In den letzten sechs Jahren haben fast 40 börsenkotierte Schweizer Unternehmen ihre Rechnungslegung umgestellt: Sie wechselten von den International Financial Reporting Standards (IFRS) des International Accounting Standards Boards (IASB) zu den Swiss GAAP FER der Schweizer Kommission für Fachempfehlungen zur Rechnungslegung.
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Der jeweils gewählte Rechnungslegungsstandard soll die Unternehmensleitung in der Führung unterstützen und den Erfolg des Unternehmens messen. So haben die verschiedenen Anspruchsgruppen eine objektiv vergleichbare Grundlage, um ihre Entscheidungen treffen zu können. Die Anspruchsgruppen bilden die Aktionäre, die Gläubiger, die Mitarbeitenden, die Analysten, die Börsenaufsicht sowie die Regierungsbehörden.

Swiss GAAP kompakter

In der Schweiz sind börsenkotierte Unternehmen grundsätzlich verpflichtet, die IFRS anzuwenden. In einzelnen Segmenten der SIX Swiss Exchange können die Unternehmen alternativ nach den amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätzen US GAAP sowie Swiss GAAP FER offenlegen. Der Begriff «GAAP» steht für allgemein anerkannte Grundsätze der Rechnungslegung (generally accepted accounting principles). IFRS und US GAAP stellen umfassende Standards dar, die auf Prinzipen basieren, aber zudem etliche Detailregeln enthalten. Dies ist auch am Umfang der Standards ersichtlich, der für die IFRS mehr als 3600 Seiten und für die US GAAP ein Mehrfaches davon umfasst. Demgegenüber sind die rein auf Prinzipien beruhenden Swiss GAAP FER mit etwas über 200 Seiten viel kompakter. Die Unternehmen müssen daher Anwendungsfragen innerhalb des vorgegebenen Rahmens selber beantworten. Als Grundlage dafür sollten unter anderem folgende Themen berücksichtigt werden: Der Informationsbedarf der verschiedenen Anspruchsgruppen, die festgelegte Strategie, das organische beziehungsweise aquisitionsbedingte Wachstum, der zukünftige Kapitalbedarf und die jeweilige Form der Finanzierung sowie die Branchenvergleichbarkeit.

Die Unterschiede

Einer der Gründe für einen Wechsel zu Swiss GAAP FER ist die höhere Komplexität der IFRS. Aufgrund der vielen Detailregeln ist der Änderungsbedarf hoch. Verschärft wird die Situation zudem, weil die Anforderungen durch regelmässig neu erscheinende Standards zunehmen. Swiss GAAP FER fokussiert sich dagegen auf kleine und mittelgrosse Unternehmen, deren Rechnungslegung weniger Themenbereiche umfasst als jene gros­ser Unternehmen.

Unterschiedlich regeln die IFRS und die Swiss GAAP FER vor allem folgende Fragestellungen: die Behandlung des Goodwills, der Vorsorgeverpflichtungen, der Gemeinschaftsunternehmen und die Segmentberichterstattung.

Goodwill

Nach den IFRS wird angestrebt, möglichst wenig Goodwill auszuweisen. Der Goodwill wird nicht abgeschrieben, sondern ist bei Vorliegen von Anzeichen sowie jährlich zum selben Zeitpunkt auf Werthaltigkeit zu testen. Nach den Swiss GAAP FER weisen die Unternehmen Goodwill entweder als Vermögenswert aus und schreiben ihn erfolgswirksam ab oder verrechnen ihn zum Erwerbszeitpunkt erfolgsneutral mit dem Eigenka­pital. Zudem müssen Unternehmen bei beiden Methoden den Goodwill auf Werthaltigkeit testen, wenn Anzeichen vorliegen. In der Regel wählen Unternehmen, die den Standard wechseln, die zweite Methode.

Mit der Verrechnung des Goodwills im Eigenkapital wird die nach Swiss GAAP FER erzielbare Eigenkapitalrendite (Jahresergebnis dividiert durch das Eigenkapital) im Vergleich zum Ausweis nach den IFRS höher ausfallen. Bei einer Veräusserung eines zu einem früheren Zeitpunkt erworbenen Unternehmens wird der mit dem Eigenkapital verrechnete Goodwill im Ergebnis aus der Veräusserung berücksichtigt und erst dann über die Erfolgsrechnung abgeschrieben.

Vorsorgeverpflichtungen

Nach den IFRS müssen die Unternehmen bei Vorsorgeverpflichtungen, bei denen ein Teil des Risikos beim Arbeitgeber­unternehmen verbleibt, eine spezielle Berechnung der Verpflichtung, der Aufwendungen, der ausgesonderten Vermögenswerte und der Bilanzposten vornehmen. Falls die zugrunde liegenden Annahmen ändern sollten, entstehen im «sonstigen Ergebnis» Schätzdifferenzen, die zu erfassen sind.

Dagegen wird nach den Swiss GAAP FER auf die Jahresrechnung der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung abgestellt. Das Unternehmen muss beurteilen, ob eine Unterdeckung (Vermögenswerte der Vor­sorgeeinrichtung sind tiefer als deren Verpflichtungen) zu einer wirtschaftlichen Verpflichtung oder ob eine Überdeckung zu einer späteren Nutzung durch Reduktion von Beiträgen führt. Weil die Unternehmen in den meisten Fällen nach IFRS negative Schätzunterschiede auswiesen, wird das Eigenkapital durch die Umstellung auf die Swiss GAAP FER in der Regel erhöht. Die Kosten für die zusätzlich notwendigen versicherungsmathematischen Gutachten unter IFRS entfallen. Falls unter Swiss GAAP FER aufgrund einer ausgewiesenen Unterdeckung eine Rückstellung notwendig wird, ist diese sofort vollständig über die Erfolgsrechnung zu erfassen.

Gemeinschaftsunternehmen

Bei Gemeinschaftsunternehmen ist es nach den IFRS seit dem Jahr 2013 ver­boten, die Quotenkonsolidierung anzuwenden. Dabei wird vom betroffenen Gemeinschaftsunternehmen der Teil in die eigene Konzernrechnung übernommen, der dem Unternehmen gehört.

Konkret darf bei der Quotenkonsolidierung das Unternehmen bei einer 50-Prozent-Beteiligung die Hälfte des Umsatzes, des Warenaufwands, etc. in der Konzernrechnung abbilden. Nach den IFRS ist seit 2013 nur noch die Equity-Methode erlaubt. Demnach wird der Wert einer Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen zum anteiligen Eigenkapital bewertet. Somit wird eine Beteiligung mit 50 Prozent des vom Gemeinschaftsunternehmen ausgewiesenen Eigenkapitals bewertet. In der Erfolgsrechnung wird nur das anteilige Ergebnis dargestellt.

Nach den Swiss GAAP FER besteht eine Wahlfreiheit, ob bei Gemeinschaftsunternehmen die Quotenkonsolidierung oder die Bewertung zu anteiligem Eigenkapital angewendet wird.

Segmentberichterstattung

Die Berichterstattung der Segmente unterscheidet sich für börsenkotierte Un­ternehmen in zwei Bereichen: Einerseits umfasst eine Offenlegung nach Swiss GAAP FER weit weniger Angaben, nämlich lediglich den Umsatz und das Er­gebnis. Andererseits darf ein Unternehmen unter Swiss GAAP FER unter gewissen, offengelegten Umständen auch darauf verzichten, die Segmentergebnisse auszuweisen. Das heisst, das Unternehmen muss nicht zwingend offenlegen, welche Segmente Verluste ausweisen.

Kapitalbedarf und Finanzierung

Der Kapitalbedarf und die Form der Finanzierung sind abhängig von der gewählten Strategie. Bei Unternehmen mit einem mehrheitlich schweizerischen Aktionariat kann Swiss GAAP FER ausreichend sein und aufgrund der oben gemachten Ausführungen sogar Vorteile gegenüber IFRS aufweisen. Bankfinanzierungen mit Swiss GAAP FER sind auch im Ausland möglich. Es zeigt sich bei Finanzanalysten, dass Swiss GAAP FER gegenüber IFRS kein Nachteil ist. Allerdings dürfte die Vergleichbarkeit gegenüber Unternehmen, die IFRS oder US GAAP anwenden, durch die Anwendung von Swiss GAAP FER erschwert sein. Es ist zentral, dass die Unternehmen die notwendigen Angaben in der Jahresrechnung offenlegen, so dass eine Vergleichbarkeit möglich wird. Unternehmen, die von IFRS auf Swiss GAAP FER gewechselt haben, legen häufig zusätzliche Infor­mationen offen, insbesondere im Segmentbereich. Damit stellen die Unter­nehmen sowohl die Transparenz wie auch die Vergleichbarkeit sicher.

Darstellung der Rechnung

Infolge der Regelung mit Prinzipien weist die Swiss GAAP FER – bewusst – Lücken auf. Damit stellt sich sofort die Frage nach der Interpretation: Eine Möglichkeit besteht darin, die Lösung bei den IFRS zu suchen. Dabei würde aber missachtet, dass die Swiss GAAP FER im Rahmenkonzept viele Lösungsansätze aufzeigen. Die Schwierigkeit besteht nun für den Anwender darin, die Regelungen im Sinn und Geist der «True and Fair View» zu interpretieren, der die Swiss GAAP FER wie auch die IFRS verpflichtet sind. Damit bestehen hohe Anforderungen, weil gewisse Fragen nicht schwarz auf weiss, sondern eben im Zusammenhang mit dem Rahmenkonzept zu beantworten sind. Allerdings könnte die unterschiedliche Festlegung der Rechnungslegungsprinzipien gegenüber IFRS die Branchenvergleichbarkeit erschweren. Um dieses Risiko zu reduzieren, ist es empfehlenswert, die gewählten Rechnungslegungsregeln im Anhang der Konzernrechnung klar zu beschreiben, so dass Dritte mögliche Abweichungen gegenüber IFRS erkennen können.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend sollte ein Unternehmen seinen Rechnungslegungsstandard aufgrund seiner Strategie und sich daraus ergebender operativer Zielsetzungen auswählen. Massgebend sollten dabei die Anforderungen der Anspruchsgruppen, die Vergleichbarkeit und schliesslich auch Überlegungen betreffend der Kosten und des Nutzens sein.

Verschiedene Unternehmen verfolgen in der Umstellung die Strategie, die aktuell geltenden IFRS weiterhin einzuhalten und nicht mehr zu verändern. Diese Unternehmen entfernen sich dadurch immer weiter von der Entwicklung der IFRS und können die Vorteile der Swiss GAAP FER daher nur zum Teil nutzen.

Deshalb sollten die Unternehmen eine Umstellung als Chance nutzen, die Rechnungslegung so zu gestalten, dass sie einerseits optimal die Anforderungen der jeweiligen Anspruchsgruppen erfüllen und andererseits auch die Effizienz vom «Swiss GAAP FER»-Standard ausnützen können.