Finanzen & Vorsorge

Vorsorge

Warum bei Vorsorgeprodukten Nachhaltigkeit zum Standard wird

Nachhaltigkeit ist für Vorsorgelösungen wegen des meist langen Anlagehorizonts besonders wichtig. Dabei dienen Produkte, die ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) berücksichtigen, nicht nur der individuellen Optimierung der Altersvorsorge, sie liefern auch Wohlstandsgewinne für die Gesellschaft als Ganzes.
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Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren in Gesellschaft, Politik und unter Investoren von einem Nischendasein zu ­einem strategisch wichtigen Kernthema entwickelt. Auf politischer Ebene werden ambitionierte Lösungen angestrebt, um die Ziele des Pariser Klimaschutzab­kommens zu erreichen, wie zum Beispiel der «Green Deal» der EU. Unternehmen und Investoren sind ebenfalls gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Gesellschaft und Konsumenten tendieren immer mehr dazu, Produkte und Dienstleistungen zu konsumieren, die die Transformation der Wirtschaft zu einem nachhaltigeren ­Modell unterstützen.

Dem Regulator zuvorkommen

In der Finanzwelt wächst das Bewusstsein, dass «saubere» Unternehmen, die ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) in ihren Geschäfts­aktivitäten berücksichtigen, längerfristig das bessere Geschäftsmodell auf­weisen und höhere Renditen erzielen können. Sie seien besser aufgestellt, um straffere Regulierungen – wie beispielsweise Kohlestoffsteuern – zu meistern. Der Re­gulator wirft dabei ein besonderes Augenmerk auf Asset Manager, Vermögens­verwalter und grosse institutionelle Investoren, da diese Geldströme in gewünschte Sektoren und Technologien lenken können.

Doch auch private Anleger lassen ihre Muskeln spielen; sie fordern zunehmend Investitionsprodukte, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und versuchen, umweltschädigende Unternehmen und Sektoren zu meiden. Sie erwarten von Unternehmen eine aktive Partizipation im Kampf gegen den Klimawandel. Diese Entwicklung hat für die Altersvorsorge und die Anbieter von Vorsorgelösungen besonders weitreichende Konsequenzen. Drei Gründe sind dafür verantwortlich: der meist lange Anlagehorizont, die Erwartungen junger Versicherungsnehmer an die Zukunft und die strukturellen Probleme der Vorsorgeeinrichtungen.

Langfristig investieren

Gelder, die für das Ansammeln von Alterskapital investiert werden, haben meist eine lange Anlagedauer. Das bedeutet, dass auch ein nur geringfügiger Renditeunterschied über die Jahre hinweg einen grossen Einfluss auf das Endkapital hat (Zinseszinseffekt). Nachhaltige Anlagen weisen in diesem Zusammenhang viele Vorteile auf. Sie haben in der Vergangenheit in Phasen von Marktverwerfungen geringere Kurseinbrüche erlitten als Produkte, die keine Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Längerfristig dürften sie bei geringerer Volatilität eine höhere Rendite abwerfen als Nicht-ESG-Anlagen, dies wegen des zukunftsorientierten Geschäftsmodells der Unternehmen im Investitionsportfolio. Diese Attribute machen sie für langfristig orientierte Anleger besonders interessant.

Anbieter von Vorsorgelösungen müssen auch in der Lage sein, nachhaltige Produkte und Fonds zu offerieren, weil ihre Kunden nicht nur eine optimale finanzielle Vorsorge erwarten. Gerade jüngere Versicherungsnehmer wünschen eine intakte Umwelt, wenn sie in 20 bis 30 Jahren in Rente gehen – und sie fordern den Nachweis, dass ihre gewählte Anlagelösung dieses Ziel unterstützt. ESG-Kriterien werden für die Auswahl von Vorsorgeprodukten also immer wichtiger.

Strukturelle Probleme 

Die grossen demografischen Herausforderungen der Vorsorgewerke sind bekannt, der Kapitalmarkt als «dritter Beitragszahler» liefert ungenügende Renditen. Das führt dazu, dass Pensionskassen in ihrer Anlagestrategie einerseits aus Renditeüberlegungen und anderseits aus Sicht der Diversifikation und des Risikomanagements ESG-Anlagen priorisieren sollten. Sie müssen sämtliche Portfolio­risiken berücksichtigen, und dazu gehören auch Umwelt- und soziale Risiken. Die strukturellen Probleme der Vorsorgeeinrichtungen machen auch klar, dass die Einzahlungen in AHV und Pensionskasse oft nicht mehr reichen, um im Alter alle finanziellen Bedürfnisse decken zu können. Eigenverantwortliches Sparen in der 3. Säule gewinnt eine immer wichtigere Bedeutung, damit keine Vorsorgelücken im Alter entstehen, und ESG-Kriterien spielen dabei eine zentrale Rolle.

Dabei ist festzustellen, dass die Anbieter entsprechender Produkte noch mehrere Hausaufgaben lösen müssen. Zwar existieren schon verschiedene Vorsorgelösungen für die Säulen 3a und 3b, welche ausschliesslich in Anlagefonds investieren, die strikte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Aber die Produktpalette muss noch ausgebaut und die Transparenz und Datenqualität hinsichtlich ESG-Wirkung verbessert werden. So wären beispielsweise einheitliche ESG-Bewertungen sowie standardisierte Ranking- und Reporting-Prozesse wünschenswert.

Kulturwandel leben

Man kann ohne zu übertreiben sagen, dass Nachhaltigkeit in der Anlagestrategie von Vorsorgeprodukten zum Standard wird. Doch wie können Versicherer und andere Anbieter von Vorsorgelösungen Nachhaltigkeit in ihrem eigenen Unternehmen ­leben? Wie bei jeder Unternehmenstransformation steht auch bei der Entwicklung ­einer nachhaltigen Firmenkultur der Mensch im Mittelpunkt. Umweltthemen können durch relativ einfach umsetzbare Massnahmen adressiert werden, wie zum Beispiel energiesparende Beleuchtung und Heizung, Recycling-Infrastruktur, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel fördern, Geschäftsabläufe digitalisieren etc.

Der Kulturwandel im Unternehmen braucht jedoch Zeit, und er muss «von oben herab» getrieben und von der Geschäftsleitung gefordert und gefördert werden. Die Mitarbeitenden müssen sensibilisiert und durch Anreize motiviert werden, sich auch im Arbeitsalltag umweltfreundlich zu verhalten. Eine Partnerschaft mit einer (gemeinnützigen) Or­ganisation, die Klimaschutz und CO₂-Kom­pensation fördert, kann einem Unternehmen helfen, seinen ökologischen Fussabdruck zu berechnen und zu reduzieren. Zudem stellt eine solche Kooperation ein Bekenntnis zur Bewahrung der Umwelt dar, nach innen und nach aussen. Eine weitere Möglichkeit sind Initiativen zur Wiederaufforstung. Sie geben Unternehmen und ihren Mitarbeitenden und Kunden die Möglichkeit, Bäume zu pflanzen; dies anhand einer frei wählbaren Metrik wie zum Beispiel pro Anzahl verkaufte Produkte oder gefahrene Kilometer.
Wohlstandsgewinn 

Nicht zuletzt sollten Arbeitgeber auch aus Reputationsgründen Nachhaltigkeit und eine gute Unternehmensführung leben. Wollen sie in Zukunft die besten Arbeitskräfte gewinnen – eine Grundvoraus­setzung für künftigen Geschäftserfolg –, müssen sie einen guten Ruf haben. Vor ­allem auch junge, hochqualifizierte Arbeitskräfte erwarten von ihrem Arbeit­geber eine einwandfreie Reputation in Sachen Nachhaltigkeit. Dazu gehören nicht nur Umweltaspekte, sondern auch eine gute Unternehmensführung, Lohngleichheit, flexible Arbeits- und Weiterbildungsmodelle sowie Diversität.

Arbeitgeber und Portfoliounternehmen sind also gleichermassen gefragt, künftig mehr soziale Verantwortung zu übernehmen. Anbieter von Vorsorgeprodukten sollten sicherstellen, dass ihre Produkte dem neuen Standard entsprechen. Mithilfe nachhaltiger Anlageprodukte können nicht nur die einzelnen Versicherten ihre Altersvorsorge optimieren, sondern es können auch Wohlstands­gewinne für die Gesellschaft als Ganzes erzielt werden.

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