Finanzen & Vorsorge

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Vergütung als Erfolgsfaktor bei Börsengängen

Ein Börsengang stellt hohe Anforderungen an ein Unternehmen. Die Vergütung des Top-Managements spielt dabei eine wichtige Rolle und beeinflusst die weitere Entwicklung am Kapitalmarkt. Die Eigentümer sind gut beraten, die bestehende Vergütungspraxis zeitig auf den Prüfstand zu stellen und so auszurichten, dass sie den neuen Rahmenbedingungen genügt.
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Für die erstmalige Emission von Aktien eines Unternehmens an der Börse gibt es verschiedene Beweggründe. Im Vordergrund stehen die Finanzierung über den Kapitalmarkt oder die Stärkung der Eigenkapitalbasis. Die Motive für einen Börsengang unterscheiden sich meist aufgrund der Art der bisherigen Eigentümer. Mehr als die Hälfte aller durchgeführten IPOs in den letzten Jahren wurde von
Unternehmern und Unternehmerfamilien durchgeführt.

Vor dem Börsengang

So speziell die Gründe für einen Börsengang sind, so heterogen sind auch die etablierten Vergütungssysteme vor der Platzierung am Kapitalmarkt. Die Betrachtung der vorhandenen Vergütungssysteme ist essentiell, um den Umfang notwendiger Veränderungen beurteilen zu können. Historisch bedingt sind die Vergütungssysteme auf die bisherigen Eigentümer ausgerichtet, nicht aber auf die neuen Interessensgruppen, vor allem die Aktionäre. Langjährige Projekterfahrung zeigt, dass es mindestens drei Monate braucht, um ein neues Vergütungssystem zu entwickeln und professionell im Kotierungsprospekt darzustellen. Grundsätzlich sind folgende Vergütungselemente zu berücksichtigen:

  • Grundvergütung;
  • einjährige variable Vergütung (Jahresbonus);
  • mehrjährige variable Vergütung sowie
  • Neben- und Vorsorgeleistungen.

Die Ausgestaltung der variablen Vergütung spielt im Hinblick auf die Steuerungswirkung und die Ausrichtung auf die Stakeholder-Interessen die zentrale Rolle. Der Jahresbonus, die einjährige variable Vergütung, ist auch in nicht börsenkotierten Unternehmen bereits weit verbreitet und meist auf allen Mitarbeiterebenen – nicht nur auf Top-Management-Ebene – etabliert. Signifikante Unterschiede finden sich in den mehrjährigen Vergütungen. Betei­ligungsgesellschaften bieten ihren Top-Managern oft die Möglichkeit, mit einem signifikanten Eigeninvestment direkte oder vergünstigte Anteile am eigenen Unternehmen zu erwerben. Im Falle einer Platzierung am Kapitalmarkt können diese bei einer bisher guten Geschäftsentwicklung zu einem Vielfachen des Ausgangswertes verkauft werden.

In familien- und unternehmergeführ­ten Firmen trifft man im Rahmen der mehrjährigen variablen Vergütung, wenn überhaupt, auf virtuelle Beteiligungsformen oder auch echte Unternehmensbeteiligungen in Aktien. Die virtuellen wie auch echten Aktienbeteiligungen sind direkt von der Unternehmenswertentwicklung abhängig. Eine weitere Möglichkeit der mehrjährigen variablen Vergütung ist eine Barvergütung, die sich an Kennzahlen und Zielen orientieren kann. Besondere Formen der Vergütung ergeben sich auch aus den Rahmenbedingungen. Die Vergütungssysteme in nicht-börsenkotierten Unternehmen sind in ihrer Höhe, Struktur und Systematik insgesamt wesentlich freier ausgestaltet. In börsenkotierten Unternehmen sind diese mehr und mehr geregelt. Doch wie sieht nun eine optimale Konzeption einer kapitalmarktfähigen Vergütung aus? Zwei zeitlich und inhaltlich unabhängige Vergütungen sind anzutreffen:

  • eine Sonder-Incentivierung für den erfolgreichen Börsengang
  • die reguläre Vergütung, die ab dem Börsengang gewährt wird

Etwa zwei Drittel aller Unternehmen, die an die Börse gehen, gewähren ausgewählten Mitarbeitern in Schlüsselfunktionen für den erfolgreichen Börsengang Incentives für besonderes Engagement und die hohe, erfolgskritische Arbeits­belastung in der Vorbereitungsphase. Die Ausgestaltung dieser Incentives kann ganz unterschiedlich sein, ebenso wie die entsprechende Auszahlung. Diese erfolgt in bar oder in Aktien, ist an Performance-Bedingungen geknüpft oder nicht, erfolgt als sofortige Zahlung oder auch als bedingte Gewährung mit definierter Haltefrist der Aktien. In der Praxis lassen sich unterschiedliche Vorgehensweisen beobachten: entweder höhere Einmalzahlungen an einen sehr kleinen Personenkreis, meist dem Top-Management zugehörig, oder kleinere Anerkennungszahlungen an eine breitere Mitarbeitergruppe. Die Möglichkeiten zur Börsengang-Incenti-vierung sind vielfältig und sollten sorgfältig geprüft bzw. gewählt werden. Ein Konflikt zu anderen Vergütungskomponenten ist zu vermeiden, wie z. B. zu einem Ma­-nagement-Beteiligungsprogramm, welches bereits Anreize für die erfolgreiche Platzierung durch den Verkauf von An­teilen um ein Vielfaches enthält. Wenn die Manager auch nach dem erfolgreichen Börsengang an Bord bleiben sollen, sollte ein entsprechendes Vergütungsmodell mit langfristigen Anreizen etabliert sein.

Nach dem Börsengang

Langfristig wichtiger als die einmalige Incentivierung des erfolgreichen Börsengangs ist die neue reguläre Vergütung auf allen Mitarbeiterebenen: vom Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung über die oberen Führungskräfte bis hin zu allen anderen Mitarbeitern. Durch den Börsengang wird das Unternehmen in der Öffentlichkeit bekannter. Um Talente zu halten und neue zu rekrutieren, sollte daher die Vergütungshöhe marktgerecht und wettbewerbsfähig sein.

Die Ausgestaltung des neuen Vergütungssystems, vor allem für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung, ist ein entscheidender Baustein der Neuausrichtung des Unternehmens. Mit der Einführung der VegüV, der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften, gelten Regelungen, die speziell bei dieser Zielgruppe beachtet werden müssen. Doch abgesehen von gesetzlichen Bestimmungen sind durch aktienbasierte variable Vergütungen wichtige Hebel zur Steuerung des Managements gegeben und auch entsprechend zu nutzen. Zielbonusmodelle als einjährige variable Vergütung oder Profit-Sharing-Modelle setzen Anreize, sodass kurzfristige Ziele erreicht und die Geschäftstätigkeit im gewünschten Umfang angestrebt werde. Eine stärkere Ausrichtung auf die nachhaltige Wertsteigerung lässt sich durch eine Auszahlung des Jahresbonus nicht nur in bar, sondern in Aktien erreichen, die eventuell für eine gewisse Zeit gesperrt werden.

Für die mehrjährige variable Vergütung bieten sich aktien- oder optionsbasierte Plantypen an. Bei einer bedingten Zusage auf echte oder virtuelle Aktien beziehungsweise Optionsrechte kann die nach Jahren erfolgende Zuteilung an bestim­mte Sperrfristen geknüpft (z. B. Restricted Stock) oder an langfristige Ziele, sogenannte Performance-Bedingungen, gebunden sein (z. B. Performance Shares). Letzteres umfasst häufig ähnliche Ziele wie im Jahresbonus.

Aber auch der Faktor Nachhaltigkeit kann in einem Long-Term-Incentive-(LTI-)Plan abgedeckt werden. Beispielsweise durch die Zielgrösse der absoluten oder relativen Gesamtaktionärsrendite (Total Shareholder Return/TSR) oder auch nicht kapitalmarktbasierte Nachhaltigkeitsziele. LTI-Pläne können ebenfalls eine Auszahlung in bar oder Aktien vorsehen, je nachdem welche Vergütungsprinzipen dem Plan zugrunde liegen. Sowohl für die Mitglieder des Verwaltungsrats als auch der Geschäftsleitung werden zunehmend Aktienhaltevorschriften, sogenannte Share Ownership Guidelines, definiert. Diese verpflichten den entsprechenden Personenkreis, bis zu einem bestimmten Betrag Aktien des Unternehmens zu halten. Über diesen Weg lassen sich die Interessen der Aktionäre und des Top-Managements noch stärker aufeinander abstimmen.

Grundsätzlich wichtig ist eine möglichst konsequente Durchgängigkeit der Ver­gütungssysteme von der Geschäftsleitung bis auf die Ebene der oberen Führungskräfte, wobei sich die Gewichtungen der Vergütungskomponenten im System unterscheiden. Das Vergütungssystem der weiteren Mitarbeiter unterhalb der Führungsebenen enthält meist keine mehrjährige variable Vergütung und beschränkt sich auf das Erreichen kurzfristiger operativer Ziele. Die Einführung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bietet dem Unternehmen allerdings die Möglichkeit, alle Mitarbeiter auf die Stakeholder-Interessen auszurichten und sie zu Miteigentümern des Unternehmens zu machen.

Um die Anforderungen eines kapitalmarktfähigen Vergütungssystems zu erfüllen und dieses Investoren darzustellen, sollte frühzeitig mit der Überarbeitung/Vorbereitung der Vergütungssysteme begonnen werden. Die Herausforderung ist, die dafür notwendigen gezielten Veränderungen am bestehenden Vergütungssystem bzw. die völlige Neukonzeption innerhalb eines ambitionierten Zeitfensters zu entwickeln, die notwendigen Entscheidungen zu treffen und das entsprechende System in Vertragsdokumenten und Plan-Reglementen umzusetzen. In diesem Prozess bedarf es eines erfahrenen Beraters, der sich mit dem Design entsprechender Vergütungskonzepte auskennt, typische Fragestellungen im Vorfeld des Börsengangs schnell und zuverlässig beantwortet sowie die Implementierung pragmatisch unterstützt.