Finanzen & Vorsorge

Working Capital Management

Trotz tiefer Zinsen: Die Liquidität bleibt zentral

Liquidität ist für Unternehmen wie die Luft zum Atmen. Ohne sie geht es innert kürzester Zeit ums Überleben. Deshalb sollten Unternehmen trotz tiefer Zinsen ein grosses Augenmerk darauf legen, ihre Liquidität optimal zu steuern.
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Viele Unternehmen fragen sich angesichts des anhaltenden Tiefzinsumfelds, ob das Working Capital Management (WCM) noch immer die ursprüngliche Bedeutung einnimmt oder an Brisanz verliert. Liquidität ist vielerorts ausreichend vorhanden und häufig müssen sich die Verantwortlichen aktuell nicht überlegen, wie sie zusätzliche flüssige Mittel generieren, sondern wie sie mit der überschüssigen Liquidität sinnvoll umgehen. Man darf allerdings nicht vergessen, dass vor dieser Tiefzinsphase viele Unternehmen mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen hatten. Somit muss man davon ausgehen, dass mit der langsam beginnenden Normalisierung der Zinskonditionen die Generierung flüssiger Mittel wieder massiv an Bedeutung gewinnen wird.

Liquidität ist unentbehrlich

Die Finanzkrise ab 2007 und die angespannte Lage vieler Finanzinstitutionen führten bei zahlreichen Unternehmen zu Liquiditätsengpässen, einige mussten aufgrund von Zahlungsunfähigkeit gar Insolvenz anmelden. Gemäss einer Studie der auf Wirtschaftsinformationen spezialisierten Bisnode D und B AG eröffneten 4540 Schweizer Unternehmen im Jahr 2016 ein Konkursverfahren. Das entspricht einer Zunahme von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Weitere Faktoren wie die schlechte Konjunkturentwicklung oder die sinkende Zahlungsmoral der Kunden zwangen hierzulande insbesondere KMU und Exportunternehmen, sich primär auf die Existenzsicherung zu konzentrieren und Einsparungsmöglichkeiten in der Beschaffungs- sowie der Personalpolitik zu suchen.

Die Verschlechterung des operativen Geschäfts, verbunden mit Umsatzeinbrüchen, führt schnell zu Liquiditätseng­pässen und hat negative Folgen für die Kreditwürdigkeit. Für die Aufrechterhaltung des Geschäfts sind betroffene Unternehmen dann gezwungen, neue Kredite zu schlechteren Zinskonditionen aufzunehmen, was wiederum negative Auswirkungen auf Gewinn und Liquidität hat.Um einen Liquiditätsengpass zu vermeiden, müssen in einem Unternehmen jederzeit genügend Zahlungsmittel vorhanden sein, um die fälligen Verbindlichkeiten in vollem Umfang begleichen zu können. Die Aufrechterhaltung der Liquidität ist und bleibt für das Überleben eines Unternehmens entscheidend.

Lösungsansätze

Eine höhere Liquidität räumt einem Unternehmen mehr Handlungsspielraum und Sicherheit ein, gleichzeitig wird allerdings aus Sicht einer wertorientierten Unternehmenssteuerung die Rentabilität verringert, was zu einem klassischen Zielkonflikt führt. Das Working Capital ist ein Teilgebiet der Unternehmensfinanzierung und wird nach verschiedenen Ansätzen berechnet. In der Praxis wird das Net Working Capital (Nettoumlaufvermögen) als Differenz zwischen dem Umlaufvermögen (ohne flüssige Mittel) und den kurzfristigen, unverzinslichen Verbindlichkeiten definiert.

Die Einführung eines effizienten Managements des Nettoumlaufvermögens unter Berücksichtigung der Strategie und Marktsituation des Unternehmens reduziert die Liquiditätsrisiken, wirkt sich positiv auf die Kapitalbindung aus und generiert zusätzliche Liquidität. Während grosse Unternehmen meist ein systematisches Management des Net Working Capital betreiben, fehlen den KMU oft die notwendigen Ressourcen und das Know-how. Ein aktives Net Working Capital Management bedeutet eine effiziente Steuerung des Umlaufvermögens und der kurzfristigen Verbindlichkeiten, indem die Vorrats- und Forderungsbestände gesenkt und die Verbind-
lichkeiten erhöht werden. Dies erfordert folgende Schritte:

  • Zerlegung der drei Treiber des Net Working Capital (Forderungs-, Lager- und Verbindlichkeitenmanagement) in Teilprozesse.
  • Ineffiziente oder fehlende Prozesse identifizieren: z. B. Bonitätsprüfung der Kunden, korrekte und zeitnahe Erstellung der Rechnungen, Überwachung der ausstehenden Forderungen und kontinuierliches Mahnwesen.
  • Geeignete Massnahmen zur Verbesserung definieren.
  • Bei fehlendem Know-how Outsourcing von Teilprozessen in Betracht ziehen.
  • Adressatengerechte Kennzahlen definieren wie durchschnittliche Debitoren- oder Lieferantenfristen.
  • Regelmässiges Monitoring der Prozesse und Kennzahlen.
  • Vergleich der Kennzahlen innerhalb der Branche (Benchmarking).

Der Liquiditätsbedarf

Eine wichtige Kennzahl für die Ermittlung des absoluten Liquiditätsbedarfs eines Unternehmens ist der Cash Conversion Cycle. Der Cash Conversion Cycle misst die durchschnittliche Zeit, die zur Finanzierung des Geschäftszyklus benötigt wird.Die Berechnung des Cash Conversion Cycle ermittelt den Zeitabstand zwischen der Bezahlung bezogener Güter und Dienstleistungen – Days Payable Outstanding (DPO), – der Lagerdauer – Days Inventory Outstanding (DIO) und der Zahlung des Kunden für den Verkauf der Fertigprodukte und Dienstleistungen – Days Sales Outstanding (DSO). Zur Verbesserung der Liquidität sollte dieser Zeitabstand möglichst niedrig gehalten werden.

Währungsrisiken begrenzen

In engem Zusammenhang mit den Liquiditätsrisiken stehen die Währungsrisiken. Insbesondere für stark exportorientierte Unternehmen und den Tourismus hat sich nach der Aufhebung des Euromindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank im Januar 2015 das wirtschaftliche Umfeld massgeblich verschärft. Der sprunghaft gestiegene Franken führte zu Umsatz- und Gewinneinbussen vieler Unternehmen und kann langfristig deren Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.Auch wenn sich viele Unternehmen mittlerweile überraschend gut auf die Frankenstärke eingestellt haben, bleibt die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unter diesen Rahmenbedingungen eine ständige Herausforderung. Aus Unternehmenssicht werden die Währungsrisiken in zwei Teilrisiken aufgeteilt:

  • Das Translationsrisiko bezieht sich auf die Umrechnung von Fremdwährungspositionen der Bilanz zum Bilanzstichtag. Weil diese Risikoart keine liquiditätswirksamen Auswirkungen hat, wird sie in der Praxis nicht näher untersucht.
  • Das Transaktionsrisiko bezieht sich auf die bestehenden und erfassten Forderungen in Fremdwährungen, ist erfolgs- und liquiditätswirksam und erfordert in der Praxis eine gezielte Steuerung.

Mögliche Massnahmen zur Bekämpfung der Währungsrisiken:

  • Devisentermingeschäfte: Mithilfe solcher Geschäfte kann beispielsweise ein Schweizer Exporteur das Recht erwerben, an einem bestimmten Tag in der Zukunft Devisen zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen, und zwar zu einem bereits heute festgelegten Kurs. Viele Bankinstitute bieten mittelständischen Unternehmen zahlreiche Varianten des Devisentermingeschäfts mit unterschiedlichen Laufzeitoptionen an.
  • Forfaitierung: Hier handelt es sich um den Verkauf der Forderungen gegenüber ausländischen Kunden an Forfaitierungsgesellschaften oder Banken. Dadurch werden die Wechselkursrisiken an Forfaitierungsgesellschaften oder Banken weitergegeben, was allerdings sehr teuer werden kann.

Fazit

Massnahmen des Working Capital Managements finden sich entlang der gesamten Supply Chain und beschränken sich nicht nur auf unternehmensinterne Prozesse. Ist die Supply Chain optimiert, ergeben sich neben der Mittelfreisetzung weitere positive Effekte. So wird häufig auch die Qualität verbessert oder die Versorgungssicherheit erhöht. Die kontinuierliche Optimierung des Net Working Capital bleibt auch zukünftig eine wichtige unternehmerische Aufgabe. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich die Zinsverhältnisse wieder normalisieren werden und nicht damit zu rechnen ist, dass auch auf die nächsten Jahre hinaus zu sehr günstigen Konditionen Liquidität beschafft werden kann.

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