Im Falle der Scheidung streiten sich die Ehegatten oft nicht nur um die während der Ehe angesparten Vermögenswerte oder die Kinderbetreuung, sondern auch um die während der Ehe angehäuften Vorsorgegelder der zweiten und dritten Säule. Eine Teilung dieser Gelder ist dann umso wichtiger, wenn die Ehegatten nicht im gleichen Umfang erwerbstätig waren und daher nicht im selben Masse für das Alter vorsorgen konnten. Der vorliegende Artikel soll über die Scheidungsfolgen im Zusammenhang mit Vorsorgegeldern informieren und auf einzelne Gefahren hinweisen, die zu bösen Überraschungen führen könnten.
Das Drei-Säulen-System
Das System der Vorsorge in der Schweiz steht auf drei Säulen: die staatliche Vorsorge (1. Säule), die berufliche Vorsorge (2. Säule) und die private Vorsorge (3. Säule). Im vorliegenden Artikel geht es lediglich um die 2. und die 3. Säule.
Die 2. Säule bilden die gesetzlichen Pensionskassen. Darin sind grundsätzlich alle Arbeitnehmenden ab dem 18. Altersjahr mit einem jährlichen Mindesteinkommen von momentan 21 510 CHF versichert. Ab dem 25. Altersjahr deckt die Versicherung nicht nur die Risiken Tod und Invalidität ab, sondern es wird auch für die Altersrente Guthaben angespart. Finanziert wird die Pensionskasse durch Beiträge der Arbeitnehmenden als auch der Arbeitgeber. Die 3. Säule, die sogenannte private Vorsorge, ist für jede Person freiwillig und lässt sich durch verschiedene Spar- und Versicherungslösungen individuell ausgestalten. Einigt sich ein verheiratetes Paar auf eine klassische Rollenverteilung – das heisst, ein Ehepartner betreut die Kinder, der andere ist erwerbstätig –, so spart nur der erwerbstätige Ehepartner für sich Altersguthaben an. Der andere hingegen stünde im Falle einer Scheidung folglich ohne Altersvorsorge aus der 2. und 3. Säule da. Dieser Ungleichheit wirkt das Gesetz entgegen.
Die 2. Säule
Das Gesetz sieht vor, dass die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge bei der Scheidung ausgeglichen werden (Art. 122 ZGB). Die erworbenen Austrittsleistungen samt Freizügigkeitsguthaben und Vorbezügen für Wohneigentum werden dabei hälftig geteilt (Art. 123 Abs. 1 ZGB), unter Verrechnung gegenseitiger Ansprüche. Mit dieser hälftigen Teilung soll derjenige Ehepartner bei Eintritt des Vorsorgefalls entlastet werden, der während der Ehe kein oder nur ein geringes Guthaben in der 2. Säule anhäufen konnte.
Die 3. Säule
Im Falle der Scheidung werden die Gelder der gebundenen Vorsorge unter Anwendung der Regeln des ehelichen Güterrechts geteilt. Haben die Ehepartner den gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung nicht durch Ehevertrag gewechselt oder abgeändert, hat jeder Ehepartner bei Auflösung der Ehe Anspruch auf die Hälfte der Errungenschaft des anderen.
Als Errungenschaft gilt insbesondere der während der Ehe angesparte Arbeitslohn. Bezahlt ein Ehepartner die Beiträge der privaten gebundenen Vorsorge aus seinem Arbeitslohn – was im Übrigen vermutet wird –, so gehört das derart angehäufte Vermögen in der 3. Säule zur Errungenschaft, und der andere Ehepartner hat darauf zur Hälfte Anspruch. Die während der Ehe angesparten Vorsorgegelder der 3. Säule sind in diesem Fall ebenfalls zu teilen.
Vorbezüge
Sowohl aus der 2. als auch aus der 3. Säule kann eine Person Vorbezüge für den Erwerb eines selbst bewohnten Wohneigentums beziehen. Auf steuerliche Folgen wird nachfolgend nicht eingegangen. Bezieht eine Person Beiträge aus der 2. Säule zur Finanzierung eines Eigenheims, so ist das Geld weiterhin im System der beruflichen Vorsorge gebunden und muss im Falle der Veräusserung des Wohneigentums an die Pensionskasse zurückbezahlt werden. Die in das Eigenheim investierten Pensionskassenbeiträge zählen demzufolge auch weiterhin zu den scheidungsrechtlich zu teilenden Vorsorgegeldern der 2. Säule. Der Vorbezug ist im Falle einer Scheidung deshalb zu den zu teilenden übrigen Freizügigkeitsleistungen und Austrittsleistungen hinzuzurechnen.
Auch aus der 3. Säule kann eine Person Gelder für die Finanzierung eines Eigenheims vorbeziehen. Diese sind im Gegensatz zur 2. Säule bei einem Verkauf nicht mehr zurückzuzahlen. Trotzdem sind diese im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung weiterhin zu beachten und allenfalls zu teilen. Wenn solche Gelder im selbst bewohnten Wohneigentum investiert sind, kann die Aufteilung der Vorsorgegelder anlässlich einer Scheidung zu Problemen führen. Dies insbesondere dann, wenn der eine Ehepartner selber kein Vorsorgeguthaben angehäuft hat und er Anspruch auf die Hälfte der BVG-Gelder bzw. der Errungenschaft inklusive der Vorsorgegelder aus der 3. Säule des anderen Ehepartners hat. Dem ausgleichungspflichtigen Ehepartner verbleiben in diesem Fall allenfalls nicht mehr genügend «freie» Beiträge und/oder andere liquide Mittel, um den anderen Ehepartner «auszuzahlen». Dieser Liquiditätsengpass kann allenfalls dazu führen, dass das selbst bewohnte Wohneigentum verkauft werden muss.