Finanzen & Vorsorge

Kommentar & Meinung

Krankenkassen wollen den Vermittlungsmarkt regulieren

Die ab dem 1. Januar dieses Jahres gültige Branchenvereinbarung der Krankenver­sicherer zu den externen Vermittlern soll unerwünschte Werbeanrufe verhindern und die Beratungsqualität erhöhen. Zudem legt sie eine Obergrenze für Provisionen fest. Schiesst sie über das Ziel hinaus?
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Die von den beiden Gesundheitsverbänden Santé­suisse und Curafutura ausgearbeitete «Branchenvereinbarung Vermittler» ist Anfang Januar in Kraft getreten. Zweck dieser neuen Vereinbarung ist, die Qualität der Beratung und der Abschlüsse in Grund- und Zusatzversicherung zu verbessern und die Höhe der Vermittlungsprovi­sionen zu begrenzen. Mit Ausnahme der Sanitas haben alle grossen Krankenkassen der Verein­barung zugestimmt. Im September 2020 hat das Parlament ein Gesetz vernehmlasst, das die Vereinbarung für allgemein verbindlich erklären soll.

Für das breite Publikum von Bedeutung ist vor allem das Verbot der sogenannten Kaltakquise. Die oft ärgerlichen Telefonanrufe von Versicherungsverkäufern, die Personen vom Wechsel der Grund- und Zusatzversicherung zu einem anderen Anbieter überzeugen wollen, dürften aufhören. Die Unterzeichnenden der Branchenvereinbarung verpflichten sich, auf den Kontakt mit potenziellen Kunden zu verzichten, mit denen keine Geschäftsbeziehung besteht oder seit drei Jahren keine Beziehung mehr bestanden hat. Verstösse können hohe Bussen zur Folge haben.

Qualitätsstandards einhalten

Um eine hohe Qualität der Beratung und der Abschlüsse zu sichern, müssen die Krankenversicherer Qualitätsstandards zum Telefonmarketing beachten und nur mit Vermittlern zusammenarbeiten, die die entsprechenden Standards ebenfalls einhalten. Dazu gehört, dass Anrufe anhand eines Leitfadens und nur durch entsprechend geschulte Mitarbeitende durchgeführt werden dürfen. Name, Firma und Zweck des Anrufs müssen gleich zu Beginn genannt werden; es wird von einer nicht unterdrückten Nummer aus angerufen, und es muss angegeben werden, woher Adresse und Telefonnummer des Angerufenen stammen. Das Versicherungs­aufsichtsgesetz (VAG) unterscheidet zwischen gebundenen und ungebundenen Vermittlern, wobei alle Vermittler gewissen Informationspflichten unterstehen. Die Finma führt ein öffentliches Register der Versicherungsvermittler. Ungebundene Vermittler dürfen ihre Tätigkeit erst nach erfolgreicher Registrierung aufnehmen; gebundene Vermittler haben das Recht, aber nicht die Pflicht, sich in das Vermittlerregister eintragen zu lassen. 

Gebundene und ungebundene Vermittler

Gebundene Vermittler (Agenten) stehen in einer wirtschaftlichen oder rechtlichen Abhängigkeit zu einem oder mehreren Versicherungsunternehmen; dazu gehören zum Beispiel Aussendienstmitarbeitende von Versicherungsgesellschaften (Arbeitsvertrag) oder entsprechende externe Vermittler (Agenturvertrag). Sie arbeiten im Auftrag der Versicherungsunternehmen. Ungebundene Vermittler (Broker) sind nicht an ein oder mehrere Versicherungsunternehmen gebunden; sie sind von einzelnen Versicherern wirtschaftlich und rechtlich unabhängig und arbeiten im Auftrag des Kunden – zumindest in der Theorie.

Die Konsequenzen der unterschiedlichen Behandlung von gebundenen und ungebundenen Ver­mittlern sind schwerwiegend. Einerseits haftet der Versicherer gemäss Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für seine gebundenen Vermittler in gleichem Umfang wie für seine Angestellten. Deshalb gibt es Versicherer, die nicht mit gebundenen Vermittlern zusammenarbeiten wollen. Andererseits sind viele Vermittler (fälschlicherweise) als ungebunden deklariert, um mit Versicherern zusammenarbeiten zu können. Das wird von der Finma jedoch nicht systematisch kontrolliert. Die Haftungsfrage ist bei einem Vermittler, der sich nachträglich als gebunden herausstellt, unklar.

Die Branchenvereinbarung definiert auch die Funktion der Vermittler neu, was jedoch in einem klaren Widerspruch zum VAG steht. Als Vermittler im Sinne der Branchenvereinbarung gelten freie Vermittler sowie alle Organisationen und die ihnen angeschlossenen Mitarbeitenden, die einerseits Endkunden beraten und andererseits den Versicherern Abschlüsse gegen eine Provision liefern. Keine Vermittler im Sinne der Branchenvereinbarung sind hingegen Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Versicherer stehen und Ver­sicherungspolicen für ihren Arbeitgeber abschlies­sen. Es geht in der Branchenvereinbarung also nicht um das Thema «Vermittler» allgemein, sondern um die Akquise durch externe Vermittler. Der gesamte Eigenvertrieb ist davon ausgenommen. Diese Unterscheidung ist im VAG nicht vorgesehen.

Provisionen deckeln

In der Branchenvereinbarung ebenfalls geregelt sind die Provisionen, die für Versicherungsabschlüsse gezahlt werden. In den letzten Jahren stiegen die Provisionen kontinuierlich, da sich die Versicherer gegenseitig Kunden abwarben. Weil vor allem gesunde Versicherte die Kasse wechseln, konnte eine Krankenkasse mit einem erfolgreichen Vermittler ihre Risikostruktur verbessern. Bei Abschluss einer Grundversicherung dürfen dem externen Vermittler neu nur noch maximal 70 Franken bezahlt werden, bei einer Zusatzversicherung darf die Provision maximal eine Netto-Jahresprämie betragen. Das macht ein rentables Arbeiten der externen Vermittler schwierig. Zudem könnte dieser Preisdeckel als Preiskartell gewertet werden, da die festgelegte Obergrenze zu tief ist, um die Kosten der Vermittler zu decken. Es ist daher unerlässlich, die Entschädigungen der externen Vermittler an die Kosten für den Eigenvertrieb anzugleichen, indem festgelegt wird, wie viel für die Akquisition eines Neukunden ausge­geben werden darf.

Die neue Branchenvereinbarung ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, besonders in Bezug auf die Qualitätsrichtlinien, aber sie schiesst über das Ziel hinaus. Dass Eigenvertrieb und externer Vertrieb nicht gleich behandelt werden, ist problematisch. Es resultiert keine effektive Kosten­senkung, sondern bloss eine Verlagerung auf den meist teureren Eigenvertrieb. Die Zeit muss nun gut genutzt werden, um eine praktikable Gesetzeslösung auszuarbeiten.

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