Finanzen & Vorsorge

Rentensystem

Individuelle Handlungsspielräume für Kader möglich

Die 1. und 2. Säule unseres Vorsorgesystems sind stark unter Druck. Um den finanziellen Abwärtstrend zu stoppen, sind Reformen notwendig. Innerhalb der beruflichen Vorsorge gibt es aber für KMU und deren Geschäftsleitungs- und Kadermitglieder Handlungsspielraum.
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Als die AHV 1948 eingeführt wurde, lag die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer bei 68,7 Jahren und für Frauen bei 74,1 Jahren. Das Rentenalter ist heute fast gleich hoch wie damals – obwohl wir heute elf bis zwölf Jahre länger leben. Ursprünglich lag der Zweck der AHV hauptsächlich in der Absicherung des Langlebigkeitsrisikos, also des Risikos, dass man länger lebt, als man erwerbstätig bleibt. Da sich die Beziehung von Einkommen, Lebensunterhaltungskosten und Vermögen über den Lebenszyklus verändert (siehe Abbildung 1), erwartet man heute von der AHV, dass sie den Existenzbedarf im Ruhestand deckt.

Anstieg des Altersquotienten

Gemäss den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik ist in den nächsten Jahrzehnten mit einem deutlichen Anstieg des Altersquotienten, also dem Verhältnis zwischen der Anzahl der Rentenberechtigten und der Zahl der Aktiven, zu rechnen. Die AHV wird deshalb in absehbarer Zukunft vor sehr grossen finanziellen Herausforderungen stehen. Der vom Parlament Ende September beschlossene Automatismus zur Erhöhung des Rentenalters im Falle eines negativen Finanz­ergebnisses ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung unseres Rentensystems. Doch auch mit dieser Massnahme wird die AHV bald in eine finanzielle Schieflage geraten.

Auch 2. Säule unter Druck

Sich vor diesen Hintergründen stattdessen auf die 2. Säule im Schweizer Vorsorgesystem zu verlassen, wäre aber falsch. Denn auch in der beruflichen Vorsorge sind die Perspektiven düster. Hier haben neben den demografischen Verschiebungen weitere Faktoren einen erheblichen Einfluss. Pensionskassen funktionieren – anders als die umlagefinanzierte 1. Säule – nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Es spart jeder für sich und die angesparten Beiträge werden beim Eintritt ins Rentenalter als Rente ausbezahlt.

Doch auch diese persönlichen Renten geraten immer stärker unter Druck, denn wegen des Kapitaldeckungsverfahrens ist die 2. Säule abhängig von den Bedingungen an den Finanzmärkten. Die aktuelle Tiefzinssituation macht den Pensionskassen zu schaffen. Der vom Bundesrat definierte Mindestzinssatz von 1,25 Prozent ist im Vergleich zum Marktumfeld und der vorherrschenden Tiefzinspolitik der Schweizer Nationalbank zu hoch angesetzt. So rentiert eine zehnjährige Staatsanleihe der Schweizerischen Eidgenossenschaft – Inbegriff der risikolosen Anlage – aktuell nur noch – 0,4 Prozent.

Neben dem Mindestzinssatz wird auch der Umwandlungssatz politisch festgelegt. Er bestimmt, wie das im obligatorischen Teil der 2. Säule angesparte Vorsorgekapital in eine jährliche Rente umgewandelt wird. Dieser Satz beträgt aktuell noch 6,8 Prozent. In der Herbstsession hat das Parlament aber beschlossen, ihn auf 6 Prozent zu senken. Warum? Weil die Menschen immer länger leben, beziehen sie auch länger Rente. Der aktuelle Mindestumwandlungssatz ist auf eine durchschnittliche Lebenserwartung von nur 14,7 Jahren nach der Pensionierung ausgelegt. Effektiv beträgt die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Pensionierung heute jedoch noch rund 18 bis 20 Jahre. Die vorhandenen Gelder reichen also nicht aus, um die Renten über die ganze Laufzeit hinweg zu finanzieren. Weil die Pensionskassen aber gesetzlich verpflichtet sind, die Renten zu garantieren, beschaffen sie sich durch eine buchhalterische Umverteilung die nötigen Mittel (siehe Abbildung 2).

Diese Umverteilung findet nicht nur zwischen den aktiv Versicherten und den Rentnern statt, sondern auch zwischen Besserverdienenden und Versicherten mit tiefen Löhnen. Diese Umverteilung kam schleichend. Erst jetzt wird uns klar, dass auch in der beruflichen Vorsorge quersubventioniert wird: Schätzungen zufolge beträgt die Finanzierungslücke pro Neurentner heute 20 bis 30 Prozent. Wenn bald die Generation der Babyboomer ins Rentenalter kommt, wird sich der finanzielle Engpass der Pensionskassen noch stärker zuspitzen.

Opportunitäten in der Vorsorge

Es besteht also ein Handlungsbedarf. Wer sich nur auf die gesetzlichen Vorsorgesysteme verlässt, könnte bei seiner Pensionierung böse Überraschungen erleben. Wenigen ist jedoch bewusst, dass sie neben der Säule 3a und der privaten Vorsorge im Bereich der individuellen Ka­dervorsorge Handlungsspielraum haben. Wie funktioniert das?

Individuelle Kadervorsorge

Das Korsett bei Zinsen und Umwandlungssatz gilt nur für den obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge (Jahreslöhne bis 84 600 Franken). Oberhalb dieser Grenze sind flexiblere Lösungen möglich. Man kann sich ein zweites Standbein aufbauen, indem man überobligatorische Lohnbestandteile in einer separaten Vorsorgeeinrichtung versichern lässt. Bereits angespartes Vorsorgevermögen kann dabei in der bestehenden Lösung bleiben. Durch diese Trennung von Obligatorium und Überobligatorium werden die zu hohen Rentenversprechen im obligatorischen Teil nicht mehr quersubventioniert. Ab einem Jahreslohn von 126 900 Franken können Vorsorgenehmer zudem ihre Anlagestrategie selber wählen. Diese sogenannten 1e-Lösungen erfreuen sich seit einigen Jahren zwar einer immer grös­seren Beliebtheit, sind insgesamt aber noch wenig bekannt. Gerade für kleine und mittelgrosse Unternehmen und deren Geschäftsleitungs- und Kadermitglieder sind solche Angebote sehr interessant, weil ihre Einkommen oft in diese Sparte fallen.

Diversifikation

Die Kadervorsorge hat sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zahlreiche Vorteile (siehe Abbildung 3). Arbeitnehmer können bei 1e-Kadervorsorgelösungen zwischen verschiedenen Anlagestrategien wählen. Dabei können persönliche Faktoren wie die Risikobereitschaft und -fähigkeit oder der Anlagehorizont mitberücksichtigt werden. Das macht Sinn, da jeder Versicherte grundsätzlich ein anderes Risikoprofil hat. In einer herkömmlichen Pensionskasse mit einer einheitlichen Anlagestrategie wird dieser Vielfalt nicht Rechnung getragen.

In der Kadervorsorge hingegen können jüngere Versicherte mit längeren Anlagehorizonten stärker in Aktien investieren, risikoscheue Versicherte können eine defensivere Strategie wählen. Zudem erhält der Vorsorgenehmer Einsicht in sein persönliches Vorsorgeportfolio; die Wertentwicklung und die anfallenden Kosten werden transparent aufgezeigt. Sämtliche steuerwirksamen Einkäufe werden vollständig diesem persönlichen Vorsorgeguthaben gutgeschrieben. Dieses Geld steht auch im Falle eines Austritts oder im Todesfall vollständig zur Verfügung, was im Obligatorium heute so nicht der Fall ist. Ausserdem hat jeder Vorsorgenehmer eine persönliche Ansprechperson, die ihn in Vorsorgefragen und bei der Wahl der Anlagestrategie berät.

Gesetzesänderung

Auch der Arbeitgeber profitiert: Noch schreibt das Freizügigkeitsgesetz den Pensionskassen vor, austretenden Versicherten eine Mindestleistung zu garantieren. Wer seine Anlagestrategie indi­viduell wählt, trägt aber das Risiko einer negativen Portfolioentwicklung nicht vollständig selber. Das Parlament hat aber beschlossen, den entsprechenden Gesetzesartikel zu streichen; er wird in absehbarer Zeit wegfallen. Folglich werden Unternehmen auch keine Verpflichtungen aus Pensionskassenleistungen mehr zu tragen haben. Die Firmenbilanzen werden entsprechend entlastet.

Bereits heute lässt sich das Problem der garantierten Mindestaustrittsleistungen lösen, indem jeder Vorsorgenehmer individuelle Wertschwankungsreserven bildet. Je mehr Aktienrisiken eingegangen werden, desto höhere Reserven werden aufgebaut.

Unternehmer und Kadermitglieder von KMU sind es sich gewohnt, Entscheide autonom zu treffen. Dass dies auch in der 2. Säule möglich ist, ist aber oft unbekannt. Gerade vor dem Hintergrund der Herausforderungen der gesetzlichen Vorsorgesysteme gilt es, sämtliche Möglichkeiten des Vorsorgesparens zu nutzen.

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